Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Bestehen gegen die gesetzlichen Regelungen über die Mietpreisbremse in §§ 556d ff. BGB durchgreifende verfassungsrechtlichen Bedenken?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 199/17, Urteil vom 20.06.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. b) wie folgt aus: “Die gesetzlichen Regelungen über die Mietpreisbremse in §§ 556d ff. BGB begegnen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit die Beklagte das Regelungsmodell rundheraus als unverhältnismäßig abtut, übersieht sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches bereits im Jahre 1974 angedeutet hat, dass eine Preisgrenze für Neuvermietungen durchaus mit den Vermietergrundrechten aus Art. 14 GG vereinbar sein könne (vgl. BVerfGE 37, 132 ff.). Die Beklagte setzt sich weder mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Beschränkung von Mieterhöhungen auf die “ortsübliche Vergleichsmiete”, noch mit den weiteren Entscheidungen zur Einführung der Kappungsgrenze (vgl. BVerfGE 71, 230 ff.) oder zur Verwendung von Mietspiegeln (vgl. nur BVerfG, GE 1992, 609ff.) und den dort entwickelten Maßstäben für die in Art. 14 Abs. 2 GG festgeschriebene Gemeinwohlbindung des Eigentums auseinander. Zu den konkreten Rügen der Beklagten nimmt die Kammer wie folgt Stellung:

(1) Die den Erlass von Mietenbegrenzungsverordnungen regelnde Ermächtigungsgrundlage in § 556d Abs. 2 BGB ist entgegen der Ansicht der Beklagten hinreichend bestimmt, denn sie ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Verordnungsgeber die ihm eingeräumte Regelungsmacht auszuüben hat, wenn und soweit er nach der ihm obliegenden Prüfung an Hand der durch das Gesetz genannten Vorgaben einen angespannten Wohnungsmarkt und eine Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen feststellt (vgl. ZK 65, a.a.O., Rn. 16 ff. sowie Urt. v. 25.04.2018,- 65 S 238/17 -, unter II.1.b)(1), S. 6 ff. des Umdrucks, m.w.N.; a.A. LG Berlin – 67 S 218/17 -, Beschl. v. 07.12.2017).

(2) Das Argument der Beklagten, der Gesetzgeber habe die höchstzulässige Neuvermietungsmiete nicht von der “ortsüblichen Vergleichsmiete” nach § 558 Abs. 2 BGB ableiten dürfen, geht fehl. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die “ortsübliche Vergleichsmiete” keine “reine” Marktmiete, sondern insofern eine bereits regulierte Miete ist, als sie nicht nur an Hand von Neuvermietungsmieten eines Vierjahreszeitraums ermittelt wird, sondern auch Veränderungen von Bestandsmieten einfließen, die den Einschränkungen des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558ff. BGB unterliegen. Richtig ist auch, dass sich die “ortsübliche Vergleichsmiete” in Folge der Einführung der “Mietpreisbremse” weiter von einer “reinen” Marktmiete entfernen wird, da zukünftig auch ein großer Anteil der Neuvermietungsmieten nicht mehr frei ausgehandelt, sondern durch die Beschränkungen der §§ 556d ff. BGB beeinflusst sein werden. All dies ändert aber nichts daran, dass die “ortsübliche Vergleichsmiete” in der Vergangenheit maßgeblich durch Neuvermietungen der jeweils letzten vier Jahre und damit durch das unregulierte Marktgeschehen geprägt war. Auch in Zukunft wird das unregulierte Marktgeschehen jedenfalls durch nicht der “Mietpreisbremse” unterfallende “Erstvermietungen”, worunter nach § 556 f Satz 2 BGB auch Vermietungen umfassend modernisierte Wohnungen fallen, einen gewichtigen Einfluss auf die ortsübliche Miete behalten. Die von der Beklagten beschworene Gefahr, dass das System der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 BGB durch die Einführung der §§ 556d ff. BGB selbstreferentiell und vom Marktgeschehen abgekoppelt wird, besteht daher nicht, zumal die “Mietpreisbremse” nur für einen befristeten Zeitraum eingeführt worden ist.

(3) Zu Unrecht meint die Beklagte, dass die Verhinderung einer Gentrifizierung kein legitimer Gesetzeszweck sei; das Gegenteil ist richtig (so auch ZK 65, a.a.O., Rn. 36). Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang polemisierend von einer “Wohngarantie für In-Viertel” spricht, die der Gesetzgeber nicht gewähren könne und dürfe, verkennt sie das sämtlichen übergeordneten Schutzzwecken der “Mietpreisbremse” gemeine Anliegen des Gesetzgebers, den Anstieg der Mieten in angespannten Wohnungsmärkten vorübergehend zu dämpfen und abzubremsen, an dem sowohl Geeignetheit als auch Verhältnismäßigkeit der Regelungen zu messen ist (vgl. ZK 65, a.a.O., Rn. 39 ff., Rn. 43 ff.). Der Umstand, dass weiterhin unterschiedlich leistungsfähige Mieter um den selben Wohnungsbestand konkurrieren werden, rechtfertigt daher entgegen der Ansicht der Beklagten nicht den Schluss, die “Mietpreisbremse” sei ungeeignet, eine Teilhabe einkommensschwächerer Mieter am Wohnungsmarkt zu fördern.

(4) Soweit die Beklagte schließlich meint, die Wohnungsbauförderung oder die Gewährung ausreichenden Wohngeldes seien mildere und geeignetere Mittel, um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen, setzt sie ihr eigenes Ermessen an Stelle des weiten Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers. Eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ergibt sich daraus nicht, denn es bleibt allein dem Gesetzgeber vorbehalten, zwischen mehreren geeigneten Maßnahmen zu wählen.”