Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann ein Ehegatte und Mieter, der nach Trennung der Eheleute die volle Miete für die Ehewohnung an den Vermieter gezahlt hat, von seinem Ehegatten und Mitmieter Erstattung des hälftigen Betrages verlangen, wenn es sich um eine nach der Trennung der Eheleute aufgedrängte und nicht gewählte Wohnsituation handelt?

Die Antwort des Oberlandesgerichts Bremen (OLG Bremen – 4 WF 184/15, Beschluss vom 17.02.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das OLG Bremen in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. bis 3. wie folgt aus: “Nach der derzeitigen Sachlage bestehen für den von der Antragstellerin beabsichtigten Antrag auf Gesamtschuldnerausgleich im tenorierten Umfang hinreichende Erfolgsaussichten (§§ 114 ff. ZPO).

Unstreitig waren die Antragstellerin und der Antragsgegner die Mieter der ursprünglich gemeinsamen Familienwohnung und daher grundsätzlich beide zur Zahlung des Mietzinses als Gesamtschuldner verpflichtet. Ebenfalls unstreitig ist, dass die Antragstellerin die Miete von 715 Euro monatlich und die Nebenkosten für die Monate Februar bis April 2015 alleine getragen hat. Für die von ihr geforderte Beteiligung des Antragsgegners an den Nettomietzahlungen bestehen hinreichende Erfolgsaussichten in Höhe von 190 Euro monatlich und somit insgesamt 570 Euro.

1. Grundsätzlich gilt gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, dass die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen haften, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach dieser Regelung kann somit der Mieter, der den vollständigen Mietzins an den Vermieter gezahlt hat, von seinem Mitmieter Erstattung des hälftigen Betrages verlangen. Derjenige Mieter, der sich auf eine hiervon abweichende Regelung, also eine anderweitige Bestimmung i. S. d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, beruft, ist für das Vorliegen von Umständen darlegungs- und beweisbelastet, die eine solche – abweichende – Verteilung rechtfertigen (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 6. Auflage, Rn. 387). Den ausgezogenen Mieter, der jegliche Beteiligung an den nach Trennung fällig werdenden Mieten für die ehemalige Ehewohnung ablehnt, trifft also die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete alleinige Zahlungspflicht des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten.

Der somit für eine anderweitige Bestimmung darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner hat im vorliegenden Fall bisher keine Umstände vorgetragen, die den Gesamtschuldnerausgleich im tenorierten Umfang zu Fall bringen könnten.

a) Allein aus der Tatsache, dass die Antragstellerin während der Zeit von Februar bis April 2015 gemeinsam mit den Kindern in der Wohnung gelebt hat, während der Antragsgegner nach seinem Auszug im Januar 2015 eine anderweitige Unterbringung finden musste, ergibt sich noch keine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB.

Zwar kann sich aus der Gestaltung der Beziehungen der Ehegatten nach ihrer Trennung eine Bestimmung mit dem Inhalt ergeben, dass der in der Wohnung verbliebene Ehegatte im Innenverhältnis für die Miete alleine aufzukommen hat. Es ist allerdings danach zu differenzieren, ob es sich um eine nach der Trennung der Eheleute gewählte oder um eine aufgedrängte Wohnsituation handelte (vgl. Wever, a. a. O., Rn. 324). Entscheidet sich der in der Wohnung verbleibende Ehegatte nach Trennung dafür, in der Wohnung weiterhin leben zu wollen, kann von einer gewählten Wohnsituation ausgegangen werden, weshalb der verbliebene Ehegatte dann auch für die Miete alleine aufzukommen hat. Anders liegt es dann, wenn dem in der ehemals gemeinsamen Ehewohnung zurückbleibenden Ehegatten diese Wohnsituation “aufgedrängt” wurde bzw. Einverständnis zwischen den Ehegatten darüber besteht, dass er die Wohnung noch bis zur Beendigung des Mietverhältnisses nutzen soll. Dann ist eine alleinige interne Haftung des zurückbleibenden Ehegatten für die Mietschulden bis zum Ende des Mietvertrages nicht gerechtfertigt. Der Verbleib des Ehegatten in der Wohnung während der dreimonatigen Kündigungsfrist entspricht vielmehr vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen: Würde auch er die ehemalige gemeinsame Ehewohnung vor Ablauf der Kündigungsfrist verlassen, würde für die Ehegatten neben dem Mietzins für diese Wohnung noch der jeweils für ihre weiteren Wohnungen zu zahlende Mietzins anfallen. Somit dient es auch der Vermeidung unnötiger Kosten, wenn der zurückbleibende Ehegatte während der dreimonatigen Kündigungsfrist noch in der ehemals gemeinsamen Ehewohnung lebt (vgl. auch Wever, a. a. O., Rn. 326).

