Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist die Miete in den Sommermonaten gemindert, wenn ein benachbartes Schulgebäude in eine Flüchtlingsunterkunft umgenutzt wird, von der erhebliche Geruchs- und Lärmbelästigungen (Dusch- und Sanitärcontainer vor dem Gebäude, Essensausgabe im Freien, Mannschaftsspiele, Polizei- und Notarzteinsätze etc.) ausgehen?

Die Antwort des Amtsgerichts Wedding (AG Wedding – 9 C 46/16, Urteil vom 13.03.2017) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Wedding in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Ein Anspruch der Kläger auf Zahlung in Höhe von 92,80 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, besteht nicht.

Denn die seitens der Kläger veranlasste Zahlung des vollständigen Mietzinses in Höhe von 928,- Euro brutto warm für den Monat Januar 2016 erfolgte mit Rechtsgrund. Der Mietzins war in diesem Zeitraum nicht gemindert.

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Gebrauchsüberlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert, oder wenn ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Die Mangelhaftigkeit setzt voraus, dass der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Dies kann seine Gründe auch in außerhalb der physischen Beschaffenheit der Mietsache selbst liegenden Umständen haben, sofern diese zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Sache und damit zu einem sog. Umfeldmangel führen (Häublein in: MünchKom., BGB, 7. Aufl., § 536, Rzi. 14 f.). Ein solcher erheblicher Umfeldmangel kann für den Monat Januar 2016 indes nicht konstatiert werden. Die seitens der Kläger dargestellten Lärm- und Geruchsimmissionen führten zwar außerhalb, nicht aber während der Heizperiode (Oktober bis einschließlich April) zu einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung der klägerischen Wohnung.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in den vergangenen Sommermonaten (Mai bis einschließlich September 2016) von dem Grundstück ### sowie von dessen Bewohnern Immissionen ausgingen, die zu einer unmittelbaren und nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der klägerischen Wohnung führten.

Zwar waren im Rahmen des am 18. August 2016 um 16.00 Uhr durchgeführten Ortstermins vom Balkon der klägerischen Wohnung lediglich Kinderstimmen beim Spielen zu vernehmen, die den Geräuschen, die von einem Schulgebäude ausgehen, entsprechen, allerdings waren im Rahmen der gem. § 286 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Gesamtwürdigung auch die Aussagen der im Laufe des Rechtsstreits vernommenen Zeugen zu berücksichtigen. Mit Ausnahme der Zeugen ### und ###, die jedoch auch bekundeten, selten zu Hause zu sein, bekundeten sämtliche Zeugen übereinstimmend, dass von dem Grundstück ### sowie von dessen Bewohnern Lärm ausgehe, der in den jeweiligen Wohnungen zu vernehmen sei. Mehrere Zeugen bekundeten, dass Ruhestörungen insbesondere von dem bereits frühmorgens im Einsatz befindlichen Abpumpfahrzeug sowie im Rahmen der ebenfalls frühmorgens stattfindenden Übergabe des eingesetzten Wachpersonals ausgingen und sich dann bis in die Abendstunden durch das Verhalten der Bewohner sowie regelmäßige Polizei- und Rettungseinsätze fortsetzten. In den Sommermonaten müssten Fenster daher geschlossen bleiben und könnten Balkone nicht genutzt werden. Das Gericht sieht keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der einzelnen Zeugenaussagen zu zweifeln. Zwar sind sämtliche Zeugen aufgrund ihrer Stellung als Mieter eher dem Lager der Kläger zuzuordnen, allerdings vermag dieser Umstand ihre Glaubwürdigkeit nicht zu erschüttern. Auch die Anwesenheit des Zeugen ### während der Zeugenvernehmung am 15. Dezember 2016 macht dessen Vernehmung weder unzulässig noch dessen Aussage unverwertbar (Damrau in: MünchKom, ZPO, 5. Aufl., § 394, Rzi. 3).

Die geschilderten Aussagen stimmen weitestgehend miteinander überein und stehen im Einklang mit den Behauptungen der Kläger. Es erscheint plausibel. dass von einem Grundstück, auf dem eine Vielzahl von Menschen untergebracht ist, die dort einen Großteil ihres Alltags verbringen, ein nicht unerheblicher Geräuschpegel ausgehen kann.

Die vorstehenden Umstände stellen in Bezug auf die Wohnung der Kläger für die Sommermonate eine Abweichung vom vertraglich vorausgesetzten Zustand dar. Hierbei kann dahinstehen, ob im Rahmen der seinerzeitigen Wohnungsbesichtigung zwischen den Klägern und dem Mitarbeiter der Hausverwaltung, Herrn ### eine Beschaffenheitsvereinbarung über die künftige Nutzung des Grundstücks ### getroffen wurde. Denn infolge des für alle Parteien ersichtlichen Umstandes, dass das Grundstück mit einem Schulgebäude bebaut war, wurde die künftige Nutzung des Grundstücks zu schulischen oder zumindest mit vergleichbaren Immissionen verbundenen Zwecken für den Abschluss des Mietvertrages vorausgesetzt. Mit einer solchen Veränderung, wie sie letztlich eintrat, konnten und mussten die Kläger hingegen nicht rechnen.

