Aus der Rubrik “Wissenswertes”:


Ist es einem Vermieter im Sozialen Wohnungsbau erlaubt, die Miete auf die Kostenmiete anzuheben, obwohl im Mietevertrag eine unter der Kostenmiete liegende Miete vereinbart ist?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 2/16, Urteil vom 18.02.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Miete aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Rechtsgrund für die Zahlungen waren die wirksamen Mieterhöhungserklärungen der Beklagten zum 1.Juli 2010, 1. Juli 2012 und zum 1. Juli 2013. Eine Unwirksamkeit der Mieterhöhungen folgt nicht aus § 10 Abs. 4 WoBindG unter dem Gesichtspunkt einer sich aus den Umständen ergebenden Vereinbarung der Parteien. Es liegen hier entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere keine Umstände vor, die den Rückschluss auf einen Verzicht der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf eine künftige Erhöhung der Miete bis zur preisrechtlich zulässigen Kostenmiete bzw. einen entsprechenden Erlassvertrag, § 397 BGB, erlauben würden. Die Klägerin lässt insoweit die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe unberücksichtigt. Danach kommt ein Erlassvertrag nur zustande, wenn die Parteien darauf gerichtete übereinstimmende Willenserklärungen abgeben. Das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages muss unmissverständlich erklärt werden, wobei an die Feststellung des Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen sind; er darf nicht vermutet werden und ist im Zweifel eng auszulegen. Selbst bei einer eindeutig erscheinenden Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 10.6.2015 – VIII ZR 99/14, GE 2015, 1026 = juris Rn. 19;Urt. v. 3.6.2008 – XI ZR 353/07, juris Rn. 20; Urt. v. 7.3.2006 – VI ZR 54/05, juris Rn. 9 f., jew. m.w.N.).

Den Vereinbarungen im Mietvertrag lässt sich ein diesen Maßstäben genügender Verzichtswille der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht entnehmen. Nach dem Mietvertrag „beträgt“ die Nettokaltmiete lediglich „zur Zeit“ die dort angegebene Höhe; in § 17 des Mietvertrages wird darauf hingewiesen, dass die Wohnung preisgebunden ist und nach welchen Regeln die Miete sich verändern kann, wobei auch der Umstand mitgeteilt wird, dass die Miete so hoch sein kann, dass sie die laufenden Aufwendungen des Vermieters deckt, sich mit dem Abbau von Aufwendungshilfen und Fördermitteln erhöhen kann.

Dem Umstand allein, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten (zunächst, nämlich: zur Zeit) eine unter der Kostenmiete liegende Nettokaltmiete mit der Klägerin vereinbart hat, lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass sie mit dieser Vereinbarung dauerhaft auf die zulässige Kostenmiete verzichtet. Auch die – allein allerdings auch nicht ausreichende – Interessenlage der Parteien lässt diesen Rückschluss nicht zu. Der Mietvertrag wurde – aus dem Rubrum des Vertrages deutlich ersichtlich – durch die im damaligen Zeitpunkt bereits im Insolvenzverfahren befindliche Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist es schon fernliegend, dass diese – ohne ausdrückliche Vereinbarung – derart weit reichende Vermögensdispositionen für die Zukunft treffen wollte, im Übrigen auch nur treffen konnte.

Letztlich entspricht die Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht generell der Interessenlage von Mietern. Zuzugeben ist ihr, dass ein Mieter die Höhe der Miete betreffend Sicherheit wünscht. Dies ist allerdings weder im Segment des preisgebundenen noch dem des preisfreien Wohnraums erreichbar. Unabhängig davon müsste ein solcher Wille im Rahmen des Vertragsschlusses in der Weise zwischen den Parteien thematisiert worden sein, dass auf eine Vereinbarung geschlossen werden kann, der Vermieter also in Kenntnis dieses Wunsches einer entsprechenden Vereinbarung die Miethöhe betreffend zugestimmt hat. Dafür ist hier nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Die Auffassung des Amtsgerichts zu den Interessen des Mieters greift im Übrigen zu kurz: Würde sie zugrunde gelegt, wären Vermieter im preisgebundenen Wohnraumsegment gehalten, immer die Kostenmiete zu vereinbaren oder zumindest eine möglichst hohe, die preisrechtlichen und am Markt durchsetzbaren Möglichkeiten ausschöpfende Miete, um nicht Gefahr zu laufen, dass sie – gegebenenfalls verbunden mit dem Risiko einer Insolvenz – dauerhaft mit dem Verlangen der Kostenmiete oder jeder- wie hier- auch nur äußerst moderaten Anhebung der Miete ausgeschlossen wären. Die nach den hier gegenständlichen Erhöhungen geschuldete Miete erreicht im Ergebnis noch immer nicht einmal die Hälfte der Kostenmiete. Eine entsprechende Entwicklung dürfte eine weitere Erhöhung des Mietpreisniveaus zur Folge haben und nicht im Interesse von Mietern liegen.”