Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Genügt ein Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters den formalen Begründungsanforderungen, wenn bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete auf öffentlich geförderten Wohnraum verwiesen wird?

Die Antwort des Landgerichts Lübeck (LG Lübeck – 14 S 15/17, Urteil vom 14.06.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Lübeck in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Der Berufung der Klägerin ist in der Sache jedoch der Erfolg versagt. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu der streitgegenständlichen Mieterhöhung verneint.

Auf das streitgegenständliche Mietverhältnis findet hinsichtlich vermieterseitiger Mieterhöhungsverlangen grundsätzlich den §§ 558 ff. BGB Anwendung. Dies folgt bereits ohne weiteres aus dem originären Anwendungsbereich dieser Bestimmungen, welche nicht etwa auf nicht öffentlich geförderten Wohnraum beschränkt sind.

Nichts anderes folgt auch aus dem Gesetz über die Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein vom 25. April 2009 (GVOBl. 2009, 194, im Folgenden SHWoFG). Nach § 16 Abs. 7 SHWoFG gelten die §§ 558 bis 559 b BGB (wenn auch mit hier nicht weiter streitentscheidenden Einschränkungen) auch während einer laufenden Mietbindung – welche nach § 16 Abs. 4 SHWoFG bis zum 31. Dezember 2018 andauert. § 16 Abs. 7, 4 SHWoFG finden dabei auch Anwendung auf die hier streitgegenständliche Wohnung, da es sich um eine Mietwohnung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SHWoFG handelt, für die vor dem 1. Juli 2009 öffentliche Mittel im Sinne des § 6 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 bewilligt worden sind. Öffentliche Mittel im vorgenannten Sinne sind nach dem genannten Gesetz “Mittel des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die von ihnen zur Förderung des Baues von Wohnungen für die breiten Schichten des Volkes bestimmt sind (…)”. Dies ist hier der Fall, da die streitgegenständliche Wohnung weit vor dem Jahr 2009 mit öffentlichen Mitteln im vorgenannten Sinne gefördert wurde.

Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerseite wird den formalen Begründungsanforderungen des damit anwendbaren § 558a Abs. 1 und 2 Nr. 4 BGB nicht gerecht.

Zwar ist es nach der Gesetzeskonzeption an sich durchaus möglich, zur Begründung auf die Entgelte in mindestens drei Vergleichswohnungen zu verweisen.

Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, können dabei allerdings nach der Konzeption der §§ 558 ff. BGB nur Wohnungen des preisfreien Wohnungsmarktes in Bezug genommen werden. Dies folgt zwar nicht aus dem Wortlaut des § 558 a Abs. 2 Nr. 4 BGB, wohl aber aus Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses. Denn grundsätzlich soll die Begründung den Mieter in die Lage versetzen, jedenfalls ungefähr abschätzen zu können, ob die von ihm verlangte, erhöhte Miete noch der maximal zulässigen “ortsüblichen Vergleichsmiete” nach § 558 Abs. 1 BGB entspricht, oder diese aber überstiegt. Bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete hat öffentlich geförderter Wohnraum jedoch gemäß § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB außer Betracht zu bleiben. Entsprechend – soll die Angabe von Vergleichswohnungen ihren Sinn nicht verlieren – müssen derartige Wohnungen auch bei der Begründung nach § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB unberücksichtigt bleiben, da sie gerade keinen Rückschluss auf die gesetzlich vorgegebene Ermittlung der Vergleichsmiete zulassen (so auch Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage, § 558 a BGB, Rn. 127).

Etwas anderes gilt – entgegen der Berufung – auch nicht dann, wenn es sich bei der Wohnung, hinsichtlich der die Mieterhöhung geltend gemacht wird, selbst um öffentlich geförderten Wohnraum handelt. Denn auch in diesem Fall gilt nach der Konzeption der § 558 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 7 SHWoFG, dass Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete möglich sind, welche sich (insoweit wie oben) durch Ermittlung der Vergleichsmieten auf dem preisfreien Wohnungsmarkt bestimmt. Ist Referenzmaßstab aber auch in diesem Fall der preisfreie Wohnungsmarkt, so muss auch hier die Begründung nach § 558 a Abs. 2 Nr. 4 BGB eine Einschätzung des Preisgefüges auf eben diesem Segment des Wohnungsmarktes ermöglichen – und deswegen Vergleichswohnungen aus diesem Markt in Bezug nehmen (so auch AG Frankfurt (Oder), Urteil vom 11. April 2012, Az. 2.5 C 61/12, WuM 2012, 320 [321] vgl. auch LG Hannover, Urteil vom 20. Juni 1997, Az. 8 S 394/96WuM 2000, 360 [360]).