Dem steht auch die seitens der Beklagten angeführte sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (vgl. NJW 2015, 2177) nicht entgegen. Dieser lag mit der Errichtung eines Bolzplatzes auf einem Schulgelände ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um die Frage, ob während der Dauer des Mietverhältnisses von dem benachbarten Schulgelände keine höheren Lärmeinwirkungen ausgehen dürfen, als bei Vertragsbeginn. Das Grundstück wurde sowohl bei Mietbeginn als auch nach Errichtung des Bolzplatzes weiterhin als Schulgelände genutzt. Demgegenüber wenden sich die Kläger des hiesigen Rechtstreits gegen eine vollkommen veränderte Nutzung des Grundstückes ### und zwar statt ursprünglich durch Kinder bzw. Jugendliche an regelmäßig nicht mehr als fünf Tagen pro Woche für eine begrenzte Anzahl an Stunden durch Menschen sämtlicher Altersstufen für täglich 24 Stunden. Zudem erkennt in der zitierten Entscheidung auch der BGH an. dass die Annahme einer konkludenten Parteiabrede hinsichtlich des Fortbestandes der ursprünglichen Umweltbeziehungen nicht in jedem Fall ausgeschlossen ist. Im Übrigen sei darauf hingewiesen. dass die seitens des BGH geäußerte Rechtsauffassung durchaus nicht unumstritten ist (vgl. etwa Ghassemi-Taber, NJW 2015, 2849: Föller, WuM 2015, 478).

Die Höhe der Minderung richtet sich insbesondere nach der Schwere des Mangels sowie dem Grad und der Dauer der Beeinträchtigung (Häublein in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl., § 536, Rzi. 30). Nach den Aussagen der im Verlauf des Rechtsstreits vernommenen Zeugen handelt es sich bei den störenden Immissionen überwiegend um Lärm, der dazu führt, dass in den Sommermonaten Balkone nicht genutzt und Fenster nicht geöffnet werden können. Lediglich vereinzelt bekundeten Zeugen, dass sie sich auch durch etwaige Gerüche belästigt fühlten. Soweit Zeugen über nicht ordnungsgemäß entsorgte Abfälle berichteten, war dies mangels diesbezüglichem Vortrag der Kläger außer Acht zu lassen. Zu berücksichtigen war jedoch, dass nicht alle gehörten Zeugen bekundeten, die Geräuschimmissionen als gleich störend zu empfinden. Neben den oftmals abwesenden Zeugen ### und ### bekundete etwa auch die Zeugin ###, dass an manchen Tagen so gut wie nichts zu hören sei. Letztlich war zu beachten, dass die Kläger zum Zeitpunkt der Begründung des Mietverhältnisses von einer zukünftigen Nutzung des Grundstücks ### zu schulischen Zwecken ausgingen, womit sich der Geräuschpegel ebenfalls – wenn auch in geringerem Maße – erhöht hätte. Nach alledem hält das Gericht für die vergangenen Sommermonate eine Minderung in Höhe von 8 % für angemessen, § 287 ZPO. Demgegenüber fehlt es für die in die Heizperiode fallenden Monate, und damit auch für den Monat Januar 2016, an einer erheblichen Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der klägerischen Wohnung. Die Kläger selbst tragen vor, dass die Freiflächen in den Wintermonaten weniger genutzt werden. Diverse Zeugen bekundeten, dass die von dem Grundstück ### ausgehenden Geräuschimmissionen in den Wintermonaten bedeutend geringer seien. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass während der Heizperiode die Fenster für gewöhnlich nicht länger als nötig geöffnet werden und eine intensive Balkonnutzung nicht erfolgt, kann nicht festgestellt werden, dass die Tauglichkeit der klägerischen Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch durch die von dem Grundstück ### ausgehenden Geräuschimmissionen in den Wintermonaten gemindert wäre.

Hinsichtlich des Klageantrages zu 2.) ist die Klage nur teilweise begründet.

Für die Monate Mai 2016 bis einschließlich September 2016 ist die Miete gem. § 536 Abs. 1 BGB um 8 % gemindert. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, stellen die von dem Grundstück ### und seinen Bewohnern in den vergangenen Sommermonaten ausgehenden Immissionen einen Umfeldmangel der von den Klägern bewohnten Wohnung dar, der sie zur Mietminderung in Höhe von 8 % berechtigt.

Eine Berechtigung der Kläger zur Mietminderung für die in die Heizperiode fallenden Monate kann demgegenüber nicht festgestellt werden. Insoweit fehlt es nach den obigen Ausführungen an einer erheblichen Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der klägerischen Wohnung.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann eine Mietminderungsberechtigung der Kläger für den in der Zukunft liegenden und nicht in die Heizperiode fallenden Zeitraum ab April 2017. Dies ergibt sich daraus, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar ist, wie sich die Situation rund um die auf dem Grundstück ### befindliche Unterkunft in der Zukunft entwickelt. Aus der Beeinträchtigung der klägerischen Wohnung in den vergangenen Sommermonaten kann nicht gefolgert werden, dass sich dies im darauffolgenden Jahr in gleicher Weise wiederholt.”