Handelt es sich um eine unzulässige Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wenn sich der gewerbliche Vermieter einer Villa für Hochzeitsfeiern weigert, diese samt Hochzeitszimmer an ein gleichgeschlechtliches Paar zu vermieten?
Die Antwort des Landgerichts Köln (LG Köln – 10 S 137/14, Urteil vom 13.11.2015) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das LG Köln in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Das Amtsgericht hat jedoch mit zutreffenden Ausführungen einen Entschädigungsanspruch der Kläger nach § 21 Abs. 2 S. 1 und S. 3 AGG angenommen.
Ein Vertrag ist vorliegend zwischen den Parteien entgegen der Ansicht der Kläger noch nicht zustande gekommen, vielmehr handelt es sich lediglich um die Anbahnung eines Schuldverhältnisses. Der Beklagte hat den 30.08.2014 für die Hochzeit der Kläger “optioniert”, d.h. im Ergebnis reserviert. Konkrete Vertragsverhandlungen haben darüber hinaus noch nicht stattgefunden, zumindest hatte keine der Parteien ein bindendes Angebot abgegeben. Auch haben die Kläger noch nicht einmal persönlich die Örtlichkeiten ihrer geplanten Hochzeit in Augenschein genommen.
Das Amtsgericht hat zu Recht den sachlicher Anwendungsbereich des AGG entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG als eröffnet angesehen.
Eine Benachteiligung aus dem in § 1 AGG genannten Grund “sexuelle Identität” ist nach Maßgabe des Gesetztes u.a. unzulässig im Bezug auf den Zugang zu Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Der angestrebte Vertragsinhalt hatte Dienstleistungen zum Gegenstand, nämlich vorwiegend die gewerbliche Vermietung der Räumlichkeiten in der auf die individuellen Erfordernisse der Kläger abgestimmten Form, also mit entsprechender Bestuhlung, der passenden Anzahl von Tischen etc.
Die Dienstleistung stand auch “der Öffentlichkeit zur Verfügung.” Die Offerte des Beklagten, ein Angebot zu tätigen, richtet sich nicht an eine in sich geschlossene Gruppe von Privatpersonen, sondern aufgrund der Internetpräsenz des Angebots zur Anmietung der Villa an eine Vielzahl von Personen, die dem Beklagten zunächst unbekannt sind. Die Aufforderung, ein Angebot zu tätigen, erfolgt hier im Wege elektronischer Medien, wodurch die Dienstleistungen der “Öffentlichkeit” i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG eröffnet sind (vgl. Stein, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 2 Rn. 26, ebenso BT-Drucks. 16/1780, S. 32). Zudem steht die Offerte hier der Öffentlichkeit auch deswegen zur Verfügung, weil der Beklagte gewerbsmäßig handelt und die Dienstleistungen mehrfach erbringen will und kann.
Auch die Kriterien der §§ 19 bis 21 AGG sind erfüllt.
Gemäß dem vorliegend maßgeblichen § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist bei Anbahnung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses eine Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität unzulässig, wenn das Schuldverhältnis typischerweise ohne Ansehung der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt (sog. Massengeschäft) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen.
Im vom Beklagten verfolgten Geschäftsmodell kommt der Ansehung der Person jedenfalls eine nachrangige Bedeutung zu.
Das Merkmal “ohne Ansehung der Person” liegt vor, wenn der Anbietende regelmäßig im Rahmen seiner Kapazitäten mit jedem zahlungsfähigen und -bereiten Interessenten kontrahiert und dies zu den jeweils gleichen Bedingungen auch tut. Maßgeblich ist hier eine allgemeine und typisierende Betrachtungsweise, etwa die Geschäftsgattung, die Art und Weise des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts, seine Durchführung und Beendigung (vgl. Wendeling-Schröder, a.a.O., AGG, § 19 Rn. 11). “Mit” Ansehung der Person erfolgen Vertragsabschlüsse, wenn es typischer- und vernünftigerweise auf besondere Eigenschaften des Vertragspartners ankommt. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa die Bonitätsprüfung bei Abschluss eines Kreditvertrags (vgl. Bittner, in: Rust/Falke, AGG, § 19 Rn. 15 sowie Palandt, AGG, 4. Aufl. 2015, § 19 Rn. 2).
Vorliegend kontaktiert ein Interessent den Beklagten telefonisch oder per Mail, nachdem er beispielsweise über die Internetpräsenz des Beklagten Kenntnis von dessen Offerte erhalten hat. Der Beklagte teilt dem Interessenten per Mail oder am Telefon die Bedingungen bzw. noch freien Termine zur Anmietung der Villa mit, so wie es auch zwischen den Parteien geschehen ist. Besteht weiterhin Interesse des Interessenten, so wird ein Ortstermin vereinbart, im Rahmen dessen dann jeweils die Details der Anmietung, etwa der Umfang der zu mietenden Räumlichkeiten, Bestuhlung etc. besprochen werden.