Im vorliegenden Fall haben die Eheleute gemeinsam nach der Trennung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten das Mietverhältnis beendet. Es entsprach daher wirtschaftlicher Vernunft, dass die Antragstellerin und die Kinder noch während dieser drei Monate die Wohnung nutzten. Allein hieraus kann sich keine Verpflichtung der Antragstellerin zur alleinigen Tragung der Mietkosten ergeben.

b) Eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB kann im vorliegenden Fall auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Antragsgegner während der verfahrensgegenständlichen drei Monate an die Antragstellerin sowohl Trennungs- als auch Kindesunterhalt gezahlt hat.

Werden bei der Berechnung des Unterhaltsanspruches der Ehefrau und der gemeinsamen minderjährigen Kinder tatsächlich erbrachte hälftige Mietzinszahlungen für die ehemalige Familienwohnung berücksichtigt und fallen daher die Unterhaltsansprüche entsprechend geringer aus, wird die spätere Durchführung eines Gesamtschuldnerausgleiches, angestrebt vom Ehemann gegen die Ehefrau, zu Recht aufgrund der vorgenommenen Unterhaltsberechnung am Vorliegen einer anderweitigen Bestimmung i. S. d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB scheitern. Gleiches muss gelten, wenn der Unterhaltsberechtigte die Schulden von seinem Einkommen allein bedient: Dann kommt es zu einer Beteiligung des Unterhaltspflichtigen am Schuldenabtrag dadurch, dass sich die Differenz der beiderseitigen Einkommen und damit der Unterhaltsanspruch erhöht (vgl. Wever, a. a. O., Rn. 330, 332). Ein Ausgleich nach § 426 BGB ist aber dann nicht ausgeschlossen, wenn der Schuldenabtrag bei der Unterhaltsbemessung nicht zum Tragen gekommen ist (vgl. Wever, a. a. O., Rn. 331).

Im vorliegenden Fall ist der von der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 12.3.2015 geltend gemachte Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB unstreitig bei der Unterhaltsberechnung nicht berücksichtigt worden, so dass grundsätzlich der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB besteht. Der Antragsgegner hat insbesondere nicht vorgetragen, dass er sich an der von der Antragstellerin geforderten hälftigen Kaltmiete bereits dadurch beteiligt habe, dass die 715 Euro monatlich vom Einkommen der Antragstellerin abgezogen wurden und sich dadurch ihr Unterhaltsanspruch ihm gegenüber erhöht habe. Nach den vorliegenden Verfahrenskostenhilfeunterlagen ist vielmehr davon auszugehen, dass die Antragstellerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keinerlei eigenes Einkommen erzielte. Bei Einkommenslosigkeit der Antragstellerin konnte die Mietzahlung durch sie keine Reduzierung ihres – nicht vorhandenen – Einkommens und die Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs gegen den Antragsgegner bewirken. Weder eine unmittelbare noch eine mittelbare tatsächliche Beteiligung des Antragsgegners am Abtrag der Gesamtschuld hat nach Aktenlage stattgefunden.

