Archiv für den Monat: September 2021

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

Berliner Zeitung am 06.09.2021: Linke und Grüne wollen beim Kauf von 14.000 Wohnungen mitreden
Die Berliner Regierungspartner pochen darauf, über die Verhandlungen mit Deutsche Wohnen und Vonovia einbezogen zu werden.
Der vom Land Berlin geplante Ankauf von nunmehr 14.000 Wohnungen von der Deutsche Wohnen und der Vonovia sorgt für Zündstoff in der rot-rot-grünen Koalition. Einen Erwerb von Wohnimmobilien in dieser Größenordnung dürften der Senat und die Gremien der städtischen Gesellschaften nicht im Alleingang entscheiden, erklärten die Linken-Abgeordneten Steffen Zillich und Michail Nelken am Montag. „Wir erwarten, dass der Senat kurzfristig die zuständigen Ausschüsse des Abgeordnetenhauses mit dem geplanten Ankauf befasst“, so die Linken-Abgeordneten. Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger verlangte, bei einer Finanzentscheidung solcher Dimension „zumindest die Koalition mit einzubeziehen“.
Anlass: Am Freitag war durch den RBB bekannt geworden, dass die von der Senatsverwaltung für Finanzen geführten Verhandlungen über den Ankauf auf der Zielgeraden sind. Ursprünglich war von rund 20.000 Wohnungen die Rede, die Vonovia und Deutsche Wohnen verkaufen wollen. Dass es jetzt deutlich weniger werden, begründete der Sprecher der Finanzverwaltung Alexis Demos am Montag damit, dass die Wohnungsbaugesellschaften „zum Kaufpreis teils zusätzlichen Aufwand für künftige Investitionsmaßnahmen in die Bestände einplanen“ müssten. Im Klartext: Der bauliche Zustand ist offenbar so schlecht, dass viel Geld in die Wohnungen gesteckt werden muss.

Besonderer Mieterschutz soll auch für die Berlinovo gelten

Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Degewo und Howoge sollen die 14.000 Wohnungen zusammen mit der ebenfalls landeseigenen Berlinovo erwerben, die die Immobilien aus den Skandalfonds der früheren Bankgesellschaft verwaltet. Nach Angaben der Finanzverwaltung ist es nicht erforderlich, dass das Abgeordnetenhaus dem Deal zustimmt. Denn die Unternehmen würden den Ankauf „eigenständig durchführen und finanzieren“. Der Landeshaushalt werde damit nicht belastet. Dennoch werde der für Finanzen zuständige Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses in dieser Woche „vertraulich unterrichtet“, so Behördensprecher Alexis Demos.
Zugleich stellte Demos klar, dass der besondere Mieterschutz, auf den sich die landeseigenen Gesellschaften mit dem Senat in einer Kooperationsvereinbarung verständigt haben, für alle anzukaufenden Wohnungen gelten soll – auch für jene, die die Berlinovo übernimmt. Sie ist der Kooperationsvereinbarung bisher nicht beigetreten.
Die Verkaufsverhandlungen sollen in wenigen Tagen beendet sein. Mitte September werde mit einem notariellen Abschluss der Gespräche gerechnet, sagte Demos.

AMV im Lichte der Presse:

Berliner Kurier am 01.09.2021 – Wohngebiet Heerstraße-Nord: Im Viertel der kleinen Einkommen: 700 Mieter sollen mehr Miete zahlen

Im Gebiet Heerstraße-Nord in Staaken leben viele Menschen mit niedrigen Einkommen. Eine Mieterhöhung der Adler Group, der in Berlin fast 20.000 Wohnungen gehören, sorgt jetzt für Unruhe unter den Bewohnern. „Ganz schön happig“ sei die Mieterhöhung, sagt die 81-jährige Christa Degner aus dem Pillnitzer Weg. Von 476,77 Euro soll die Miete für ihre 59 Quadratmeter große Wohnung zum 1. November auf 515,10 Euro (warm) steigen – eine Erhöhung um 38,33 Euro monatlich. So hat es ihr die Adler Group im Mieterhöhungsschreiben mitgeteilt.

