Aus der Rubrik “Wissenswertes”: 

Genügt für den Eintritt in das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters gem. § 563 Abs. 2, 4 BGB, dass zuvor von dem Eintrittswilligen und dem Mieter ein auf Dauer angelegter Haushalt geführt wurde?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 390/15, Beschluss vom 17.12.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Der Beklagte ist gemäß § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB in das im Jahre 1983 mit dem am 10. April 2014 verstorbenen Mieter begründete Mietverhältnis eingetreten. Dagegen vermag die Berufung nichts zu erinnern.

Gemäß § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB treten Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten Haushalt führen, mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder Lebenspartner eintritt. Diese Voraussetzungen hat der Beklagte erfüllt, da der Eintritt eines Ehegatten oder Lebenspartners nicht erfolgt ist und der verstorbene Mieter seit dem Jahre 1995 bis zu seinem Tode über nahezu 20 Jahre gemeinsam mit dem 26 Jahre jüngeren Beklagten in der streitgegenständlichen Wohnung gelebt hat und über ein enges und von gegenseitiger Fürsorge geprägtes, der Beziehung zwischen einem Vater und seinem Sohn ähnelndes Verhältnis mit diesem verbunden war. Dass der Beklagte mit dem verstorbenen Mieter in der von ihm behaupteten Form einen auf Dauer angelegten Haushalt geführt hat, steht zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer aufgrund der aufwändigen und überzeugenden Beweiserhebung und -würdigung des Amtsgerichts, auf die die Kammer Bezug nimmt und der nichts hinzuzufügen ist, fest.

Soweit die Berufung rügt, ein Eintritt des Beklagten nach § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB scheide aus, da er mit dem verstorbenen Mieter keine intime Liebesbeziehung geführt habe, vermag sie damit nicht durchzudringen, auch wenn zum Teil vertreten wird, § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB verlange über seinen Wortlaut hinaus das Bestehen einer Lebensgemeinschaft, die keine weiteren Bindungen gleicher Art zulasse (vgl. zum Meinungsstand Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 563 Rz. 35 f. m. w. N.):

Zwar ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung davon ausgegangen, dass § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB eine Lebensgemeinschaft erfordert, “die auf Dauer angelegt ist, keine weiteren Bindungen gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Füreinandereinstehen begründen, die über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen” (BT-Drucks 14/4553, S. 61). Das führt aber nicht zu einer Auslegung der Vorschrift im von der Berufung verstandenen Sinne.

Den Gesetzesmaterialien, die bei der Auslegung eines Gesetzes ohnehin nur mit Vorsicht heranzuziehenden sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 16. Februar 1983 – 2 BvE 1/83,2 BvE 2/83,2 BvE 3/83,2 BvE 4/83, BVerfGE 62, 1, 45; BGH, Urt. v. 1. Juli 2014 – VI ZR 546/13, MDR 2014, 425 Tz. 15), lässt sich nicht mit der gebotenen Gewissheit entnehmen, dass der historische Gesetzgeber von einer den Gesetzeswortlaut verengenden Reichweite des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB ausgegangen ist. Denn ihm hat für das Bestehen eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushaltes ausweislich der Gesetzesbegründung gleichzeitig “auch das dauerhafte Zusammenleben alter Menschen als Alternative zum Alters- oder Pflegeheim” ausgereicht (BT-Drucks. 14/4553, a. a. O.). Derart begründete Haushalts- und Lebensgemeinschaften sind aber gerade nicht von einer Exklusivität gekennzeichnet, die “keine weiteren Bindungen gleicher Art zulässt”.

Davon abgesehen kommt der Gesetzesbegründung für die Auslegung des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB im streitgegenständlichen Zusammenhang ohnehin keine erhebliche Bedeutung zu, da die in den Gesetzesmaterialien angedeutete Exklusivität der Haushalts- und Lebensgemeinschaft im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hat. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann nämlich nicht durch Motive gebunden werden, die im Gesetzgebungsverfahren zwar dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 19. April 2012 – I ZB 77/11, ZUM-RD 2012, 587 Tz. 29 m. w. N.). So aber läge der Fall hier, wenn der – ohnehin nicht zweifelsfrei feststellbare – Wille des Gesetzgebers im von der Berufung verstandenen Sinne zur Auslegung des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB herangezogen würde, ohne dass das Erfordernis einer Exklusivität der Haushalts- und Lebensgemeinschaft im Gesetz selbst auch nur andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist.

Die Voraussetzungen des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB wären hier aber selbst dann erfüllt, wenn dafür eine derart exklusive Beziehung zwischen dem Mieter und dem Eintretenden erforderlich wäre, die “keine weiteren Bindungen gleicher Art zulässt”. Das Amtsgericht hat eine auch nach diesem einschränkenden Gesetzesverständnis hinreichend nahe und exklusive Beziehung zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter zutreffend bejaht, indem es nach einer umfänglichen Beweiserhebung verfahrensfehlerfrei davon ausgegangen ist, dass der verstorbene Mieter dem Beklagten ein enger väterlicher Freund gewesen sei, der mit dem Beklagten nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen “wie in einer Paarbeziehung”, “beide als Einheit”, “wie in einer Symbiose”, “sehr eng, sehr verknüpft in sämtlichen Bereichen” über nahezu 20 Jahre in der streitgegenständlichen Wohnung gelebt habe, wobei es für beide – spätestens nach dem Tod ihrer Mütter – keine Person gegeben habe, die ihnen jeweils näher stand. Das Amtsgericht hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung außerdem zutreffend festgestellt, dass die Beziehung zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter, die sich nach den ebenfalls glaubhaften zeugenschaftlichen Bekundungen beide “als zwei einsame Seelen gefunden haben, die ohne weiteren familiären Kontakt waren”, in der letzten Phase dadurch geprägt gewesen sei, dass der Beklagte den mittlerweile schwer erkrankten Mieter bis zu dessen Tod aufopferungsvoll gepflegt habe. Diese bereits danach ausreichend enge Bindung haben beide zudem dadurch bekräftigt, dass sich der Mieter in der von ihm errichteten Patientenverfügung den Beklagten als Bestand gewünscht und ihn sogar testamentarisch zu seinem Alleinerben eingesetzt hat. Davon ausgehend hat das Amtsgericht ebenso rechtsfehlerfrei die gemeinsame Haushaltsführung und die zwischen dem Beklagten und dem verstorbenen Mieter bis zu dessen Tode währende Freundschaft für den Eintritt des Beklagten in das Mietverhältnis genügen lassen. Es hat dazu zutreffend ausgeführt, dass es sich – abgesehen von für das Eintrittsrecht nicht maßgeblichen geschlechtlichen Beziehungen (vgl. dazu BT-Drucks. 14/4553, a. a. O.) – keine Konstellation vorstellen könne, in der sich Menschen näher stehen könnten. Das kann die Kammer auch nicht. Damit untersteht der Beklagte dem uneingeschränkten Schutz des § 563 Abs. 2 Satz 4 BGB.”