Es ist somit nach dem derzeitigen Vortrag der Beteiligten nicht nachvollziehbar, inwiefern es zu einer “Überlagerung” des Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs durch Unterhaltszahlungen gekommen sein soll. In der Akte findet sich nur der Satz des Antragsgegnervertreters, die Gegenseite sei im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz darauf hingewiesen worden, dass der Antragsgegner entweder Unterhalt oder eine Mietbeteiligung zahlen könne, mit Sicherheit nicht beides (Schriftsatz vom 8.6.2015, Bl. 19 der Akte). Die erwähnte Korrespondenz ist nicht vorgelegt worden. Der Antragsgegner hat ebenfalls nicht behauptet, dass die Beteiligten eine Vereinbarung in Bezug auf die hälftige Mietzinsforderung in dem Sinne getroffen haben, dass die Antragstellerin die Mieten vollständig allein aufzubringen habe. Allein aus der Tatsache, dass Unterhaltszahlungen im Zeitraum von Februar bis April 2015 geflossen sind, kann kein Ausschluss des Gesamtschuldnerausgleichs hergeleitet werden, schließlich ist auf die Unterhaltsansprüche und nicht auf den Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gezahlt worden.

Sollte der Antragsgegner angesichts der – ihm bereits seit März 2015 bekannten – Inanspruchnahme auf hälftigen Mietzins eine Überzahlung von Unterhaltsansprüchen geltend machen wollen, müsste er einen entsprechenden konkreten Rückforderungsanspruch gegen die Antragstellerin formulieren, den er dem Anspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen halten könnte. Hieran fehlt es aber bisher.

So ergibt sich nur aus dem Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin, in welcher Höhe der Antragsgegner Unterhalt gezahlt hat. Ob diesen Beträgen eine Vereinbarung oder eine exakte Quotenunterhaltsberechnung zugrunde liegt, welche Einkommenshöhe des Antragsgegners und der Antragstellerin angesetzt und welche Abzüge hiervon vorgenommen wurden, wird nicht vorgetragen. Es ist somit nicht klar, in welcher Höhe der Antragsgegner noch Trennungsunterhaltszahlungen an die Antragstellerin hätte leisten müssen, wenn bei der Unterhaltsberechnung der Anspruch der Antragstellerin auf Gesamtschuldnerausgleich berücksichtigt worden wäre. Der für eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, aber auch für einen eventuellen Rückforderungsanspruch darlegungs- und beweisbelastet Antragsgegner hat somit nicht konkret vorgetragen, inwiefern sich die von der Antragstellerin geforderte Beteiligung an der hälftigen Kaltmiete überhaupt auf die Unterhaltsberechnung für die Monate Februar bis April 2015 ausgewirkt hätte. Es ist offen, ob und wenn ja um welchen Betrag die Unterhaltszahlungen geringer ausgefallen wären, wenn er zusätzlich noch die Beteiligung an der Kaltmiete hätte tragen müssen. Allein die – angesichts der Höhe der erbrachten Unterhaltszahlungen bereits zweifelhafte – Behauptung, er habe entweder Unterhalt oder die hälftige Kaltmiete zahlen können, kann eine konkrete Berechnung nicht ersetzen. Solange diese nicht erfolgt ist, bleibt der bisherigen antragsgegnerseitige Einwand einer “unterhaltsrechtlichen Überlagerung” des von der Antragstellerin angestrebten Gesamtschuldnerausgleichs hinsichtlich der nach Trennung angefallenen Mieten unsubstantiiert.

c) Hinsichtlich der Bemessung der Haftungsquote des Antragsgegners ist hier abweichend von der grundsätzlich in § 426 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehenen hälftigen Beteiligung von einem geringeren Anteil auszugehen. Der von der Antragstellerin beabsichtigte Zahlungsantrag hat daher nur in Höhe von 190 Euro monatlich und somit insgesamt 570 Euro hinreichende Erfolgsaussichten.