Die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2015 vorgetragene spezielle Vorgehensweise, die Vermietung der Villa davon abhängig zu machen, dass ihm der potentielle Kunde im Rahmen der Vertragsverhandlungen sympathisch sei, verfängt nicht. Bei dem genannten Auswahlkriterium “Sympathie” handelt es sich nicht um ein vernünftiges und für derartige Vertragsschlüsse typisches Auswahlkriterium. Denn die Vermietung der Räumlichkeiten der Villa zur Ausrichtung einer Veranstaltung oder Festlichkeit genügt auch dann dem vom Beklagten praktizierten Geschäftsmodell, wenn der Kunde dem Beklagten nicht sympathisch ist. Der Vertrag kann von beiden Seiten ohne Einschränkungen erfüllt werden, zumal die vertragsgemäße Leistungspflicht des Kunden lediglich aus der Bezahlung der Dienstleistungen besteht. Jedenfalls objektiv kommt der Ansehung der Person nach der Art des vorliegenden Schuldverhältnisses, hier also der gewerblichen Vermietung eines privaten Wohnhauses zur Ausrichtung von Veranstaltungen wie beispielsweise Hochzeiten, Familienfeiern oder Pressekonferenzen, allenfalls eine nachrangige Bedeutung zu. Es liegt nicht in der einseitigen Entscheidungsgewalt des Beklagten, durch die Festlegung auf – objektiv betrachtet – willkürliche Auswahlkriterien hinsichtlich seiner Vertragspartner den Anwendungsbereich des AGG zu eröffnen oder nicht. Anderenfalls könnte jeder Anbieter von Dienstleistungen, für den der Anwendungsbereich des AGG nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG grundsätzlich eröffnet ist, diesen durch die Behauptung subjektiver Auswahlkriterien einseitig wieder ausschließen. Der Ausschluss des Anwendungsbereiches des AGG muss sich jedoch alleine nach der objektiv feststellbaren Art des Schuldverhältnisses bestimmen lassen.
Hieran ändert auch der Umstand, dass der Beklagte sein privates Wohnhaus vermietet, nichts. Der Beklagte hat sich zur gewerblichen Vermietung der sonst zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa entschieden. Aufgrund des gewählten Geschäftsmodells finden die für gewerblich angebotene Dienstleistungen geltenden Rechtsbestimmungen auch im Bezug auf den Beklagten Anwendung, folglich auch das Benachteiligungsverbot.
Auch liegt eine Vielzahl an Schuldverhältnissen zu vergleichbaren Bedingungen i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG vor. Ob es sich um eine Vielzahl von Fällen handelt oder nicht, ist objektiv mit Blick auf den Anbieter, nicht jedoch aus der Perspektive des Kunden zu beurteilen (vgl. Wendeling-Schröder, a.a.O., § 19 Rn. 12). Eine Orientierung an starren Zahlen verbietet sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Arten von Schuldverhältnissen, auf die die Norm Anwendung findet. Maßgeblich sind alleine die Umstände des Einzelfalls (so auch Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl. 2011, § 19 Rn. 7 sowie Wendeling-Schröder, a.a.O., § 19 Rn. 12).
Unstreitig finden jährlich mindestens acht Veranstaltungen in der Villa statt, wobei der Beklagte selbst bekundet, das Geschäftsmodell bereits seit dem Jahr 2009 oder 2010 anzubieten. Auch aktuell bietet er die Villa zu diesen Zwecken zur Anmietung an. Bei einer zumindest achtmaligen Vermietung der Villa pro Jahr über jedenfalls fünf Jahre hinweg gelangt man zu 40 Vermietungen, so dass gerade im Hinblick darauf, dass der Beklagte lediglich dieses eine Objekt gewerblich zur Anmietung anbietet, in diesem speziellen Einzelfall eine “Vielzahl von Fällen” im Sinne der Norm gegeben ist.
