Kann einem schuldunfähigen Mieter fristlos gekündigt werden, wenn dieser unzumutbar und dauerhaft den Hausfrieden stört?
Die Antwort des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (AG Tempelhof-Kreuzberg – 25 C 293/13, Urteil vom 12.09.2014) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das AG Tempelhof-Kreuzberg in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. 2.) wie folgt aus: “Ein außerordentlicher Kündigungsgrund gemäß § 569 Abs. 2 BGB liegt vor. Bereits der über Monate andauernde, ständige Lärm tagsüber, aber auch in den Abend- und Nachtstunden, teilweise mit Klingeln bei den Nachbarn, stellt, auch im Falle eines schuldunfähigen Verursachers, eine unzumutbare und dauerhafte Störung des Hausfriedens dar, die zur fristlosen Kündigung berechtigt (vgl. AG Lichtenberg, Urt. v. 25.03.2014, Az.: 6 C 425/13; AG Spandau, Urt. v. 07.03.2014, Az.: 3 C 122/13; AG Wedding, Urt. v. 23.03.2013, Az.: 7 C 148/12).
Die Klägerin hat einzelne, konkrete Vorfälle vorgetragen und entsprechende Schreiben der Mieter (z. B. vom 10.10.2013, 11.10.2013, 13.10.2013) sowie ein Lärmprotokoll (Bl. 38 f. d. A.) dreier Mitmieter eingereicht. Alleine aus dem Lärmprotokoll geht hervor, dass es nahezu täglich in den späten Abendstunden zu erheblichen Lärmbelästigungen der Mitmieter gekommen war, zudem kam es – wie auch schon am 23.06.2014 – zweimal zu einem Polizeieinsatz. Besucher der Beklagten zu 1.) forderten, wie aus dem Mieterschreiben vom 10.10.2013 hervorgeht, eine Mieterin mit Messern in der Hand zum Einlass in das Haus auf. Die Beklagte zu 1.) konnte sich angesichts dieses Vortrags nicht auf ein pauschales Bestreiten der Vorfälle zurückziehen, sondern hätte zu den einzelnen Vorgängen konkret Stellung nehmen müssen. Hierauf wurde die Beklagte durch gerichtlichen Hinweis vom 22.08.2014 auch hingewiesen. Diese Tatsachen gelten mithin als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO. Aufgrund des unsubstantiierten Bestreitens hatte auch keine Beweisaufnahme zu durch Vernehmung der einzelnen Mieter als Zeugen zu erfolgen.
Die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ist der Klägerin nicht zumutbar. Für die Frage der Zumutbarkeit ist das Empfinden eines “verständigen Durchschnittsmenschen” maßgeblich. Wird der Hausfrieden durch das Verhalten eines psychisch kranken Mieters gestört, so sind die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Grundgesetzes gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Karlsruhe ZMR 2002, 418; BGH WuM 2005, 125; Schmitt-Futterer/Blank, 10. Auflage 2010, § 569 Rn. 23 m. w. Nw.). Insoweit ist aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip herzuleiten, dass im nachbarlichen Zusammenleben mit Behinderten oder Kranken ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft zu fordern ist, so dass zu prüfen ist, ob die Störungen eines Krankheits- oder behinderungsbedingt nicht zurechnungsfähigen Mitbewohners bei grundgesetzorientierter Wertung noch als hinnehmbar angesehen werden können. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Dabei hatte das Gericht zugunsten der Beklagten, neben ihrer psychischen und physischen Verfassung, auch zu berücksichtigen, dass diese offenbar andere mietvertragliche Pflichten, wie etwa die Pflicht zur Entrichtung der Miete, zuverlässig einhält. Auch gesteht ein Mieter im Schreiben vom 10.10.2013 (Bl. 40 d. A.) zu, dass die Störungen im Vergleich zu Mitte des Jahres zurückgegangen seien. Dem gegenüber hat das Gericht jedoch die hohe Anzahl von Lärmbelästigungen genauso zu berücksichtigen wie den Umstand, dass eine Grenze dort überschritten ist, wo höchstpersönliche Rechtsgüter der anderen Mieter (wie Gesundheit) nachhaltig verletzt werden (vgl. AG Lichtenberg, a. a. O.; Schmitt/Futterer/Blank a. a. O.). Das Gericht berücksichtigt hier, dass die häufige Störung der Nachtruhe ebenfalls den Umstand einer Gesundheitsbeeinträchtigung nach sich zieht. Die Art der Lärmbelästigung ist vorliegend auch deshalb besonders belastend, weil offenbar ernsthafte Sorgen um das leibliche Wohl der Beklagten zu 1.) oder anderer an den Streitigkeiten beteiligten Personen angebracht sind und ein bloßes Ignorieren auch deshalb unmöglich sein dürfte. Wo Gewalttaten in unmittelbarer Nähe vermutet werden, ist ein entspanntes Wohnen nicht zu erwarten. Zudem scheinen mildere Mittel, wie sie etwa die Betreuung eines Mieters darstellen kann, vorliegend ausgeschöpft zu sein. Denn auch die Intervention der Betreuerin brachte vorliegend keinen nachhaltigen Erfolg. Die vorgetragene Besserung betrifft außerdem den Zeitraum vor der hier maßgeblichen Abmahnung. Dass es hiernach zu einer Besserung des Verhaltens kam, ist nicht vorgetragen.”