Die Antragstellerin kann vom Antragsgegner nicht den hälftigen Nettomietzins für die drei verfahrensgegenständlichen Monate verlangen. Es ist vielmehr mit dem OLG Düsseldorf (vgl. FamRZ 2014, 1296) und Wever (vgl. a. a. O., Rn. 326 sowie FF 2015, 135) davon auszugehen, dass die Antragstellerin vom Antragsgegner nur eine hälftige Beteiligung an dem Teil der Miete von 715 Euro monatlich verlangen kann, der über die Miete hinausgeht, die sie für eine mit der ehemaligen Ehewohnung vergleichbare, aber kleinere, nämlich auf ihre Situation nach Trennung zugeschnittene Wohnung hat zahlen müssen. Im vorliegenden Fall bewohnt die Antragstellerin seit dem 1.5.2015 eine kleinere Wohnung, für die 335 Euro Nettomiete pro Monat anfallen. Die Differenz zwischen diesem Betrag und den für die ehemalige Ehewohnung gezahlten 715 Euro beträgt 380 Euro. Von diesen hat der Antragsgegner die Hälfte und somit 190 Euro zu zahlen. Hieraus errechnet sich für die verfahrensgegenständlichen drei Monate ein Zahlungsanspruch i. H. v. 570 Euro. Die 335 Euro hätte die Antragstellerin bei Anmietung einer nach der Trennung angemessenen kleineren Wohnung ohnehin alleine tragen müssen. Gleiches gilt für die Nebenkosten. Dementsprechend kann sie nur eine hälftige Beteiligung des Antragsgegners an den darüber hinaus für die ehemalige Ehewohnung anfallenden Mietkosten verlangen. Es ist kein Grund ersichtlich, aus dem der Antragsgegner verpflichtet sein sollte, den Teil der Miete, der die angemessene Miete für den Wohnbedarf der Antragstellerin nach Trennung übersteigt, allein zu tragen.

2. Soweit die Antragstellerin mit einem Satz vorträgt, sie wolle ihre “Klagforderung” auch mit einem Anspruch auf Zahlung der hälftigen Mietkaution begründen, kann sie hiermit nicht durchdringen. Diesbezüglich mangelt es bereits daran, dass die Höhe der Kaution nicht vorgetragen wird und es somit an einem hinreichend konkretisierten hilfsweisen Zahlungsantrag fehlt (§ 253 Abs. 2 ZPO). Hinzukommt, dass zwischen den Beteiligten Streit darüber besteht, ob die vom Vermieter unstreitig an den Antragsgegner zurückgezahlte Kaution überhaupt den Eheleuten hälftig zugestanden hätte. Der Vortrag der Antragstellerin und des Antragsgegners, jeweils ihre Eltern hätten die Kaution gestellt, schließt sich gegenseitig aus. Beweisangebote für die Richtigkeit der von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Antragstellerin aufgestellten Behauptung liegen nicht vor.

3. Soweit der Antragsgegner hilfsweise mit Ansprüchen wegen Renovierungsarbeiten vor Rückgabe der Wohnung an den Vermieter aufrechnen möchte, sind die von ihm diesbezüglich erhobenen Forderungen streitig. Der Antragsgegner hat für seine Behauptung von Renovierungsarbeiten in der Wohnung Zeugenbeweis angeboten. Da das Ergebnis einer derartigen Beweisaufnahme nicht vorhersehbar ist und zudem auch nicht antizipiert werden dürfte, muss zugunsten der Antragstellerin weiterhin vom Bestehen einer hinreichenden Erfolgsaussicht für den beabsichtigten Antrag auf Gesamtschuldnerausgleich i. H. v. 570 Euro ausgegangen werden. Für die ebenfalls hilfsweise zur Aufrechnung gestellten, von der Antragstellerin bestrittenen Zahlungen des Antragsgegners wegen Nachforderungen des Energieversorgers […] fehlt bisher ein Nachweis durch den Antragsgegner, weshalb auch dieser Vortrag nichts an der hinreichenden Erfolgsaussicht des beabsichtigten Antrags der Antragstellerin ändert.”