Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist bei einem Mieterhöhungsverlangen nach § 4 Nr. 4 der WoFlV eine Balkonfläche im Regelfall nur mit einem Viertel ihrer Fläche in Ansatz zu bringen?

Die Antwort des Amtsgerichts Hamburg (AG Hamburg – 49 C 213/18, Urteil vom 18.12.2019) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Hamburg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die Fläche der Wohnung tatsächlich nach der Wohnlagenverordnung mit 66,64 m² zu berechnen ist. Das Gericht stützt diese Überzeugung auf die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. vorgenommene Wohnflächenberechnung. Nach Maßgabe des Sachverständigengutachtens beträgt die Genauigkeit der gemessenen Raummaße +/- 0,005 Meter, die Genauigkeit der ermittelten Wohnfläche beträgt +/- 0,25 m². Von dem Sachverständigen wurden die Grundflächen der einzelnen Räume mit Ausnahme des Kellers ermittelt. Letzterer ist als Abstellraum außerhalb der Wohnung insoweit nicht zu berücksichtigen. Ebenso zutreffend ist der Balkon mit einem Viertel seiner Fläche, entsprechend 0,49 m² angesetzt worden.

Die Klägerin kann insoweit keine Anrechnung der Balkonfläche zur Hälfte anstatt nur zu einem Viertel geltend machen. Vorliegend ist für die Berechnung der Balkonfläche § 4 Nr. 4 der Wohnflächenverordnung, nicht § 44 Abs. 2 der II. Berechnungsverordnung maßgeblich. § 5 Satz 1 der Wohnflächenverordnung findet keine Anwendung.

Die Flächenberechnung unterscheidet sich insoweit im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete signifikant von der Flächenberechnung im Rahmen des Gewährleistungsrechtes zur Minderung der Miete nach § 536 BGB (vergleiche BGH NJW 2016, 239; OLG Hamburg NZM 2000, 654). Bei der Frage, ob ein Mangel der Wohnung bei Angabe einer Wohnfläche im Mietvertrag vorliegt, ist in der Tat bei frei finanziertem Wohnraum anhand der für den preisgebundenen Wohnraum im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses geltenden Bestimmungen festzulegen (vergleiche BGH WUM 2019, 319 m.w.N.). Dabei gab § 44 Abs. 2 der II. Berechnungsverordnung dem Vermieter die Wahl die Wohnfläche mit der Hälfte zu berücksichtigen. Insoweit wäre die Frage, ob es vorliegend einen Mangel der Wohnung in Form einer Wohnflächenabweichung gibt, in der Tat anhand der Berechnung der Wohnfläche zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses, zu bewerten, so dass der Balkon insoweit mit der Hälfte anzurechnen wäre.

Streitgegenständlich ist jedoch vorliegend die Abgabe einer Willenserklärung auf Zustimmung zur Mieterhöhung. Dabei bedient sich die Klägerin eines qualifizierten Mietenspiegels im Sinne von §558 d Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Im Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB kommt es nur auf die tatsächliche Wohnungsgröße an. § 558 BGB soll es dem Vermieter ermöglichen, eine angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Für den Vergleich ist deshalb allein der objektive Wohnwert der zur Mieterhöhung anstehenden Wohnung maßgeblich, während etwaige Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Wohnungsgröße im Mieterhöhungsverfahren keine Rolle spielen können, denn sonst würden nicht die tatsächlichen, sondern vertraglich fingierte Umstände berücksichtigt (BGH NZM 2016, 42 = NJW 2016, 239).

Wenn der Vermieter jedoch seinen Mietzins durch einen Vergleich mit einer ortsüblichen Vergleichsmiete des qualifizierten Mietenspiegels bestimmen kann, muss das Wohnwertmerkmal der Wohnungsgröße gemäß § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB daher einheitlich nach der Wohnflächenverordnung bestimmt werden (vergleiche etwa Schmitt-Futterer/ Börstinghaus, 14. Auflage, 2019, § 558, Rn. 58 ff.; Staudinger-Emmerich, BGB, 2018, § 558, Rn. 31 ff; Münchener Kommentar – Artz, 7. Auflage, 2016, § 558, Rn. 25; Heix WuM 2016, 263 ff.). Denn die ortsübliche Vergleichsmiete bestimmt sich durch eine repräsentative Erhebung der in § 558 Abs. 2 BGB abschließend aufgezählten Wohnwertmerkmalen, zu denen auch die Wohnungsgröße gehört. Damit sich der Vermieter auf die ortsübliche Vergleichsmiete berufen kann, muss er die Wohnfläche, die er seinem Mieterhöhungsverlangen zu Grunde legt, mit Hilfe der Wohnflächenverordnung bestimmen, da er ansonsten Flächen mit unterschiedlichen Bewertungskriterien vergleichen würde. Es kann entgegen der Auffassung der Klägerin im Hinblick auf die erforderliche objektive Vergleichbarkeit der Datenerfassung im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete für die tatsächliche Fläche bei einer Mieterhöhung keinen Unterschied machen, ob eine Wohnung Ende Dezember 2003 oder erst nach Inkrafttreten der Wohnflächenverordnung Anfang Januar 2004 angemietet worden ist.

