Dürfen die Sicherheitserwartungen eines Mieters so weit gehen, jederzeit einen trockenen Fußboden zu erwarten bzw. kann ein Mieter darauf vertrauen, dass der Boden nach jedem Wischvorgang sofort getrocknet oder eine nasse Fläche mit einem Warnschild versehen wird?
Die Antwort des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG Düsseldorf – 24 U 155/14, Beschluss vom 07.11.2014) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das OLG Düsseldorf in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. wie folgt aus: “Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – welcher der Senat folgt – ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3.Juni 2008 – VI ZR 223/07). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. BGH, Urteile vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04 – und vom 6. Februar 2007 – VI ZR 274/05 – aaO, jeweils m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 3.Juni 2008 – VI ZR 223/07, Rz. 9). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 3.Juni 2008 – VI ZR 223/07, Rz. 9 mwN).
Unter Heranziehung dieser Umstände ist eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten nicht ersichtlich. Weder lässt sich feststellen, dass die in ihrem Namen tätige Reinigungskraft, die Zeugin N. Pflichten verletzt hat, noch ist ersichtlich, dass die Beklagten selbst bei der Auswahl, Aufsicht oder Überwachung der Zeugin pflichtwidrig gehandelt haben. Insbesondere waren die Beklagten nicht gehalten, für die Aufstellung eines Schildes zu sorgen, welches während der Dauer der Reinigungsarbeiten auf mögliche Feuchtigkeit und eine Rutschgefahr des Bodens hinweist.
Die Sicherheitserwartungen eines Mieters dürfen nicht so weit gehen, jederzeit einen trockenen Fußboden zu erwarten. Sowohl durch Putzmaßnahmen, deren Durchführung einem Mieter regelmäßig bekannt ist und hier auch dem Kläger bekannt war, als durch andere Nutzer des Flurs kann es zu Feuchtigkeit auf dem Boden kommen. Dies ist z.B. ohne weiteres möglich, wenn bei Regenfällen das Schuhwerk anderer Nutzer nass ist oder abtropfende Regenschirme etc. Wasser auf dem Boden hinterlassen. Da weder eine planmäßige Befeuchtung des Bodens durch Reinigungsmaßnahmen noch eine unplanmäßige durch andere Nutzer vermeidbar ist, muss ein Mieter regelmäßig damit rechnen und sein Verhalten darauf einstellen, ohne dass er jeweils gesondert darauf hingewiesen werden muss. Auf etwaige Gefahrenquellen muss er achten, damit er sie gegebenenfalls visuell, auditiv und olfaktorisch wahrnehmen kann. Demgegenüber würden die Anforderungen an die Verkehrssicherung überspannt, wenn man verlangen würde, dass nach jedem Wischen entweder sofort getrocknet würde oder eine Fläche stets als nass zu kennzeichnen wäre. Denn die Verkehrssicherungspflicht endet dort, wo lediglich eine Gefahr vorhanden ist, die der Benutzer zumutbar bei eigener Vorsicht abwenden kann. Es fällt deshalb grundsätzlich bei derartigen Sachverhalten in den Verantwortungsbereich des Nutzers festzustellen, ob eine Fläche aufgrund einer Reinigung nass ist. Denn der in Frage kommende Publikumsverkehr muss mit der Reinigung eines Flures rechnen (vgl. hierzu auch LG Gießen, Urteil vom 20. 2. 2002 – 5 O 139/01, NJW-RR 2002, 1388).
Fälle, in denen die Rechtsprechung eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Gebäuden angenommen hat, weisen im Gegensatz zum vorliegenden Fall jeweils besondere Gefahren auf, mit denen gerade – unter besonderer Berücksichtigung des jeweiligen Verkehrs – nicht regelmäßig gerechnet werden kann. Dies gilt insbesondere für die als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anerkannte Linoleumglätte durch Bohnern. Ebenfalls wurde eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejaht bei Nichtentfernen einer Nassstelle auf einer Tanzfläche (OLG Oldenburg, Urteil vom 12. November 1997 – 2 U 202/97, MDR 1998, 223). Diesen anerkannten Fällen der Verkehrssicherungspflichtverletzung ist gemeinsam, dass der Geschädigte mit der jeweiligen Gefahr nicht zu rechnen brauchte, weil es sich um eine besondere Gefahr handelte. Der Verkehrssicherungspflicht ist dagegen genügt, wenn der Benutzer eines Gebäudes nicht solchen Gefahren ausgesetzt wird, denen er auch bei zumutbarer eigener Vorsicht nicht zuverlässig begegnen kann. Wie bereits dargelegt, ist eine derart außergewöhnliche Gefahr im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch bewiesen worden. Die gewöhnlich infolge Wischens entstehende Nässe stellt keine derartige unerwartete Gefahr dar, dass sie tunlichst zu vermeiden oder hiervor zu warnen wäre (vgl. hierzu auch LG Gießen, a.a.O.).”