Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist eine Klausel in einem Heimvertrag, die ein einseitiges Entgelterhöhungsrecht des Heimträgers vorsieht, wirksam?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 112/19, Urteil vom 27.11.2019) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. – 2. wie folgt aus: „Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung weiterer Servicegebühren, soweit diese auf den unwirksamen (einseitigen) Erhöhungserklärungen der Beklagten beruhen, §§ 9 WBVG, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.

Unstreitig handelt es sich bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Wohn- und Betreuungsvertrag um einen Vertrag, der nach § 1 WBVG in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt.

a) Rechtsfehlerfrei und von der Beklagten unangegriffen hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Regelung in Teil III § 9 des Formularvertrages, wonach die Beklagte den in Teil III vereinbarten monatlichen Betrag für die von ihr vertraglich übernommenen Betreuungsleistungen einseitig nach billigem Ermessen anpassen darf, nach §§ 9, 16 WBVG unwirksam ist. Die Regelung weicht, soweit sie ein einseitiges Erhöhungsrecht des Betrages impliziert, zum Nachteil der Klägerin als Verbraucherin, §§ 13 BGB, 1 Abs. 1 WBVG, von § 9 WBVG ab, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat. Die Regelung ist daher insgesamt unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2016 – III ZR 279/15, WuM 2016, 439).

b) Zu Recht wendet die Klägerin sich gegen die Abweisung des von ihr mit der Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs, soweit er sich auf die – einseitig erklärten – Erhöhungsbeträge bezieht. Der Anspruch ist für die Zeit vor dem anwaltlichen Schreiben vom 17. Mai 2018, in dem sie die Zahlungen (erstmals) unter den Vorbehalt der Rückforderung stellte, nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen.

Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass zur Leistung nicht verpflichtet war.

Die Voraussetzungen, für die die Beklagte als Leistungsempfängerin die Darlegungs- und Beweislast trägt, liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst vor, wenn der Leistende nicht nur die Tatumstände kennt, aus denen sich ergibt, dass er nicht verpflichtet ist, sondern auch weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet (vgl. BGH, Beschluss vom 04.09.2018 – VIII ZR 100/18, WuM 2018, 712, mwN; Urt. v. 11.11.2008 – VIII ZR 26507; unklar: Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 274/02; vgl. auch: Kammer, LG Berlin, Urteil vom 28. März 2018 – 65 S 245/17, ZMR 2018, 763, Beschluss vom 04.04.2016 – 65 S 45/16, WuM 2016, 348; Urt. v. 30.07.204 – 65 S 12/14, MietRB 2014, 286). Der Leistende muss demnach aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben, wobei die Frage anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen und zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.09.2018, aaO, Rn. 17 f.; Kammer, Beschluss vom 04.04.2016, aaO).

Hier ist (von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten) weder vorgetragen noch sonst auch nur naheliegend, dass die Klägerin (Jahrgang 1939) in rechtlicher Hinsicht wenigstens in Erwägung zog, dass sie die von der Beklagten aufgrund der Erhöhungserklärungen verlangten Beträge wegen Unwirksamkeit der formularvertraglichen Regelung nicht schuldete. Das wird – ohne dass auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls verzichtet werden kann – aufgrund der Besonderheiten bei den in den Anwendungsbereich des WBVG fallenden Vertragsverhältnisse auch eher die Ausnahme sein.

Die Klägerin kann daher die Erhöhungsbeträge für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis 31.12.2016 in Höhe von monatlich 31,00 Euro, ab 01.01.2017 bis 31.12.2017 in Höhe weiterer 10,27 Euro (insgesamt monatlich 41,27 Euro) sowie ab 01.04.2018 in Höhe von monatlich 131,27 Euro zurückfordern, wobei die vom Amtsgericht wegen der Erklärung des Vorbehaltes bereits zugesprochenen 450,00 Euro für die Monate Juni bis Oktober 2018 in Abzug zu bringen sind.

c) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Selbst wenn zugunsten der Beklagten der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB für die Rückzahlungsansprüche aus 2015 mit dem Schluss des Jahres unterstellt wird, § 199 Abs. 1 BGB, so wurde dieser rechtzeitig durch Erhebung der Klage mit Eingang bei Gericht am 19.11.2018 gehemmt, §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO. Der Kostenvorschuss ist noch vor seiner gerichtlichen Anforderung mit Schreiben vom 20.12.2018 am 04.12.2018 bei Gericht eingegangen, so dass die Voraussetzungen für ihre Zustellung, § 12 Abs. 1 GKG, bereits 2018 vorlagen.

2. Der weitergehend geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der gesamten monatlichen Beträge für die von der Beklagten übernommenen und unstreitig ausgeführten Betreuungsleistungen besteht nicht. Unwirksam sind nach §§ 9, 16 WBVG die Erhöhungen; die Vereinbarung des monatlichen Betrages von 132,00 Euro im Wohn- und Betreuungsvertrag vom 16. Dezember 2011 ist wirksam. Die Vereinbarung entspricht den Regelungen des WBVG, insbesondere § 3 WBVG (vgl. Anlage 1 und 2 zum Vertrag vom 16. Dezember 2011). Die Beanstandungen der Klägerin betreffen im Übrigen die Erhöhungen, nicht die ursprüngliche Vereinbarung, die die Klägerin bei Abschluss des Vertrages prüfen konnte und musste.”