Aus der Rubrik “Wissenswertes”:                 

Liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB, der zur fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses berechtigt, vor, wenn der vertragsgemäße Gebrauch der anderen Mietwohnungen stark dadurch beeinträchtigt ist, dass andere Mieter durch Schreie in der Zeit von 23:00 bis 03:00 Uhr aus ihrem Schlaf gerissen werden?

Die Antwort des Landgerichts Frankfurt am Main (LG Frankfurt/Main – 2-11 S 248/15, Beschluss vom 28.12.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Frankfurt/Main in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) einen Anspruch auf Rückgabe der Wohnung gemäß § 546BGB, nachdem das mit der Beklagten zu 1) abgeschlossene Mietverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 23.04.2015 (Bl.24 ff) gemäß §§ 543 Abs.1, 569 Abs.2 BGB wirksam beendet worden ist.

Gemäß § 569 Abs.2 BGB liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs.1 vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2015 hat das Amtsgericht gemäß § 286 ZPO die Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte zu 2), der psychisch jedenfalls stark belastet ist, zumindest seit dem Jahre 2013 nachts “so laut” schreit, “dass die Zeugin ### annährend jedes Wort verstehen kann und der Zeuge ### regelmäßig aus dem Schlaf gerissen wird” (Bl.109). Die Beweiswürdigung wird von der Berufung nicht angegriffen.

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen seitens des Amtsgerichts sind nach § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO nicht gegeben. Die Zeuginnen ###, die ihr Fernbleiben von dem Termin entschuldigt haben, waren nicht zu vernehmen, weil sie von der Klägerin benannt worden waren.

Das Verhalten des Beklagten zu 2),.welcher der Sohn der Beklagten zu 1) ist und mit ihr in der verfahrensgegenständlichen Wohnung in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist ihr (der Beklagten zu 1)) zuzurechnen. Die von dem Amtsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Zum einen ist Verschulden keine zwingende Voraussetzung für eine wirksame Kündigung (s. Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, München 2015, 12.AufI., § 569 BGB, Rn.23). Zum anderen hat das. Amtsgericht das Alter der 1928 geborenen Beklagten zu 1) und ihren Gesundheitszustand berücksichtigt. Auch in Anbetracht dessen, dass das Mietverhältnis bereits im Jahre 1971 begründet worden war und das Versorgungsamt für die Beklagte zu 1) einen Grad der Behinderung von 80 festgestellt hat (Bl.70 ff), sind für die Klägerin als Vermieterin die Grenzen des Zumutbaren überschritten. Zwar ist im nachbarschaftlichen Zusammenleben, mit kranken Menschen ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft zu fordern. Die Verpflichtung zur Toleranz endet aber – wie das Amtsgericht zutreffend in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat -, wenn “der vertragsgemäße Gebrauch der Mietwohnungen für die übrigen Mietparteien stark beeinträchtigt ist” (Bl.110). So ist vor allem der berufstätige Nachbar und Zeuge ###, der morgens um 6.00 Uhr aufstehen muss, auf nächtlichen Schlaf angewiesen. Es war deshalb nicht hinnehmbar, dass er immer wieder durch Schreie in der Zeit von 23.00 bis 3.00 Uhr aus dem Schlaf gerissen wurde.

Entgegen der Meinung der Berufung ist es nicht erforderlich, dass das Verhalten des Beklagten zu 2) bei den Nachbarn darüber hinaus “zu Sorge und Ängsten” hätte führen müssen (Bl.148). Angemerkt sei nur, dass die Zeugin ### ausgesagt hat, dass “das laute hasserfüllte Geschrei … durchgängig vorhanden” gewesen sei (Bl. 94). Soweit die Berufung ausführt, der Beklagte zu 2) habe “Verfolgungsängste” und habe sich mittels seines nächtlichen Verhaltens “verteidigen” dürfen (Bl.147, 149), ist dies rechtlich nicht zutreffend.

Die Klägerin hatte die Beklagte zu 1) mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 30.10. 2014 (Bl.20 f) gemäß §543 Abs.3 BGB wegen der nachhaltigen Störung des Hausfriedens durch den Beklagten zu 2) abgemahnt.

Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es maßgeblich darauf an, dass der Kündigungstatbestand zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung vorgelegen hat. Entgegen der Meinung der Beklagten wird die Wirksamkeit der Kündigung durch ein nachträgliches Wohlverhalten nicht berührt (vgl. Schmidt-Futterer, aaO, Rn.32). im Übrigen hat der Beklagte zu 2) sein Verhalten nicht nachhaltig geändert. So hat die Zeugin ### ausgesagt, dass zwar die Lärmbelästigungen im “März/April … etwas weniger” geworden seien, dass sie aber “bis zum heutigen Tag” andauern würden (Bl.94). Ebenso hat der Zeuge ### ausgesagt, dass es zwar “etwas leiser geworden sei, dass es aber “in der letzten Nacht wieder Ruhestörungen und auch in der letzten Woche” gegeben habe (Bl.95 f).

Sofern die Berufung ausführt, dass im Falle einer Räumungsvollstreckung eine Lebensgefahr bei. der Beklagten zu 1) eintreten könnte, und insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat, ist dieser Umstand nicht im Erkenntnisverfahren, sondern – wie allgemein bei Vollstreckungshindernissen – im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (s. Schmidt-Futterer, aaO, Rn.23). Ebenso wenig ist es hier von Belang, dass die Beklagten nicht in der Lage zu sein scheinen, Ersatzwohnraum zu beschaffen.”