Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Kommt es zu einer konkludenten Nebenkostenvereinbarung mit dem Wohnraummieter bei jahrelanger Bezahlung einseitig eingeführter Nebenkostenpositionen (hier: Gebäudeversicherung)?

Die Antwort des Amtsgerichts Bremen (AG Bremen – 9 C 36/18, Urteil vom 16.08.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Bremen in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 167,32 Euro aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB i.V.m. § 535 BGB.

Die von der Beklagten für das Betriebsjahr 2016 eingezogenen, auf die Position “Gebäudeversicherung” entfallenden, 167,32 Euro wurden von dem Kläger ohne Rechtsgrund geleistet.

Eine ausdrückliche Vereinbarung, dass die Kosten einer Gebäudeversicherung durch den Kläger zu übernehmen seien, findet sich weder in dem ursprünglichen Mietvertrag, noch wurde sie später ausdrücklich, konkludent oder stillschweigend getroffen.

Im schriftlichen Mietvertrag vom 20.08.1976 sind die geschuldeten Nebenkosten unter § 3 II geregelt worden (Bl. 8 d.A.). Demnach ist nur die Position “Abschlagzahlung für Heizung und Warmwasser DM 30,29” geschuldet gewesen. Die Positionen a) bis d) sind nicht ausgefüllt worden und betreffen im Übrigen auch keine Versicherungskosten. An den Inhalt dieser Ursprungsvereinbarung sind die Rechtsnachfolgerinnen und also auch die Beklagte gemäß § 566 BGB gebunden.

Auch aus § 3 IV des Mietvertrags i.V.m. Ziffer 2 VII der AGB (Bl. 14 d.A.) ergibt sich nichts anderes: Diese Verweisung bezieht sich lediglich auf die unter § 3 II des Vertrags vereinbarten Abschlagszahlungen, namentlich Abschlagszahlungen für Heizung und Warmwasser. Eine Erweiterung der Nebenkostenpositionen wurde nicht vorbehalten. Lediglich der Verteilungsschlüssel soll geändert werden können und eine Anpassung an etwaige Kostenveränderungen vorbehalten bleiben. Damit sehen die Allgemeinen Bestimmungen nur vor, dass die Berechnung und Höhe der vertraglich geschuldeten Abschlagszahlungen, geändert werden können, nicht jedoch, dass (unbegrenzt) neue Positionen hinzukommen dürfen. Darüber hinaus führt die BVO lediglich diejenigen Positionen auf, die vom Vermieter auf den Mieter grundsätzlich umgelegt werden können; die BVO stellt für sich genommen jedoch keine Rechtsgrundlage für eine Umlage dar. Diese muss vielmehr vertraglich vereinbart werden. Eine Prüfung der Wirksamkeit des Inhalts der Klausel (§§ 305 ff. BGB) kann somit dahinstehen.

Eine Vereinbarung über die Umlage weiterer Nebenkostenpositionen ist auch nicht schon dadurch zustande gekommen, dass die Beklagte beziehungsweise deren Vorgängerin neue Nebenkostenpositionen in die Abrechnungen aufgenommen hat, zu deren Umlage der Mietvertrag sie – jedenfalls ursprünglich – nicht berechtigte, und der Kläger diese anstandslos bezahlt hat. Denn einer solchen Betriebskostenabrechnung, die neue Positionen aufweist, kann der Mieter nur unter besonderen Umständen ein Angebot des Vermieters entnehmen, eine vertragliche Änderung vornehmen zu wollen (vgl. BGH, Urt. v. 9.7.2014, VIII ZR 36/14 m.w.N.).

Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Eine ausdrückliche Ankündigung der Erweiterung der umlagefähigen Nebenkostenpositionen hat nach Beklagtenvortrag nicht stattgefunden. Die streitgegenständliche Position “Gebäudeversicherung” findet sich zum ersten Mal in der Anlage zu einer Abrechnung der Beklagten vom 18.06.2015 (Blatt 53) und später in der Abrechnung für das Betriebsjahr 2015 vom 24.10.2016 (Blatt 54). In einem Schreiben vom 18.02.2015, in dem auf Wunsch des Klägers die Nebenkosten aufgelistet wurden, werden neben den “Heizkosten” pauschal weitere “Nebenkosten” benannt, ohne dass auf die jeweils abgerechneten Positionen gesondert eingegangen wird (Anlage B7, Bl. 84 d.A.); diese Erklärung der Beklagten war gemäß § 133 BGB deshalb im Zweifel dahingehend auszulegen, dass mit den weiteren Nebenkosten nur die im schriftlichen Vertrag bezeichneten Kosten für “Warmwasser” gemeint waren. Jedenfalls unterblieb eine schriftliche Klarstellung der Geltendmachung von (schriftvertraglich nicht geschuldeten) Versicherungskosten.

