Aus der Rubrik “Wissenswertes”: 

Ist die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 07.05.2013 verfassungsgemäß?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 217/14, Urteil vom 04.11.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. a) bis c) in den Randnummern 19 bis 24 wie folgt aus: ”

19 Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass im Streitfall die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen wirksam gemäß § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB auf 15 % herabgesetzt ist. Die von der Revision gegen die Wirksamkeit der am 19. Mai 2013 in Kraft getretenen Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 7. Mai 2013 (GVBl. S. 128) vorgebrachten Einwendungen sind unbegründet. Zwar hat das Berufungsgericht mit dem von ihm angelegten, nur auf die Überprüfung von Prognosefehlern ausgerichteten Bewertungsmaßstab die gerichtliche Prüfungsbefugnis zu eng gezogen. Jedoch wirkt sich dies auf das Ergebnis nicht aus, denn auch bei zutreffender Betrachtung bewegen sich die gesetzliche Regelung des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB und die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin innerhalb der vom Grundgesetz eröffneten Spielräume und hat der Verordnungsgeber den ihm von der Ermächtigungsgrundlage in mehrfacher Hinsicht zugestandenen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.
20 1. Die Revision geht mit dem Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass den Zivilgerichten im Rahmen eines Rechtsstreits über ein Mieterhöhungsverlangen die Verpflichtung obliegt, die Vereinbarkeit einer einschlägigen Kappungsgrenzen-Verordnung mit höherrangigem Recht zu prüfen, und ihnen im Falle einer Unwirksamkeit der Rechtsverordnung auch eine Verwerfungskompetenz (BVerfG, NVwZ 2006, 922, 923 f.; BVerfGK 16, 418, 442) zukommt.
21 a) Gerichte können und müssen die für ihre Entscheidung in Betracht kommenden Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und landesrechtliche Vorschriften auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht hin prüfen (BVerfGE 1, 184, 197; BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 – VI ZR 199/68, BGHZ 54, 76, 81 f.). Das allgemeine richterliche Prüfungsrecht ist allerdings bei (nachkonstitutionellen) förmlichen Gesetzen im Hinblick auf das in diesen Fällen bestehende Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts (Art. 100 Abs. 1 GG) auf eine inzidente Bejahung der Verfassungsmäßigkeit beschränkt (BVerfGE 1, 184, 198;48, 40, 45; BVerfG, NVwZ 2015, 510, 514). Im Fall der Verneinung der Verfassungsmäßigkeit eines förmlichen Gesetzes reduziert sich die Prüfungskompetenz der Fachgerichte auf ein bloßes Vorprüfungsrecht (BVerfGE 1, 184, 198).
22 b) Diese Einschränkungen gelten jedoch nicht für Normen im Rang unter dem förmlichen Gesetz. Deren verfassungsrechtliche Nachprüfung obliegt vielmehr in Fällen ihrer Entscheidungserheblichkeit nach ständiger Rechtsprechung (uneingeschränkt) jedem Richter (BVerfGE 48, 40, 45), dem insoweit auch eine Verwerfungskompetenz zukommt (BVerfG, NVwZ 2006, 922, 923 f.; BVerfGK 16, 418, 442). Er hat also die Befugnis, die Ungültigkeit einer untergesetzlichen Norm, insbesondere einer Rechtsverordnung, festzustellen und sie bei seiner Entscheidung unbeachtet zu lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 18, 52, 59; 68, 319, 325 f.; BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 Rn. 93).
23 c) An der uneingeschränkten Verpflichtung und Befugnis jedes Richters, eine für seine Entscheidung erhebliche Rechtsverordnung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, hat sich auch durch die Einführung eines verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens (§ 47 VwGO) nichts geändert. Denn dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem kann nicht entnommen werden, dass hierdurch die Möglichkeiten des subjektiven Rechtschutzes beschnitten werden sollten (BVerwGE 111, 276, 278; 136, 54, 57). Dies übersehen jene Stimmen in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum, die die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung auch dann, wenn diese Frage für die Beurteilung eines zivilrechtlichen Anspruchs erheblich ist, als (ausschließliche) Aufgabe der Verwaltungsgerichte begreifen (AG Wedding, GE 2014, 593; AG Neukölln, GE 2014, 1145, 1146; SchmidtFutterer/Börstinghaus, Mietrecht, 11. Aufl., § 558 BGB Rn. 182c [aA nun dem Berufungsgericht folgend die 12. Aufl., § 558 BGB Rn. 182d1]; SchmidtFutterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl., § 577a Rn. 22; Schmidt/Harz/Riecke, Fachanwaltskommentar Mietrecht, 4. Aufl., §577a BGB Rn. 21 f.; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 577a BGB Rn. 18; Beuermann, GE 2008, 1533, 1534).
24 Dass für diese Sichtweise kein Raum ist, hat nun auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt, indem es unter Bezugnahme auf das – den Gegenstand des hiesigen Revisionsverfahrens bildende – Urteil des Berufungsgerichts ausgesprochen hat, dass die Zivilgerichte, sofern die Entscheidung des jeweiligen Zivilrechtsstreits davon abhängt, auch zu prüfen haben, ob eine Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB (“Mietpreisbremse”) oder nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB (Kappungsgrenzen-Verordnung) den Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung genügt und auch im Übrigen mit höherrangigem Recht in Einklang steht (vgl. BVerfG, WuM 2015, 475, 476).”