Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist eine Klage auf ein im Rechtsstreit nachgeholtes Mieterhöhungsverlangen zu vertagen, wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Zustimmungsfrist des Mieters noch läuft?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 63 T 62/15 Abl, Beschluss vom 28.05.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Zu Recht beanstandet der Kläger in diesem Zusammenhang die Ablehnung der Vertagung durch die abgelehnte Richterin im Hinblick auf das von ihm im Rechtsstreit nachgeholte Mieterhöhungsverlangen.

Zutreffend hat die abgelehnte Richterin beachtet, dass eine von der Partei nicht erkannte Unzulässigkeit eines Mieterhöhungsverlangens einen Umstand darstellt, auf den im Rahmen der Prozessleitung nach § 139 Abs. 3 ZPO hinzuweisen ist, und dem auch mit der gerichtlichen Verfügung vom 18. Februar 2015 Rechnung getragen. Soll diese Hinweispflicht aber nicht ins Leere gehen, muss der Kläger jedoch auch die Möglichkeit haben, diesen Mangel, wenn möglich, zu beheben. Eine solche Möglichkeit sieht indes gerade die Regelung in § 558 b Abs. 3 BGB vor. Bei dieser Sachlage wird das Ermessen sowohl bei der Anberaumung des Verhandlungstermins als auch bei der Frage, ob die Sache nach § 227 Abs. 1 ZPO zu vertagen ist, eingeschränkt.

Die Frage, ob bei einer nicht abgelaufenen Zustimmungsfrist die Klage als unzulässig abzuweisen oder zu vertagen ist, war auch Gegenstand der Erörterungen im Gesetzgebungsverfahren.

In der Stellungnahme des Bundesrats hat dieser die Regelung einer Vertagungspflicht angeregt (BT-Drs. 14/4553, S. 88):

“Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 558 b Abs. 3 BGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob ergänzend zu § 558 b Abs. 3 BGB-E prozessual eine Vertagungspflicht des Gerichts bis zum Ablauf der Zustimmungsfrist des Mieters nach § 558 b Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 BGB-E vorgesehen werden sollte.

Begründung

Ist der Klage des Vermieters nach § 558 b Abs. 2 BGB-E ein Erhöhungsverlangen vorausgegangen, das den Anforderungen des § 558a BGB-E nicht entspricht, kann es der Vermieter im Rechtsstreit nachholen oder die Mängel des Erhöhungsverlangens beheben (§ 558 b Abs. 3 Satz 1 BGB-E). Dem Mieter steht auch in diesem Fall die Zustimmungsfrist nach § 558 b Abs. 2 Satz 1 BGB-E zu (§ 558 b Abs. 3 Satz 2 BGB-E). Läuft zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Zustimmungsfrist des Mieters noch, kann eine Sachentscheidung regelmäßig nicht ergehen. Allerdings ist eine Klageabweisung durch Prozessurteil möglich. Das künftig ausdrücklich gesetzlich abgesicherte Recht des Vermieters auf Nachholung des Erhöhungsverlangens sollte deshalb auch prozessual begleitet werden, indem ergänzend eine Vertagungspflicht des Gerichts vorgesehen wird.”

Die Bundesregierung hat einer Vertagungspflicht ausdrücklich zugestimmt, eine Regelung im Rahmen der Mietrechtsvorschriften jedoch unter Hinweis auf die bestehende Gesetzeslage nicht für erforderlich gehalten (BT-Drs. 14/4553, S. 100):

“Zu Nummer 20 – Artikel 1 Nr. 3 (§ 558 b Abs. 3 BGB)

Die Bundesregierung teilt die der Anregung zugrunde liegende Auffassung, dass es aus Gründen der Prozessökonomie sinnvoll ist, dass die Gerichte vor einer Sachentscheidung abwarten, bis die Zustimmungsfrist nach § 55 8b Abs. 2 Satz 1 BGB-E, die bei Heilung von Mängeln des Mieterhöhungsverlangens während des Rechtsstreits (§ 558 b Abs. 3 Satz 1 BGB-E) neu beginnt, abgelaufen ist. Sie hält allerdings das bestehende prozessrechtliche Instrumentarium des § 227 ZPO für ausreichend. § 227 ZPO ermöglicht es den Gerichten schon jetzt, das Verfahren unter Berücksichtigung der laufenden Fristen entsprechend zeitlich zu gestalten und es bis zum Fristablauf zu vertagen. Der Bundesregierung sind in diesem Zusammenhang auch keine Probleme aus der Praxis bekannt.”

Grundsätzlich steht die Frage einer Vertagung gemäß § 227 Abs. 1 ZPO zwar im Ermessen des Gerichts. Das Gericht muss im Rahmen seiner Ermessensentscheidung aber beachten, dass die Regelung auch dazu dienen soll, den Parteien die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte durch ausreichenden Sachvortrag zu ermöglichen, und sich damit als Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt. Immer dann, wenn eine Partei einem Hinweis des Gerichts nur dadurch Genüge tun kann, dass sie hierzu Gelegenheit in einem neuen Verhandlungstermin erhält, ist zu vertagen. Ein erheblicher Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO liegt deshalb vor, wenn nach Hinweis auf eine formell unwirksame Mieterhöhungserklärung dieser Mangel durch Nachholung eines neuen Mieterhöhungsverlangens im Prozess behoben werden soll, aber die dem Mieter zustehende Zustimmungsfrist zurzeit des anberaumten Termin noch nicht abgelaufen ist (Paschke, Die Nachbesserung/Nachholung des Mieterhöhungsverlangens im Prozess NZM 2008, 705 [708]).

Indem die abgelehnte Richterin gleichwohl in Kenntnis des angekündigten und danach auch vom Kläger in den Rechtsstreit eingeführten weiteren Mieterhöhungsverlangens die Vertagung allein unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des ursprünglichen Antrags abgelehnt hat, hat sie die obigen Grundsätze nicht beachtet und damit den Anspruch des Klägers rechtliches Gehör verletzt. Zwar mag nicht jede Verletzung des rechtlichen Gehörs stets eine Befangenheit begründen. Im Falle der Ablehnung einer Vertagung bei einem nachgeholten Mieterhöhungsverlangen zur Wahrung der Zustimmungsfrist stellt sich die Ermessensausübung der abgelehnte Richterin aber auch aus der Sicht einer ruhig und besonnen denkenden Partei als einseitige Benachteiligung dar, indem ihr die Wahrnehmung der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit zur Nachbesserung des Mieterhöhungsverlangens im Prozess durch eine rechtswidrig zu enge Auslegung der Voraussetzungen einer Vertagung bewusst verweigert wird. Das rechtfertigt die Annahme, dass die abgelehnte Richterin nicht unvoreingenommen und neutral, sondern einseitig zu seinem Nachteil entscheidet.”