Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist ein Vermieter gehalten, bei nachträglicher Tilgung von Mietrückständen das Mietverhältnis mit dem Mieter trotz der bereits erklärten fristgemäßen Kündigung fortzusetzen?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 66/18, Beschluss vom 30.05.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin gemäß § 546 Abs. 1 BGB bejaht. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die fristgemäß erklärte Kündigung vom 11.10.2017 mit Wirkung zum 31.07.2018 beendet, §§ 573 Abs. 1 und 2 Nr.1, 573c Abs.1, 542 BGB.
Gemäß § 573 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter das Wohnungsmietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an dessen Beendigung hat, weil der Mieter seine Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Der Berufung lässt sich nicht entnehmen, dass der Beklagte die fehlende Leistungsfähigkeit für die Mietzahlungen ab August 2017 mangels Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu vertreten gehabt hätte. Die eingetretene finanzielle Notlage war nicht unverschuldet, sondern Folge seiner bewussten Entscheidung, selbstständig tätig sein zu wollen, deshalb der Forderung nach Aufnahme einer angebotenen Tätigkeit nicht nachzukommen und folglich die Leistungen des Jobcenters nicht mehr in Anspruch nehmen zu können, ohne für die Leistungsfähigkeit bezüglich der Miete künftig Sorge zu tragen. Insbesondere hat das Amtsgericht zutreffend berücksichtigt, dass der Beklagte bereits seit Juni 2017 wusste, dass die Kosten der Unterkunft vom Jobcenter nicht mehr übernommen würden, ohne sich darum zu bemühen, die benötigten finanzielle Mittel für die Wohnung zu erlangen. Er ist weder gegen den Aufhebungsbescheid für die Mietzahlungen vorgegangen noch hat er auf andere Weise versucht, seine Mietzahlungspflichten abzusichern. Die Pauschalzahlung im August genügte jedenfalls nicht.

Das nach der Kündigung erfolgte Angebot zur Tilgung der Schulden durch das Jobcenter genügte nicht, um die Pflichtverletzung des Beklagten als weniger schwerwiegend und auch eine Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB nicht mehr rechtfertigend bewerten zu können. Auf das Angebot erfolgte schon keine Übernahme der Forderungen. Auch die schließlich mit einem Darlehn durch den Vater erfolgte Ausgleichung der offenen Beträge genügte hier aus dem vom Amtsgericht zutreffend herangezogenen Erwägungen nicht. Allein die Tilgung der offenen Forderungen des Vermieters innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 BGB reicht für sich genommen nicht aus, um die Pflichtverletzung des Mieters in Form des Zahlungsverzugs als weniger schwerwiegend und eine fristgemäße Kündigung nicht mehr rechtfertigend zu bewerten. Das würde entgegen dem Ausnahmecharakter von § 569 Abs. 3 BGB, der allein die Heilung der fristlosen Kündigung regelt, dazu führen, dass regelmäßig auch die fristgemäße Kündigung geheilt würde. Das hat der Bundesgerichtshof jedoch aus von der Kammer geteilten Erwägungen in ständiger Rechtsprechung abgelehnt (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12 -, BGHZ 195, 64-73; Urteil vom 01. Juli 2015 – VIII ZR 278/13 -; Beschluss vom 20. Juli 2016 – VIII ZR 238/15).

Der Klägerin ist nicht vorzuhalten, dass sie eine Übernahme der Mietschulden durch das Jobcenter und die damit gemäß § 569 Abs. 3 BGB eintretende Heilung der fristlosen Kündigung dadurch hinderte, dass sie dem Jobcenter gegenüber nicht erklärte, das Mietverhältnis mit dem Beklagten fortsetzen zu wollen. Weder hatte die Klägerin als Vermieterin besondere Treuepflichten gegenüber dem Beklagten noch erweist sich ihr Festhalten an der Beendigung des Mietverhältnisses durch die fristgemäße Kündigung als mit den guten Sitten nach Treu und Glauben gemäß § 242BGB nicht vereinbar. Die Klägerin ist nicht gehalten, bei nachträglicher Tilgung von Mietrückständen das Mietverhältnis mit dem Beklagten trotz der bereits erklärten fristgemäßen Kündigung fortzusetzen. Insbesondere ist die Klägerin als Vermieterin Mietern, die wie der Beklagte ihre Mietzahlungspflicht mit Hilfe staatlicher Transferleistungen erfüllen, nicht weitergehend verpflichtet, als anderen Mietern. Das Berufungsgericht folgt der ausgewogenen Bewertung des Amtsgerichts anhand der vorliegenden Umstände des Einzelfalls.

Eine Räumungsfrist über den 31.07.2018 vermag das Berufungsgericht dem Beklagten mit der aufgeführten Begründung nicht einzuräumen. Nach dem Mietvertrag bewohnt der Beklagte die nur 58 m² große 2-Zimmer-Wohnung allein. Auch seinem Antrag auf die Einräumung einer Räumungsfrist lässt sich nicht entnehmen, dass die Tochter mit in der Wohnung wohnt. Damit wirkt sich aber die erforderliche Wohnungssuche weder auf die bevorstehende Einschulung der Tochter noch auf deren Wohnverhältnisse unmittelbar aus. Ohnehin erscheint es dem Wohl eines Kindes förderlicher, die Wohnungssuche und den Umzug außerhalb der Schulzeit, also in Ferien vorzunehmen.”