Das bedeute für sie, sagt Christa Degner, dass sie Abstriche bei der privat bezahlten Unterstützung im Haushalt machen müsse. So wie der 81-Jährigen geht es vielen anderen Mietern an der Heerstraße-Nord. „Die Mieter, die zu mir in die Beratung kommen, sind wegen der Mieterhöhungen völlig aufgelöst“, sagt Marcel Eupen, Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV), der in Staaken einmal in der Woche eine kostenlose Mieterberatung anbietet. „Bei vielen reicht das Geld schon jetzt gerade so, dass sie über die Runden kommen“, sagt Eupen. „Wenn sie jetzt – wie in einigen Fällen –  fast 40 Euro monatlich mehr für die Miete zahlen sollen, überfordert sie das endgültig finanziell.“

Wie viele Mieter mehr zahlen sollen, ist unklar. Die Linke, die die Rücknahme der Erhöhungen verlangt, spricht von zirka 700 betroffenen Wohnungen. Von der Adler Group war keine Stellungnahme zu erhalten. AMV-Chef Eupen rät den Mietern, die Mieterhöhungen rechtlich prüfen zu lassen und nicht voreilig zuzustimmen. „Die bisher vom AMV überprüften sieben Mieterhöhungsverlangen waren allesamt überhöht“, sagt er. Der AMV sei jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass bereits die momentan gezahlte Miete zu hoch sei, die Mieterhöhungsverlangen folglich unbegründet seien und die Mieter diesen nicht zustimmen müssen.

Falsche Obergrenzen genannt

Es scheine so, dass der zuständige Sachbearbeiter „weder die rechtlichen Rahmenbedingungen in Berlin noch die örtlichen Gegebenheiten“ kenne, so Eupen. Anders lasse sich nicht erklären, warum in den Mieterhöhungen von einer Kappungsgrenze von 20 Prozent die Rede sei, obwohl diese seit Jahren in Berlin nur 15 Prozent betrage. Das heißt, dass die Mieten in drei Jahren um maximal 15 Prozent steigen dürfen, nicht um 20 Prozent. Hintergrund: Berlin gilt als angespannter Wohnungsmarkt, wodurch die gesetzlichen Spielräume für Mieterhöhungen auf 15 Prozent begrenzt sind. Erhöht werden darf die Mieter aber nur, soweit die ortsübliche Miete nicht schon erreicht oder überschritten ist. Ebenfalls unverständlich ist für AMV-Chef Eupen, warum die Adler Group für die Siedlung von einem aufwändig gestaltetem Wohnumfeld ausgeht. „Das trifft nicht zu“, sagt Eupen.

Während die Mieter in Staaken in Sorge sind, wie sie künftig die Miete bezahlen sollen, veröffentlichte die Adler Group am Dienstag ihr Halbjahresergebnis. Danach steigerte der Konzern, der insgesamt knapp 70.000 Wohnungen in verschiedenen Städten besitzt, die Mieten auf vergleichbarer Fläche um 4,3 Prozent. In Berlin stiegen die Mieten dabei um vier Prozent. Der Gewinn aus dem operativen Geschäft belief sich in den ersten sechs Monaten auf 67,8 Millionen Euro. Nach der Aufhebung des Berliner Mietendeckels sieht Adler „ein durchschnittliches Wertaufholungspotenzial von etwa 20 Prozent auf die aktuellen Marktmieten im gesamten Wohnungsportfolio“, wie der Konzern mitteilte.

Sozialarbeiter rät zur Überprüfung der Erhöhung

„Taktisch unkluger“ hätte die Adler Group bei den Mieterhöhungen in Staaken nicht handeln können, sagt Mieterberater Eupen. Ihm sei „unbegreiflich, wie ein börsennotiertes Unternehmen mitten in der Pandemiezeit einen Monat vor dem Volksentscheid über die Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen eine Mieterhöhungskampagne in einer sozial benachteiligten Siedlung starten könne. Am 26. September, am Tag der Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus, können die Berliner über die Vergesellschaftung abstimmen.