Dem kann die Klägerpartei auch nicht den in dem Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofes vom 26. April 2016 zum Aktenzeichen VIII ZR 54/15 enthaltenen Rechtsgedanken entgegenhalten.

Dort hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein Vermieter zulässigerweise sein auf ein Reihenendhaus bezogenes Mieterhöhungsverlangen durch Verweis auf einen Mietspiegel begründen kann, welcher ausdrücklich nicht auf Ein- bzw. Zweifamilien- und Reihenhäuser Anwendung finden sollte, sondern nur Mietpreise in Mehrfamilienhäusern abbildet. Nachvollziehbar hatte der Bundesgerichtshof dies damit begründet, dass dem Mieter auch durch diesen Verweis die ansatzweise Überprüfung der Zulässigkeit des Mieterhöhungsverlangens möglich sei, da die für Reihenendhäuser gezahlten Mieten erfahrungsgemäß immer über den Mieten für vergleichbare Wohnungen in Mehrfamilienhäusern lägen (BGH, a.a.O.), der Mieter mithin durch einen Erst-Recht-Schluss zu dem Ergebnis gelangen könne, dass eine von ihm verlangte Miete, die für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus nach dem Mietspiegel zulässig wäre, erst Recht für die von ihm gehaltene Wohnung in einem Reihenendhaus zulässig sein müsse.

Diese Gedankenführung lässt sich zur Überzeugung der Kammer nicht auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Denn der Bundesgerichtshof konnte in dem dortigen Fall als allgemein bekannt voraussetzen, dass Ein- oder Zweifamilienhäuser bzw. Reihenhäuser teurer sind als in demselben Gebiet liegende Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (“weil für derartige Wohnungen gezahlte Mieten erfahrungsgemäß über den Mieten liegen, die […]”, BGH, a.a.O.).

Ein derartiger, allgemein bekannter Erfahrungssatz kann im vorliegenden Fall – und zwar auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 4. Juni 2018 – nicht angenommen werden. Der ständig auch mit Mietsachen befassten Kammer ist jedenfalls kein allgemeiner Satz dahingehend bekannt, dass öffentlich geförderter Wohnraum nach allgemeiner Lebenserfahrung stets günstiger ist, als Wohnraum auf dem preisfreien Wohnungsmarkt. Vielmehr spricht etwa die Möglichkeit von Mieterhöhungen im Bereich des geförderten Wohnraumes (vgl. etwa § 16 Abs. 7 SHWoFG) für die nicht bloß theoretische Möglichkeit, dass auch geförderter Wohnraum Marktkräften unterliegt, die zu einer nicht einfach abschätzbaren [xxx]sentwicklung in diesem Marktsegment führen können. Auch existieren etwa in der Hansestadt Lübeck ebenso wie in Hamburg und im Hamburger Umland gerichtsbekannt größere Wohnungsgenossenschaften mit preisfreien Wohnungen, von denen eine nicht unerhebliche Zahl aufgrund der Preispolitik dieser Genossenschaften preisgünstiger sein mögen als selbst öffentlich geförderte Wohnungen anderer Anbieter. Übertrüge man die obige Entscheidung des Bundesgerichtshofes auf die hier vorliegende Konstellation, verlangte man entsprechend von dem Mieter, sich anhand nicht unaufwendiger Recherchen zunächst davon zu überzeugen, ob und ggf. unter welchen Umständen ein Erfahrungssatz bestehen könnte, nach dem Preise aus dem Bereich des öffentlich geförderten Wohnungsmarktes immer unter dem Preisniveau des preisfreien Wohnungsmarktes liegen, um sodann im Wege eines Erst-Recht-Schlusses eine ungefähre Überprüfung der geforderten Miete anhand der in Bezug genommenen Wohnungen aus dem geförderten Wohnungsmarkt vorzunehmen. Mit dem Gesetzeszweck, dem Mieter gerade ohne weitere eigene Anstrengungen eine ansatzweise Plausibilisierung des Mieterhöhungsverlangens zu ermöglichen, wäre dies unvereinbar.”