Ist ein Mieterhöhungsbegehren nach § 558 BGB (Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete), das unmittelbar nach Durchführung zuvor abgeschlossener Modernisierungsmaßnahmen ausgesprochen wird, ohne die etwaig gegebene Möglichkeit zur gleichzeitigen oder späteren Erhöhung der Miete nach § 559 BGB a.F. (Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen) zu erwähnen oder sie sich ausdrücklich vorzubehalten, dergestallt auszulegen, dass die Vermieterin bereits mit diesem Mieterhöhungsbegehren sämtliche auch aus der Modernisierung herrührenden Rechte geltend machen und auf etwaige überschießende Rechte verzichten wollte?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 130/15, Urteil vom 16.07.2015) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Gemäß § 397 Abs. 1 BGB erlischt ein Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt. Die an einen Erlassvertrag zu stellenden Anforderungen sind streng (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14, ibr-online Rn. 19 m.w.N.), hier aber ausnahmsweise erfüllt:
Die Beklagte hat nach Durchführung unmittelbar zuvor abgeschlossener Modernisierungsmaßnahmen mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 die Erhöhung der Miete um 37,32 EUR gemäß § 558 BGB verlangt, ohne die etwaig gegebene Möglichkeit zur gleichzeitigen oder späteren Erhöhung der Miete nach § 559 BGB a.F. zu erwähnen oder sie sich ausdrücklich vorzubehalten. Unter Zugrundelegung der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB war das Schreiben vom 29. Oktober 2010 angesichts des zuvor vor dem Amtsgericht Mitte erfolgten streitigen Duldungsverfahrens und der unmittelbar zuvor abgeschlossenen Modernisierungsmaßnahmen so zu verstehen, dass die Beklagte bereits mit diesem Schreiben sämtliche auch aus der Modernisierung herrührenden Rechte geltend machen und auf etwaige überschießende Rechte verzichten wollte.
Dies folgt nicht nur daraus, dass die im Zustimmungsverlangen in Bezug genommenen Vergleichswohnungen sämtlich solche sind, die ebenfalls den durch die Modernisierung der streitgegenständlichen Wohnung geschaffenen Grundstandard aufweisen. Denn vor dem Hintergrund der zuvor erfolgten streitigen Auseinandersetzungen war aus dem Schreiben mangels gegenteiliger Ausführungen auch abzuleiten, dass die Beklagte beabsichtigte, das gesamte Mietverhältnis hinsichtlich sämtlicher aus den streitgegenständlichen Maßnahmen herrührender Ansprüche einer endgültig befriedenden Regelung unter Aufgabe etwaig überschießender eigener Ansprüche zuzuführen. Für eine konkludente vollständige Abgeltung im Wege des Teilverzichts ist es auch zu berücksichtigen, ob sich einer der Vertragspartner zu einer substantiellen Gegenleistung verpflichtet und die Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt (vgl. BGH, a.a.O. Tz. 20). Diese besonderen Begleitumstände waren hier erfüllt. Denn die Beklagte hat von der Klägerin mit dem Schreiben vom 29. Oktober 2010 auf Grundlage des – durch die zwischen den Parteien hinsichtlich Art und Umfang bis heute streitigen Modernisierungsmaßnahmen geschaffenen – neuen Ausstattungszustandes und der gegensätzlichen Rechtsauffassungen zur alternativen oder kumulativen Erhöhungsmöglichkeit nach den §§ 558 und 559 BGB die Zustimmung zu einer substantiellen Mieterhöhung verlangt; dem ist die Klägerin einschränkungslos nachgekommen.
Demnach konnte die Klägerin davon ausgehen, dass sich die Beklagte hinsichtlich der streitgegenständlichen Maßnahmen mit einer Erhöhung der Nettokaltmiete unter Zugrundelegung des durch die unmittelbar zuvor durch die Modernisierung geschaffenen Ausstattungsstandards “begnügen” würde (vgl. BGH, Urt. v. 25. September 1978 – VII ZR 281/77, NJW 1979, 720 Tz. 11). Die Beklagte muss deshalb ihr im Schreiben vom 29. Oktober 2010 zu Tage getretenes und über zehn Monate bis zum Schreiben vom 30. August 2011 unverändertes Verhalten nach Treu und Glauben als Verzicht auf den Ersatz weiterer Erhöhungsansprüche gegen sich gelten lassen. Dieser Auslegung entspricht auch ihr späteres Verhalten, das für die Auslegung ebenfalls heranzuziehen ist (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 133 Rz. 17 m.w.N.). Denn die Beklagte hat in Entsprechung zu dem nach den obigen Erwägungen auszulegenden Erklärungsgehalt ihres Schreibens vom 29. Oktober 2010 über einen längeren Zeitraum keine weiteren Ansprüche aus § 559 BGB geltend gemacht, obwohl ihr dies nach ihrer Rechtsauffassung bereits vor, spätestens aber zum Zeitpunkt des Schreibens vom 29. Oktober 2010 möglich gewesen wäre.
Den Verzicht der Beklagten hat die Klägerin durch schlüssiges Verhalten angenommen, indem sie dem geltend gemachten Erhöhungsbetrag zugestimmt und sich danach den Umständen nach damit einverstanden erklärt hat, dass die Klägerin eine über die damit erfolgte Erhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB hinausgehende Modernisierungsmieterhöhung nicht mehr verlangen würde (vgl. BGH, a.a.O Tz. 12).”