Tom Liebelt, Sozialarbeiter im Stadtteilzentrum Staaken Treff Obstallee, sagt: „Ich hoffe, dass viele Mieter die Erhöhung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Nicht nur diejenigen, die die Miete selbst bezahlen, sondern auch alle anderen.“ Also jene Haushalte, bei denen die Miete durch das Jobcenter oder das Sozialamt bezahlt wird. Liebelt: „Denn falls die Mieterhöhungen nicht gerechtfertigt sind, sollten dafür keine Steuermittel ausgegeben werden.“

https://www.berliner-kurier.de/berlin/mieterhoehungen-im-viertel-der-kleinen-einkommen-li.180108

 

AMV im Lichte der Presse:

Berliner Morgenpost am 22.07.2021: Vermüllung – Anwohner wollen wieder eigene Hausmeister
Nur elf Personen kümmern sich um die rund 5400 Gewobag-Wohnungen in Spandau. Mieter wünschen sich eine Reintegration der Dienste.
Berlin. Petra Winter fühlt sich, als würde sie irgendwann im Schmutz umkommen. „Ich habe zwei Hunde, denen verbiete ich, sich im Fahrstuhl hinzusetzen“, erklärt die Mieterin aus der Großsiedlung Heerstraße Nord in Staaken, „die würden da nur mit ihrem Fell festkleben.“ Ständig sei etwas in der von der Gewobag betreuten Wohnsiedlung verschmutzt. Es ist ungepflegt und voller Ratten. Überall liege Müll und ist etwas kaputt, dauere es viel zu lange, bis endlich etwas getan werde und wirklich mal ein Zuständiger vorbeikommt, klagt Winter.
„Wir dürfen nicht einmal selbst ein Fahrstuhl-Unternehmen anrufen, so wie früher, das geht alles zentral über den Gewobag-Reparaturservice, der dann auch letztendlich und vor allem langwierig über den Auftrag entscheidet“, so Winter weiter. „Zuletzt war monatelang die Beleuchtung im Vorhaus kaputt. Bis sich mal jemand gekümmert hat, mussten wir abends oft im Stockdunklen versuchen, ins Haus zu kommen.“ Früher, da sei man einfach über die Straße zum Hauswart gegangen, habe sein Problem erläutert und schon am gleichen Tag Hilfe bekommen.

Gewobag übernahm 3400 Wohnungen von ADO

Früher, das war bevor das kommunale Wohnungsunternehmen Gewobag 2019 circa 3400 Wohnungen des ehemaligen luxemburgischen Immobilienkonzerns ADO (heute Adler Group) in Staaken übernahm, darunter auch Winters Einheit in der Obstallee. Seit dem wurde bei Reinigungsdienstleistungen massiv eingespart, so der Eindruck der Anwohner. Jetzt kümmere sich nur noch ein einziger Hauswart um den ganzen Straßenzug.
Rekommunalisierung wird in Spandaus Kiezen – wie etwa in der Siedlung An der Kappe – oft als Rettung vor privater „Heuschrecken-Mentalität“ herbeigesehnt. In der Heerstraße Nord scheint sie eher das Problem zu sein. Denn um ihre Strukturen schlanker und effizienter zu gestalten, lagerten die landeseigenen Wohnungsunternehmen Anfang der 2000er Hausmeisterdienste vielfach komplett an Fremdfirmen aus. Oder gründeten spezielle Tochterunternehmen und veräußerten diese dann wieder. Mit spürbaren Folgen.
„Der Gewobag ist ihr Wachstumskurs nicht bekommen“, sagt Marcel Eupen, erster Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds (AMV), „die Übernahme von der ADO zeigt leider, dass mit der Kommunalisierung nicht immer alles besser wird.“ So waren bei den Mieterinnen und Mietern der Großsiedlung Heerstraße Nord durchaus große Hoffnungen auf Besserungen mit dem Besitzerwechsel verbunden, die allerdings bitter enttäuscht wurden.
„Die Zustände bezüglich Sicherheit, Sauberkeit und Service haben sich seit 2019 nicht verbessert, sondern sehenden Auges erheblich verschlechtert“, betont Eupen. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit die Gewobag in der Großsiedlung Heerstraße Nord ihrem gesellschaftlichen Wohnraumversorgungsauftrag nachkommt“.