Die Kammer hält diesbezüglich die vom Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 09.03.2012 – V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 – 1727) für nicht einschlägig. Zum einen lässt die Entscheidung gerade offen, ob der dort relevante Vertrag über den Aufenthalt in einem Wellnesshotel überhaupt unter den Tatbestand des §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG zu subsumieren ist. Zum andern werden die in der Entscheidung angedeuteten Zweifel bzgl. der Anwendbarkeit der Norm an dem Tatbestandsmerkmal “ohne Ansehen der Person” festgemacht, da etwa bei sehr kleinen Hotels, bei denen die Hotelzimmer und der Wohnbereich des Hoteliers nahe aneinander liegen, die Ansehung der Person durchaus von Bedeutung sein kann. Wie ausgeführt, liegt der Fall hier jedoch anders. Der Beklagte vermietet Räumlichkeiten seiner ansonsten zu Wohnzwecken genutzten Villa für die Ausrichtung von Veranstaltungen und Festlichkeiten. Die Kunden sowie deren Gäste nutzen die angemieteten Räumlichkeiten während ihrer Anwesenheit in der Villa entsprechend dem geschlossenen Vertrag zur Ausrichtung der Veranstaltung oder Festlichkeit. Anders als bei dem beschriebenen kleinen Hotelbetrieben besteht somit kein besonderes Näheverhältnis der Vertragsparteien aufgrund der räumlich eng beieinander liegenden Wohnbereiche, denn die Kunden des Beklagten nutzen die angemieteten Räumlichkeiten gerade nicht zu Wohnzwecken.
Auch liegen “vergleichbare Bedingungen” der Schuldverhältnisse vor. Die Räumlichkeiten werden vom Beklagten stets den Bedürfnissen des Kunden angepasst. Insbesondere werden je nach Anzahl der Gäste stets die gleichen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, es wird die entsprechende Bestuhlung oder Anzahl an Tischen bereitet und die Küche hergerichtet, je nachdem, ob ein Caterer oder ein Buffet vom Kunden (extern) angemietet oder bestellt wird. Diese individuellen Anpassungen werden stets in gleicher Weise angeboten und erbracht. Die jeweiligen Kosten für die Kunden sind auch – den jeweiligen Absprachen entsprechend – stets gleich.
Der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist vorliegend auch nicht gemäß § 19 Abs. 5 AGG ausgeschlossen. Es wird im Rahmen der hier maßgeblichen Schuldverhältnisse kein besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet.
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass dem jeweiligen Hochzeitspaar für den Tag der Hochzeit das Schlafzimmer des Beklagten zur exklusiven sowie das Badezimmer zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Bei diesem Angebot des Zurverfügungstellens des Schlafzimmers und Bades handelt es sich lediglich um den “Sonder-Bonus Hochzeit”, ein kostenloses Zusatzangebot bei Hochzeiten. Dieses kostenlose und seitens des Brautpaares verzichtbare Zusatzangebot kann aber nicht den Charakter des Schuldverhältnisses ändern und über ein dann anzunehmendes “Näheverhältnis” die Rechte der Kunden nach §§ 19 bis 21 AGG ausschließen. Darüber hinaus ist für die Annahme des Tatbestandsmerkmals ein besonders enger und lang andauernder Kontakt der Vertragspartner zu verlangen, was bei einer Überlassung des Schlafzimmers und Bades für eine einzige Nacht nicht anzunehmen ist (vgl. Wendeling-Schröder, a.a.O., § 19 Rn. 22). Darüber hinaus nutzt der Beklagte das Schlafzimmer gerade nicht mit, sondern räumt dieses, um es dem Paar zur Verfügung zu stellen. Eine besondere Nähe durch die gemeinsame Nutzung des Schlafzimmers wird somit gerade nicht erzeugt.
Schließlich ist die Diskriminierung der Kläger auch nicht durch sachliche Gründe im Sinne des § 20AGG gerechtfertigt. Eine unterschiedliche Behandlung, die dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit dient (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AGG), ist vorliegend nicht begründet.
Die Feststellung eines sachlichen Grundes bedarf einer Wertung im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Unterscheidungen sind im Rahmen dieses Regelbeispiels nach dem Willen des Gesetzgebers nur gerechtfertigt, wenn sie aus objektiv nachvollziehbaren Gründen erfolgen (vgl. Bittner, a.a.O., § 20 Rn. 12). Weswegen die Überlassung des Schlafzimmers an ein heterosexuelles Paar durch den Beklagten seine Intimsphäre – so sie denn in diesem Fall überhaupt betroffen sein kann – unberührt lassen, die Überlassung des Schlafzimmers an ein homosexuelles Paar hingegen die Intimsphäre des Beklagten verletzten soll, erschließt sich der Kammer nicht.
Auch das “Moral- und Anstandsempfinden” der hochbetagten Mutter des Beklagten stellt keinen sachlichen Grund für eine Benachteiligung der Kläger dar. Zum einen befindet sich die Mutter des Beklagten nach dessen Vortrag während der Veranstaltungen stets im Gartenhaus und trifft somit bereits nicht mit den jeweiligen Kunden des Beklagten zusammen. Eine Provokation oder ähnliches ist im Hinblick auf die Mutter mithin nicht anzunehmen. Darüber hinaus stellt dieses höchst subjektive Empfinden aber auch keinen sachlichen Grund dar, sondern ist in jeder Hinsicht willkürlich.”