Hat der Vermieter die Kosten des Räumungsrechtsstreits vollständig zu tragen, wenn sein Mieter vor Zustellung der Räumungsklage von ihm eine verlängerte Räumungsfrist begehrt und anschließend in der Klageerwiderung den Räumungsanspruch sofort anerkannt hat?
Die Antwort des Landgerichts Aurich (LG Aurich – 1 T 275/16, Beschluss vom 21.10.2016) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das LG Aurich in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. bis 4. wie folgt aus: “Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Kosten des Rechtsstreits sind gem. § 93 b Abs. 3 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Die Voraussetzungen des § 93 b Abs. 3 ZPO sind erfüllt.
Die Beklagte hat den Räumungsanspruch in der schriftlichen Klageerwiderung sofort anerkannt.
Auch die übrigen Voraussetzungen des § 93b Abs. 3 ZPO sind erfüllt. Die Beklagten haben vor Erhebung der Klage unter Angabe von Gründen eine angemessene Räumungsfrist begehrt.
1. Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 baten die Beklagten um eine Räumungsfrist bis zum 31. August 2016. Dieses war vor Erhebung der Klage. Die Klageerhebung beurteilt sich nach § 253, 261ZPO (Baumbach u. a., ZPO, 73. Aufl. 2015, § 93b Rn. 41). Gem. § 253 ZPO erfolgt die Erhebung der Klage durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). Nicht maßgeblich ist hingegen die Rechtshängigkeit durch Einreichung der Klage gem. § 261 ZPO (Baumbach u. a., ZPO, 73. Aufl. 2015, § 94 Rn. 10). Die Zustellung an die Beklagten erfolgte erst am 29. Juni 2016.
2. Auch Gründe für die begehrte Räumungsfrist wurden dargelegt. Die Beklagten haben dargelegt, dass es ihnen mit ihren drei Kindern innerhalb der zugebilligten Räumungsfrist bis zum 25. Mai 2016, mithin weniger als zwei Wochen nach der Kündigung, nicht möglich war eine ihren persönlichen Verhältnissen und den persönlichen Bedürfnissen gerecht werdende Wohnung zu finden. Weiter sei es wichtig, dass die drei Kinder nicht abrupt aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld gerissen werden.
3. Die begehrte Räumungsfrist bis zum 31. August 2016 war in Ermangelung einer klägerseits dargelegten Dringlichkeit des Räumungsbegehrens auch angemessen. Die Beklagten zahlten die laufende Miete und kündigten die Zahlung der Miete bis zum Ende der Räumungsfrist an, sodass kein weiterer finanzieller Schaden für die Klägerin zu erwarten war.
4. Das Begehren der Beklagten auf Gewährung einer Räumungsfrist blieb erfolglos. Dabei kann die Ablehnung auch stillschweigend erfolgen durch Erhebung einer Räumungsklage (Baumbach u. a., ZPO, 73. Aufl. 2015, § 93b Rn. 44). Hier erfolgte nach dem per Fax übermittelten Schreiben vom 10. Juni 2016 am 16. Juni 2016 die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses. Dieses ist als stillschweigende Ablehnung einer Räumungsfrist zu werten.
Im Rahmen des auszuübenden Ermessens war zu berücksichtigen, dass ein Teil der Kosten des Rechtsstreits, nämlich Gerichtskosten und die Verfahrensgebühr der Klägerin bereits entstanden sind. Jedoch hätte die Klägerin hier die Möglichkeit gehabt mit einer Rücknahme der Klage vor Zustellung die Verfahrenskosten den Beklagten gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO auferlegen zu lassen. Da sie diese Möglichkeit nicht genutzt hat, sind ihr auch insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Kostenfolge im Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 91 ZPO.
Das Beschwerdeverfahren war nicht auf die Kammer zu übertragen, da die Voraussetzungen des § 568 S. 2 ZPO nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung liegt nämlich nur vor, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 543 Rn. 11). Mit Ausnahme der zitierten Fundstelle liegen keine weiteren Auffassungen zu der Frage der Geltung von § 93b Abs. 3 ZPO zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit vor. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht gegeben sind.”