Reintegration der Hausmeister- und Reinigungsdienstleistungen gefordert

Ein erster, immens wichtiger Schritt hierzu sei schon die dringend notwendige Reintegration der Hausmeister- und Reinigungsdienstleistungen in die Gewobag. Immerhin gehören dem Unternehmen seit der Übernahme in Staaken mittlerweile rund 5400 Wohnungen. Für diese sind aber wiederum nur insgesamt elf extern angestellte Hausmeister zuständig.
„Das erklärt auch die vielen Beschwerden im Gebiet“, glaubt die Spandauer Linken-Abgeordnete Franziska Leschewitz. „Ich unterstütze daher die Forderungen nach einer Reintegration, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und damit auch die Qualität der Arbeit.“
Im Juni erst hatte ein Bündnis, dem auch der Mieterrat der Gewobag angehört, in einem offenen Brief unter anderem an Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke), Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) auf die Missstände hingewiesen. Knackpunkt ihrer Argumentation: die Gewobag verkaufte 2011 im Rahmen einer Umstrukturierung ihr Hausmeister-Tochterunternehmen Gewobag HS an die Firma fletwerk, ein gemeinsames Unternehmen der Firmen Gegenbauer, B&O sowie 3B.
Seit dem klagen die Beschäftigten dort über niedrige Löhne, Sozialleistungen und Arbeitschutzstandards – was sich unmittelbar auch auf die zunehmend negative Qualität der Arbeit auswirke, so das Schreiben. Oder wie Petra Winter es ausdrückt: „Viele der neuen Hausmeister sind frech und interessieren sich nicht für unsere Probleme.“ Das Bündnis fordert daher wieder Quartier- und objektbezogene Hausmeister, die einen festen Bestand haben und für die Mieter vor Ort auch echte Ansprechpartner sind.

Projektgruppe gegen die Vermüllung

Und wie reagiert die Gewobag auf diese Vorschläge? „Wir haben mit unseren Dienstleistern kompetente Partner an unserer Seite, mit denen wir im stetigen Austausch stehen, um die Prozesse zu optimieren“, so Gewobag-Sprecherin Monique Leistner zu den externen Hausmeistern, „allerdings sind die Hauswarte nicht die ersten Ansprechpartner für Mieter. Unsere Mieter können sich an das Service Center, an den Reparaturservice und den 24 h-Notdienst wenden.“
Mangelnde Ordnung und Sauberkeit würden zudem in vielen größeren Wohnsiedlungen den Berliner Alltag kennzeichnen. „Für die Lösung dieser Problematik ist die Gewobag auch auf die Unterstützung und den verantwortungsbewussten Umgang unserer Mieterinnen und Mieter angewiesen“,so Leistner, „wir arbeiten bei der Rattenproblematik außerdem in enger Abstimmung mit einem Schädlingsbekämpfer zusammen, der im Quartier in unserem Auftrag entsprechende Maßnahmen durchführt.“
Zudem habe die Gewobag eine Projektgruppe mit Mietervertretern eingerichtet, in der gemeinsam Maßnahmen für mehr Ordnung und Sauberkeit in den Quartieren erarbeitet werden.

Übernahme der ADO-Bestände ist große Herausforderung

In den Antworten auf zwei schriftliche Anfragen der Linken-Politikerin Leschewitz spricht an anderer Stelle Wohnungsbaustaatssekretärin Wenke Christoph (Linke) für das kommunale Unternehmen, über das die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Fachaufsicht führt. „Die Übernahme der ehemaligen ADO-Bestände war und ist eine große Herausforderung für die Gewobag“, so Christoph, „bei der sich die nachfolgenden Prozesse in der Kommunikation mit den Mietern verbessern werden.“
Zu einer Reintegration der Hausmeister äußerte sich die Gewobag jedoch nicht. In der Vergangenheit wurden ähnliche Anfragen zur Wiederinbetriebnahme eines Sicherheitsdienstes oft als nicht wirtschaftlich abgelehnt.
Für Leschewitz ist es derweil typisch, dass die Mieter vor Ort in der Müll-Problematik letztendlich selbst aktiv werden mussten. „Die Gewobag musste regelrecht zum Jagen getragen werden“, so die Politikerin, „dabei sollte sie die Herstellung der Sauberkeit, sowohl beim Müll, als auch bei der Ungezieferbekämpfung, zu ihrer Toppriorität im Quartier machen.“ Man drohe jedenfalls die durchaus vorhandene Euphorie über den kommunalen Rückkauf der Wohnungen in Staaken langfristig zu verspielen.

