Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann der Mieter bei einem Mietmangel gem. § 320 Abs. 1 BGB – neben der Minderung – einen Teil der vertraglich vereinbarten Miete zurückzubehalten?

Die Antwort des Landgerichts Lübeck (LG Lübeck – 14 S 14/17, Urteil vom 15.02.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Lübeck in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. b) wie folgt aus: “Der Feststellungsantrag zu 2. ist zulässig und überwiegend begründet (vgl. LG Berlin, Urteil vom 15. April 2016, 65 S 400/15 WuM 2016,416). Die Kläger sind gem. § 320 Abs. 1 BGB – neben der Minderung – berechtigt, einen Teil der vertraglich vereinbarten Miete zurückzubehalten. Ihnen steht ein zurückbehaltungsfähiger Gegenanspruch auf Mängelbeseitigung gem. § 535 Abs. 1 BGB zu, da – wie ausgeführt – in der auf den geometrischen Wärmebrücken beruhenden Gefahr der Schimmelpilzbildung ein Mangel der Mietwohnung zu sehen ist. Die Höhe der Zurückbehaltungsquote bemisst die Kammer mit dem dreifachen Betrag der monatlichen Minderung begrenzt auf den vierfachen Betrag der monatlichen Bruttomiete (vgl. LG Berlin a.a.O.; Blank/Börstinghaus a.a.O., § 536 Rn. 62). Wie der u. a. für das Wohnungsmietrecht zuständige Senat des BGH in seinem Urteil vom 17. Mai 2015 – VIll ZR 19/14 – entschieden hat, unterliegt das dem Mieter neben der kraft Gesetzes eintretenden Minderung (§ 536 BGB) zustehende Recht, die Zahlung der (geminderten) Miete nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verweigern, nach seinem Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung dessen, dass das durch den Mangel der Wohnung bestehende Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung durch die Minderung wieder hergestellt ist, grundsätzlich einer zeitlichen und betragsmäßigen Begrenzung. Anders als etwa beim Kauf- oder Werkvertrag, bei dem durch die Mängelbeseitigung die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung vollständig möglich ist, kann bei einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete das mangelbedingte Ungleichgewicht nur für die Zukunft beseitigt werden. Für die bereits abgelaufenen Zeitabschnitte verbleibt es zwangsläufig bei der mangelbedingt eingeschränkten Gebrauchstauglichkeit. Für diese abgelaufenen Zeitabschnitte ist dem Äquivalenzverhältnis aber bereits dadurch (abschließend) Rechnung getragen, dass der Mieter gem. § 536 BGB nur eine geminderte Miete zu zahlen hat. Die Besonderheit, dass das Zurückbehaltungsrecht angesichts des Charakters der Miete als Dauerschuld Verhältnis nur auf zukünftige Nutzungszeiträume abzielen kann, ist bei der Bemessung des Umfangs des Zurückbehaltungsrechts im Rahmen des § 320 Abs. 2 BGB zu beachten. Es ist daher grundsätzlich verfehlt, das Leistungsverweigerungsrecht des Wohnraummieters aus § 320 BGB ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mängelbeseitigungskosten zu bemessen Der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts steht – anders als bei dem noch zu erörternden Mangel der Kellerfeuchtigkeit – nicht entgegen, dass die Kläger in L Instanz auch bezüglich des Mangels der Gefahr der Schimmelpilzbildung in ihrer Wohnung einen Vorschussanspruch für die Beseitigung des Mangels geltend gemacht haben. Dadurch, dass das Amtsgericht diesen Antrag fehlerhaft nicht in den Tatbestand seiner Entscheidung aufgenommen hat und binnen der gesetzlichen Fristen weder einen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320ZPO noch eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO von den Klägern beantragt worden sind, ist die Rechtshängigkeit dieses Anspruchs weggefallen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 321 Rn. 8). Auch in der Berufungsinstanz wurde der übergangene Antrag im Wege einer Klageerweiterung gem. § 533ZPO nicht wieder aufgegriffen, so dass das Zurückbehaltungsrecht bezogen auf diesen Mangel geltend gemacht werden kann.

Die Feststellung der Berechtigung der Kläger zum Einbehalt der Miete war allerdings nur für die Zukunft zu treffen. Für die begehrte Feststellung, dass sie bereits in dem zurückliegenden Zeitraum zur Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts berechtigt waren, besteht kein konkretes Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO. Es ist kein Grund erkennbar, welches Interesse eine Partei daran haben soll, feststellen zu lassen, dass sie in der Vergangenheit zur Zurückbehaltung berechtigt gewesen wäre, wenn sie insbesondere – wie hier – keinen Betrag zurückbehalten hat und Verzugsfolgen, wie beispielsweise eine Kündigung wegen Zahlungsverzug, nicht in Rede stehen. Anders als bei der Mietminderung kann die trotz des Bestehens eines Zurückbehaltungsrechts gezahlte Miete nicht gem. § 812 BGB bzw. des speziellen § 813 BGB zurückgefordert werden, da hiervon nur dauernde Einreden erfasst werden, nicht aber dilatorische wie § 320 BGB (Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 813 Rn. 3).”