Zudem orientiert sich der Mietminderungsanspruch anders als die §§ 557 ff. BGB aufgrund einer vertragswidrigen tatsächlichen Wohnfläche letztlich an der Erwartungshaltung der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Im Unterschied hierzu werden bei Mieterhöhung durch einen qualifizierten Mietenspiegel verschiedenste Mietsituationen berücksichtigt und es wird sodann eine einheitliche und generalisierende Betrachtung mittels objektivierter Kriterien vorgenommen.

Der Balkon der Beklagten ist zudem nach Maßgabe der Wohnflächenverordnung nicht zur Hälfte zu berücksichtigen, auch wenn § 4 Nr. 4 der Wohnflächenverordnung dies in Ausnahmefälle zulässt. Eine solche Ausnahmesituation ist vorliegend nicht gegeben.

Grund für die seinerzeitige Schaffung eines Wahlrechtes der II. Berechnungsverordnung war die Tatsache, dass es nach früherem Recht Förderungsarten gab, bei denen es im Hinblick auf die Förderungshöhe günstiger zu sein vermochte, den Balkon voll anzurechnen. In anderen Fällen war es wiederum günstiger, den Balkon gar nicht anzurechnen. Durch das Wahlrecht sollte insoweit dem Bauherrn insoweit ein Anreiz zum erwünschten Anbau von Balkonen gegeben werden (vergleiche Grundmann, 2003, 3745, 3748). Nach dem Wegfall dieser förderrechtlichen Besonderheiten fehlt dem bisherigen Wahlrecht seine Berechtigung, so dass mit der Neuregelung der Wohnflächenverordnung die Wohnflächenanrechnung klarstellend neu geregelt worden ist (vergleiche AG Hamburg, Urteil vom 14.08.2019 zum Aktenzeichen: 49 C 263/18). Dabei hat sich der Gesetzgeber nicht für eine zunächst erwogene einheitliche und ausnahmslose Anrechnung der Balkonflächen zu einem Viertel entschieden, weil er Akzeptanz- und Gleichbehandlungsprobleme in einzelnen Mietverhältnissen fürchtete, sofern bei einem Teil der Wohnungen die Balkone mit der Hälfte und mit einem anderen Teil nur zu einem Viertel berücksichtigt werden würden. Daher ist nach § 4 Nr. 4 der Wohnflächenverordnung eine Balkonfläche im Regelfall nur mit einem Viertel ihrer Fläche in Ansatz zu bringen (vergleiche LG Hamburg, BeckRS 2019, 1405; LG Berlin, BeckRS 2018, 2133). Der Regelanrechnung zu einem Viertel liegt zu Grunde, dass ein Balkon aufgrund seiner witterungsabhängigen Nutzbarkeit einen deutlich geringeren Wohnwert hat als beispielsweise ein Wintergarten oder ein Zimmer in der Wohnung. Ebenso wird berücksichtigt, dass der Wohnwert von Balkonen durchaus unterschiedlich zu sein vermag. Anhaltspunkte dafür, wonach im vorliegenden Fall von diesem Regelfall abzuweichen wäre, sind hier nicht ersichtlich. Ebenso wenig sind rechtliche Besonderheiten, wie etwaige Akzeptanz oder Gleichbehandlungsgesichtspunkte erkennbar. Schließlich weist der vorhandene Balkon im Vergleich zu normalen Balkonen keinen besonders hohen Wohnwert auf. Es handelt sich insoweit um einen in Norddeutschland belegenen Balkon im 3. Stockwerk mit lediglich knapp 2 m² Grundfläche. Insoweit ist er aufgrund der üblichen Witterungsbedingungen in dieser Region und seiner Größe naturgemäß nur eingeschränkt nutzbar (vergleiche AG Flensburg,BeckRS 2012, 1697; AG Hamburg, Urteil vom 14.08.2019 zum Aktenzeichen 49 C 263/18).

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Balkon südlich ausgerichtet ist, genügt dies nicht, um eine hälftige Anrechnung der Fläche zu begründen. Denn im Vergleich zu anderen Durchschnittsbalkonen handelt es sich insoweit keinesfalls um eine Ausnahmeerscheinung, sondern vielmehr um einen in Hamburg tausendfach verbreiteten Zustand. Eine zur Wohnwerterhöhend führende außergewöhnliche Aussicht oder eine aus anderen Gründen besonders gut gegebene Nutzbarkeit des Balkones ist insbesondere aufgrund der Ausrichtung zur Straßenseite vorliegend nicht ersichtlich.”