AMV im Lichte der Presse:

Berliner Morgenpost am 01.09.2021: Staakener Anwohner empört über Mieterhöhungen
Kritisiert wird die Adler Group vor allem für den Zeitpunkt der Mieterhöhungen. Aber es gibt auch aus anderen Gründen Unmut.
Eine gehobene Gegend sieht für Regina Lehmann anders aus. „Ich finde, man müsste uns eher Geld geben dafür, dass wir hier wohnen“, sagt die Mieterin einer Einheit im Cosmarweg in Staaken, „Hier in der Umgebung und am Haus ist schon lange nichts mehr gemacht worden, wenn man auf Missstände durch andere Anwohner hinweist, passiert auch nichts.“ So sei etwa die Eingangstür seit Ewigkeiten schon kaputt. Jeder könne einfach in das Wohngebäude rein und raus. „Manchmal fühle ich mich wie im Ghetto“, gibt Lehmann offen zu.
Der Grund für diese drastischen Worte: eine Mieterhöhung der 2020 zum Immobilienkonzern Adler Group fusionierten Firmen ADO, Adler und Consus zum 1. November. Diese fällt in unterschiedlicher Höhe an. Für Lehmann etwa sind es um die zwölf Euro. „Für eine dunkle, kalte und schlecht geschnittene Wohnung wie die meine zu viel“, findet sie.

Rund 700 Wohnungen in Staaken von Mieterhöhungen betroffen

Betroffen von den Erhöhungen sind rund 700 der 779 Wohneinheiten der Rudolf-Wissell-Siedlung im Quartier Heerstraße Nord an Loschwitzer-, Pillnitzer- und Cosmarweg. Die einhellige Begründung der Adler Group: Sanierungen und ein aufwendig gestaltetes Wohnumfeld. Dabei stammen die Wohnungsbestände aus dem Jahr 1972 und sind seit dem vielfach gar nicht modernisiert worden.
Inwiefern der Umstand eine Rolle spielt, dass die Adler Real Estate AG – wie zuletzt das „Handelsblatt“ berichtete – durch die Fusion fast eine halbe Milliarde Euro abschreiben musste, sei einmal dahin gestellt. Auf Anfragen der Berliner Morgenpost hierzu reagierte der Konzern nicht.
Die Empörung über den Schritt des Immobilienunternehmens ist jedenfalls groß. Vor allem der Zeitpunkt kurz vor den Wahlen am 26. September sorgt für Unverständnis. Für die Spandauer Linken bietet indes genau dieser Fakt politische Möglichkeiten, um ihr Wahlprogramm noch einmal deutlich zu untermauern.

Mieterhöhungen als Argumente für Mietendeckel und Enteignung

„Adler muss die Mieterhöhungsverlangen sofort zurücknehmen“, sagt etwa die Spandauer Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer (Linke), „gerade in Zeiten von Corona, wo viele Menschen in finanzielle Nöte geraten sind, sind Mieterhöhungen ein Skandal.“ Die unsanierten Wohnungsbestände würden zudem keine höheren Mieten rechtfertigen. „Das Beispiel zeigt: Wir brauchen jetzt einen bundesweiten Mietendeckel“, so Sommer.
Ähnlich drastisch formuliert es Marcel Eupen, erster Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds (AMV): „Taktisch unklüger hätte die Adler Group den Zeitpunkt für ihre Mieterhöhungen in einer sozial benachteiligten Siedlung nicht wählen können. Die Initiative ‘Deutsche Wohnen & Co enteignen’ wird es freuen. Bessere Werbung konnte die Adler Group für das Volksbegehren nicht betreiben.“

