Aus der Rubrik “Wissenswertes”:  

Muss sich die Ausstattung einer Pension, wenn ein Mieter das Recht hat, für die Dauer von Modernisierungsarbeiten vom Vermieter in einer angemessenen Pension untergebracht zu werden, an den konkreten Lebensverhältnissen des Mieters orientieren?

Die Antwort des Landgerichts München I (LG München I – 14 S 4128/15, Urteil vom 11.11.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG München I in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. wie folgt aus: “2. Allerdings steht den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu, weil der Kläger seiner Verpflichtung zur Gestellung einer im konkreten Fall angemessenen Pension nicht nachgekommen ist. Der Kläger hatte sich gemäß Ziffer 4 des Prozessvergleiches vom 10.04.2014 verpflichtet, auf seine Kosten den Beklagten für die Dauer der Modernisierungsmaßnahmen eine Pension zu stellen, die innerhalb eines Umkreises von 2,5 km von der Wohnung der Beklagten in der G-Straße 46 in München liegt. Die zuletzt angebotene Pension, das “Boardinghouse” in der E-straße 168 liegt zwar innerhalb des geforderten geographischen Umkreises, stellt aber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles keine angemessene Ersatzunterkunft dar. Die Beklagten waren daher berechtigt, ihren vorübergehenden Umzug in das vom Kläger angebotene Pensionszimmer zu verweigern.

Nach § 273 Abs. 1 BGB kann der Schuldner, der aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat, die geschuldete Leistung so lange verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Die hier aus dem Prozessvergleich unmittelbar entstandene Verpflichtung der Beklagten zur Duldung der Modernisierungsarbeit stellt zwar keine Hauptleistungspflicht der Mieter dar. allerdings haben die Beklagten in dem Prozessvergleich die mietvertragliche Nebenpflicht übernommen, die Durchführung der Arbeiten zu dulden und währenddessen in eine Pension umzuziehen (siehe oben). Aus dem gleichen Vergleich haben die Beklagten jedoch einen Anspruch gegen den Kläger auf Unterbringung in einer Pension in 2,5 km Entfernung. Da beide Verpflichtungen auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen, besteht vorliegend Konnexität im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu NK-BGB/Schmidt-Kessel § 273 Rn. 15). Die Beklagten durften daher gemäß § 273 Abs. 1 BGB die Duldung der Modernisierungsarbeiten jedenfalls so lange verweigern, bis der Kläger ihnen eine angemessene Ersatzunterkunft zur Verfügung stellt.

Dies war vorliegend nicht der Fall:

a) Bei dem zunächst angebotenen Zimmer in der Pension in der E-straße 74 handelt es sich augenscheinlich um ein Obdachlosenheim, in der die Landeshauptstadt München Wohnungslose unterbringt. Dass es sich hierbei nicht um eine angemessene Ersatzunterkunft handelt, stand zwischen den Parteien auch zuletzt nicht mehr im Streit.

b) Bei der Pension E-straße 168 handelt es sich um ein so genanntes “Boardinghouse”. Die Pension bietet Zimmer oder Appartements mit hotelähnlichen Leistungen in städtischer Umgebung für einen längeren Aufenthalt an, wobei die Zimmer überwiegend von Firmen für die Unterbringung ihrer Mitarbeiter für einen vorübergehenden Zeitraum angemietet werden.

Vorliegend war der Kläger aufgrund Ziffer 4 des Vergleiches verpflichtet, den Beklagten für die Dauer der Modernisierungsarbeiten eine “Pension” zu stellen. Nähere Einzelheiten zur Ausstattung und Beschaffenheit des Pensionszimmers wurden von den Parteien nicht getroffen. Auch wenn es sich vorliegend nicht explizit um eine Gattungsschuld im Sinne der Lieferung einer Sache im engeren Sinne handelt, hat der Kläger danach jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 243 BGB ein Pensionszimmer “mittlerer Art und Güte” zu stellen. Hierbei kann auf die Klassifizierungen der Pensionszimmer mit ein bis vier Sternen nach den Richtlinien des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes zurückgegriffen werden. Nach Auffassung der Kammer ist hierbei jedoch nicht ausschließlich objektiv auf die Klassifizierungen der Pensionen, sondern auch auf den Rechtsgedanken des § 2155 BGB abzustellen, wonach in einem solchen Fall auch auf die konkreten Lebensverhältnisse der Beklagten abzustellen ist:

aa. Vorliegend ist die Wohnung der Beklagten auf einem einfachen Stand, insbesondere erfolgt die Beheizung noch durch Einzelöfen, die Warmwasserversorgung im Bad mittels Elektroboiler. Die Sanitärausstattung in der streitgegenständlichen Wohnung, insbesondere WC und Bad sind über 40 Jahre alt. Wenngleich die Beklagten nach ihren Lebensverhältnissen damit nicht die Unterbringung in einer Luxuspension fordern können, ergibt sich aus der Ausstattung ihrer Wohnung mit Küche und Bad jedenfalls, dass ihnen ein Anspruch auf Anmietung eines Pensionszimmers mit eigenen Sanitäranlagen zusteht.

bb. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man vorliegend auch, wenn man die Klassifizierung für Gästehäuser, Gasthöfe und Pensionen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) unmittelbar heranzieht. Lediglich die einfachste Klassifizierung mit einem Stern sieht für ein Doppelzimmer eine Raumgröße von 12 qm ohne Bad vor. Bereits eine Pension mit 2 Sternen, also die zweitunterste von vier Kategorien sieht für die Einordnung die Größe des Doppelzimmers von 16 qm inklusive Bad und WC vor.

cc. Nach alledem entsprach das angebotene 1-Sterne-Pensionszimmer – auch eingedenk des geplanten nicht unerheblichen Zeitraums von 12 – 14 Wochen – nicht einer Unterbringung in einer Pension mittlerer Art und Güte und genügte auch nicht den Lebensverhältnissen der Beklagten. Das angebotene Pensionszimmer hatte eine Größe von ca. 12 qm und verfügte unstreitig über kein WC, kein Bad und keine Kochgelegenheit. Es war spartanisch möbliert mit zwei schmalen Betten, zwei Stühlen, einem Tisch sowie einem Schrank. Im Übrigen wären die Beklagten auf die Nutzung eines Gemeinschafts-WCs bzw. Gemeinschaftsbades angewiesen gewesen.

Den Beklagten stand aus dem Vergleich ein Pensionszimmer mit eigenen Sanitäreinrichtungen zu, weshalb sie ihre Unterbringung in dem vom Kläger angemieteten Zimmer zu Recht abgelehnt haben. Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang ausdrücklich, ob der Kläger auch verpflichtet gewesen wäre, den Beklagten eine Pension mit einer Kochgelegenheit zu stellen. Lediglich ergänzend stellt die Kammer noch fest, dass das vom Kläger ausgewählte Boardinghouse durchaus Appartements mit eigenem Bad/WC als Zusatzleistung im Angebot hatte, diese dem Kläger aber augenscheinlich zu teuer waren.”