Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist die sog. “Mietpreisbremse” in Hessen wirksam?

Die Antwort des Landgerichts Frankfurt am Main (LG Frankfurt a.M. – 2-11 S 183/17, Urteil vom 27.03.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Frankfurt a.M. in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Der Kläger kann seine Klage nicht mit Erfolg auf die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2015 stützen, die aufgrund der in § 556d BGB den Ländern erteilten Ermächtigung erlassen wurde.

Dabei kann dahinstehen, ob die Ermächtigungsgrundlage in § 556d BGB verfassungswidrig ist. Denn auch wenn man mit dem Amtsgericht von der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage ausgeht, so ist zumindest die auf ihrer Grundlage erlassene Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2015 unwirksam, da sie nicht formell ordnungsgemäß ist.

Die Verordnung ist zwar von dem zuständigen Organ erlassen worden. Doch wurde sie entgegen dem Wortlaut des § 556d BGB, der eine Begründung als verpflichtend vorschreibt, nicht begründet. So heißt es in § 556d Abs. 2 Satz 4-6 BGB: “Eine Rechtsverordnung nach Satz 1 muss spätestens am 31.12.2020 in Kraft treten. Sie muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt.” Es ist zwar grundsätzlich zutreffend, dass Rechtsverordnungen nach Art. 80 GG zu ihrer Wirksamkeit keiner Begründung bedürfen. Dies kann aber dann nicht gelten, wenn wie vorliegend, das Begründungserfordernis ausdrücklich in der Ermächtigungsgrundlage geregelt ist. Der Ermächtigungsadressat wird hier ausdrücklich, denn es heißt “muss”, zur Begründung verpflichtet. Der Gesetzgeber hat dieses Erfordernis bewusst in die Ermächtigungsgrundlage aufgenommen. Durch das Begründungserfordernis soll die Entscheidung der Landesregierung nachvollziehbar gemacht werden (BT-Drs.18/3121, S. 29). Die Begründungspflicht des § 556d Abs. 2 BGB dient dem Grundrechtsschutz, insbesondere dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz. Die Bestimmung und Abgrenzung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten bedarf einer sorgsamen Prüfung der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme, um auf diese Weise den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Eigentumsschutzes Rechnung zu tragen (BT-Drs.18/3121, S. 28). Durch die Aufnahme einer Gemeinde in eine Rechtsverordnung im Sinne des § 556d Abs. 1 BGB wird der Vermieter, der dort eine Wohnung hat, in seinem Eigentumsgrundrecht beschränkt, da er die Neumiete nicht nach Marktverhältnissen festlegen kann. Auch wenn man einen solchen Eingriff als verfassungsrechtlich zulässig erachtet, muss die eigentumsrechtliche Beschränkung besonders gerechtfertigt werden. Die Begründung muss nachprüfbare Tatsachen liefern, warum die jeweilige Gemeinde gerade in die Verordnung aufgenommen wurde. Der Adressat der Verordnung, im vorliegenden Fall der Vermieter, muss nach der Lektüre der Begründung wissen, warum eine bestimmte Gemeinde gerade in die Verordnung aufgenommen wurde (vgl. LG München, Urteil vom 06.12.2017, Az. 14 S 10058/17; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Auflage, § 556d Rn. 39). Nach alledem muss eine Begründung erfolgen.

Zwar schreibt § 556d BGB nicht vor, ob die Begründung in der Verordnung oder an anderer Stelle zu erfolgen hat. Jedoch kann die Begründung in einem Entwurf keinesfalls als ausreichend angesehen werden. Der Verordnungstext der Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung ist im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen 2015, Nr. 26, S. 397 veröffentlicht. Mit oder nach Erlass der Verordnung wurde lediglich ein Entwurf der Begründung, von dem sich auch eine Kopie in der Akte befindet (Anlage K 7, Bl. 230ff der Akte), öffentlich zugänglich gemacht. Dass es sich um einen Entwurf handelt, ist dadurch deutlich gemacht, dass jede Seite quer dick mit dem Wort “Entwurf” gekennzeichnet ist. Dies stellt keine ausreichende Begründung im Sinne von § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB dar.

Die offizielle Begründung wurde nach Auskunft des zuständigen Ministeriums frühestens 2017 als pfd-Download auf der Homepage des Ministeriums öffentlich zugänglich gemacht. Dabei ist bereits fraglich, ob ein öffentliches Zugänglichmachen ausreicht oder ob nicht eine förmliche Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Hessen erforderlich gewesen wäre. Jedenfalls heilt eine nachträgliche Begründung den Mangel der Verordnung nicht. Ein Mangel im Normsetzungsverfahren kann nicht rückwirkend dadurch geheilt werden, dass fehlende Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nachträglich geschaffen werden (vgl. AG Hamburg-Altona, Urteil vom 09.10.2017 – 316 C 206/17). Die Begründung ist gemäß § 556d Abs. 2 BGB Wirksamkeitsvoraussetzung der Verordnung und kann daher nicht nachgeschoben werden. Der Adressat der Verordnung muss ihre Wirksamkeit zum Zeitpunkt seines Handelns beurteilen können. Es muss für Vermieter und Mieter bei Abschluss des Mietvertrages überprüfbar sein, ob die Wiedervermietungsmiete begrenzt ist oder nicht. Bei einer nicht veröffentlichten Begründung weiß man nicht, ob es sie überhaupt gibt und ob der Inhalt den gesetzlichen Vorgaben entspricht (vgl. Börstinghaus, jurisPR-MietR 23/2017 Anm. 1 zu AG Frankfurt, Urteil vom 20.09.2017 – 33 C 3490/16(98)).

Die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung leidet daher an einem Begründungsmangel, der dazu führt, dass sie von Anfang rechtswidrig und damit unwirksam ist.

Damit war die Beklagte bei der Neufestsetzung der Miete nicht an die Vorgaben der Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung gebunden, so dass die zwischen den Parteien im Mietvertrag vereinbarte Miete wirksam und der Feststellungsantrag unbegründet ist.

Daraus folgt auch, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung zu viel entrichteter Miete für den Monat November 2016 zusteht.”