Adler Group auch an Lösungen interessiert

Doch nicht überall in Staaken fallen die Meinungen zu den Erhöhungen gleich aus. Die politische Instrumentalisierung stößt etwa Sigrid Brune von der Initiative Runder Tisch – Wohnen in der Großwohnsiedlung Heerstraße Nord übel auf. „Niemand freut sich über höhere Mieten, aber ich will keine DDR 2.0.“, sagt sie. Ab November muss auch Brune 20 Euro mehr zahlen. „Enteignungen sollten eine extreme Ausnahme bleiben“, so die Mieterin. Gleichwohl müsse die Politik Eigentümer mehr in die Pflicht nehmen, um für faire Mieten zu sorgen.
„Es gibt hier in der Tat viele Probleme im Kiez, aber man kann nicht sagen, dass die Adler Group nie etwas dagegen getan hätte“, erklärt Brune. So seien zuletzt erst in vielen Einheiten die Fahrstühle erneuert worden. Die Adler-Vertreter engagierten sich offen am Runden Tisch, um Missstände gemeinsam mit den Mietern zu beseitigen. Richtig sei aber, dass das Unternehmen seit der Übernahme vielfach mit alten Informationen arbeite und die Wohnungen im Einzelnen oft gar nicht kenne.

Mieterhöhungsverlangen in jedem Fall prüfen lassen

„Ich empfehle daher jedem, seine Mietererhöhung individuell prüfen zu lassen“, sagt Brune. Das unterstützt auch AMV-Chef Eupen, der selbst Mieterhöhungsverlangen kontrolliert: „Die bisher vom AMV überprüften sieben Mieterhöhungsverlangen waren allesamt überhöht.“ Der AMV sei dabei sogar jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass bereits die momentan gezahlte Miete zu hoch ist. Die Mieterhöhungsverlangen seien folglich unbegründet und die Mieterinnen und Mieter müssten nicht zustimmen, so Eupen weiter.
Auch der Linken-Fraktionsvorsitzender Lars Leschewitz ruft dazu auf: „Lassen Sie die Mieterhöhungsverlangen überprüfen! Wehren Sie sich! Oft sind die Mieterhöhungsverlangen fehlerhaft und können ganz oder teilweise abgewehrt werden.“ Möglich ist eine Überprüfung auch im Stadtteilzentrum Gemeinwesenverein Heerstraße Nord an der Obstallee 22.
https://www.morgenpost.de/bezirke/spandau/article233199295/Staakener-Anwohner-empoert-ueber-Mieterhoehungen.html

AMV im Lichte der Presse:

Berliner Zeitung am 01.09.2021 – Staaken: Mieterhöhungen im Viertel der kleinen Einkommen
Die Adler Group verlangt mehr Geld für Wohnungen im Gebiet an der Heerstraße-Nord. Die Bewohner stellt das vor finanzielle Probleme.
Im Gebiet Heerstraße-Nord in Staaken leben viele Menschen mit niedrigen Einkommen. Eine Mieterhöhung der Adler Group, der in Berlin fast 20.000 Wohnungen gehören, sorgt jetzt für Unruhe unter den Bewohnern. „Ganz schön happig“ sei die Mieterhöhung, sagt die 81-jährige Christa Degner aus dem Pillnitzer Weg. Von 476,77 Euro soll die Miete für ihre rund 59 Quadratmeter große Wohnung zum 1. November auf 515,10 Euro (warm) steigen – eine Erhöhung um 38,33 Euro monatlich. So hat es ihr die Adler Group mitgeteilt.
Das bedeute für sie, sagt Degner, dass sie Abstriche bei der privat bezahlten Unterstützung im Haushalt machen müsse. So wie der 81-Jährigen geht es vielen anderen Mietern an der Heerstraße-Nord. „Die Mieter, die zu mir in die Beratung kommen, sind wegen der Mieterhöhungen völlig aufgelöst“, berichtet Marcel Eupen, Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV), der in Staaken einmal pro Woche eine kostenlose Mieterberatung anbietet. „Bei vielen reicht das Geld schon jetzt gerade so, dass sie über die Runden kommen“, sagt Eupen. „Wenn sie jetzt – wie in einigen Fällen –  fast 40 Euro monatlich mehr für die Miete zahlen sollen, überfordert sie das endgültig finanziell.“