Die neue Position Gebäudeversicherung wurde zudem nicht bereits mit der ersten Abrechnung durch die Beklagte als neue Vermieterin im Jahr 2013 benannt, woraus unter Umständen ein Änderungswille hätte ersichtlich werden können, sondern später. Vielmehr scheint die Beklagte die abgerechneten Positionen von der G… zunächst unverändert übernommen zu haben.

Hinzu kommt, dass die Beklagte die Nebenkosten auf Basis der ursprünglich erteilten Einzugsermächtigung vom Konto des Klägers schlicht abbuchte. Eine konkludente Vertragsänderung (Erweiterung der Zahlungspflicht des Beklagten um weitere Nebenkostenpositionen) wäre denkbar, wenn der Kläger, nach dezidierter Erklärung der Beklagten, dass nunmehr auch Versicherungskosten umgelegt würden, die abgerechneten Nebenkosten durch einen aktiven Akt ohne Vorbehalt überwiesen hätte. Schweigen, fehlender Widerspruch bzw. Nichthandeln, hat im Rechtsverkehr mit einem Verbraucher, als welcher der Kläger zu bewerten ist, jedoch grundsätzlich keinen Erklärungswert. Insofern war den Beweisangeboten der Beklagten nicht nachzugehen. Denn selbst wenn Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger erläutert hätten, dass in die Nebenkostenabrechnungen irgendwann (und anfänglich zumindest rechtswidrig!) u.a. die neue Position Gebäudeversicherung aufgenommen worden wäre, so hätte eine diesbezügliche Kenntnisnahme bzw. das Unterlassen eines sofortigen Widerrufs der erteilten Lastschrift, keinen Erklärungswert im Sinne einer fristgemäßen Annahme nach § 147BGB.

Aus diesem Grund scheitert ein Rückforderungsanspruch des Klägers auch nicht an § 814 BGB bzw. unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung (§ 242 BGB): Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger zu den Zeitpunkten der jeweiligen Abbuchungen Kenntnis davon hatte, dass abgebuchte Nebenkosten auch für Gebäudeversicherungsauslagen verwendet werden und diesbezüglich keine rechtliche Zahlungspflicht des Klägers bestand. Wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, mehrfach bei der Beklagten sowie bei deren Vorgängerin vorstellig geworden ist, um die Nebenkostenabrechnung zu rügen, ließe sich daraus vielmehr sein Unwille erkennen, den Vertrag zu seinen Lasten zu ändern; der Kläger hätte also konkludent seinen Widerspruch gegen nicht vertragsgemäße Abbuchungen zum Ausdruck gebracht. Dass der Kläger über die ursprünglich rechtswidrige, weil einseitige, Aufnahme neuer Abrechnungspositionen und sein Recht zum Widerspruch aufgeklärt worden wäre, trug die Beklagte im Übrigen nicht vor.

Es bleibt hervorzuheben, dass der Kläger lediglich auf die nachträgliche Abrechnung neuer Positionen nicht mit einem expliziten Widerspruch reagierte. Diese Abrechnungen wären jedoch bereits pflichtwidrig gewesen, weil die vorab eingezogenen Gelder vertragswidrig auf neue – bislang nicht konkludent genehmigte – Abrechnungspositionen umgelegt worden wären. Richtigerweise hätte die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin den Kläger vorab anschreiben und um Zustimmung zur künftigen Erweiterung der Nebenkostenumlagen bitten müssen; allenfalls dann hätte ein Schweigen des Klägers billigerweise ein Erklärungswert beigemessen werden können. Warum im Jahr des erstmaligen Anfalls der Versicherungskosten (1988) keine diesbezügliche Information an die Altmieter erfolgte, die Vermieterseite sich vielmehr erst sehr viel später entschloss, vorhandene Kosten auf Altmieter umzulegen, bleibt offen.

Der Kläger hat die Abrechnung für das Jahr 2016 mit Schreiben vom 3.11.2017 und damit unter Einhaltung der Frist des § 556 III 5 BGB gerügt.”