Aus der Rubrik “Wissenswertes”: 

Kann sich ein Mieter gegenüber seinem Vermieter im Nachhinein mit Erfolg darauf berufen, wenn dieser eine in der Mietvertragsurkunde formwirksam getroffene Staffelmietvereinbarung im Verlaufe des Mietverhältnisses wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Mieters auf dessen Bitten hin zeitweilig formlos ausgesetzt hat, dass die Schriftform der Staffelmietvereinbarung durch die formlos getroffene Vereinbarung unheilbar verletzt worden sei?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 209/16, Beschluss vom 16.08.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen.

Das Amtsgericht hat der Klage zutreffend stattgegeben und die Widerklage ebenso zutreffend abgewiesen. Dagegen vermag die Berufung nichts zu erinnern.

Der Klägerin stehen die vom Amtsgericht zuerkannten Mietzinszahlungsansprüche gemäß § 535 Abs. 2 BGB in der erstinstanzlich tenorierten Höhe zu.

Die im Mietvertrag getroffene Staffelmietzinsvereinbarung ist wirksam. Sie entspricht nicht nur den inhaltlichen Anforderungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 bis 6 MHG a.F. (§ 557a Abs. 1 Halbsatz 2 bis Abs. 3 BGB), wegen derer die Kammer auf die zutreffenden und die Berufungsangriffe vollständig erschöpfenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug nimmt. Ihrer Wirksamkeit steht auch nicht der von den Beklagten ins Feld geführte Schriftformverstoß entgegen.

Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend, dass die Einhaltung der Schriftform für im Wohnraummietrecht getroffene Staffelmietvereinbarungen gemäß § 10 Abs. 2 Halbsatz 1 MHG a.F. (§557a Abs. 1 Halbsatz 1 BGB) konstitutiv ist. Die im Mietvertrag vom 28. Juni 1999 getroffene und von beiden Parteien unterzeichnete Vereinbarung wird den Schriftformanforderungen des § 126 Abs. 1, Abs. 2 BGB jedoch gerecht. Auf eine nachträgliche Beseitigung dieser Schriftform aufgrund zweier formloser Nachträge zum Mietvertrag und eine darauf beruhende Unwirksamkeit der Staffelmietvereinbarung können sich die Beklagten nicht mit Erfolg berufen. Das hat das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

Es kann insoweit dahinstehen, ob die von der Klägerin in den Jahren 2003 und 2004 jeweils auf Bitten der Beklagten formlos zu deren Gunsten vorgenommene Aussetzung zweier Staffeln die Schriftform tatsächlich beseitigt hat (vgl. LG Berlin, Urt. v. 20. Juli 2004 – 65 S 75/04, MM 2004, 374), ebenso, ob die Wirksamkeit der ursprünglichen Staffelmietvereinbarung bereits deshalb durch die Nachträge unberührt geblieben ist, weil gemäß § 10 Abs. 1 MHG a.F. (§ 557a Abs. 5 BGB) nur solche Staffelmietvereinbarungen unwirksam sind, die zum Nachteil des Mieters von den gesetzlichen Vorschriften abweichen, während ein zeitweiser formloser Verzicht des Vermieters auf ihm zustehende Ansprüche aus einer schriftlichen Staffelmietvereinbarung dem Mieter nicht nachteilig, sondern von Vorteil ist.

Jedenfalls können die Beklagte dem Zahlungsanspruch der Klägerin die formlos getroffenen nachträglichen Vereinbarungen selbst dann nicht mit Erfolg entgegen halten, wenn dadurch die Schriftform der ursprünglichen Staffelmietvereinbarung tatsächlich unheilbar verletzt worden wäre. Denn die Geltendmachung der Formwidrigkeit wäre gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich und deshalb unbeachtlich:

Beide nachträglich getroffenen Vereinbarungen gehen allein darauf zurück, dass die Beklagten wegen in ihren Verantwortungsbereich fallender finanzieller Engpässe mit Schreiben vom 14. Oktober 2003 (” … die Arbeitsmarkt-Misere … ”) und 17. September 2004 (” … finanzielle Einschnitte auf Grund von Hartz-IV … ”) mit der jeweiligen Bitte um Aussetzung einzelner Staffelmieterhöhungen an die Klägerin herangetreten sind und die Klägerin den allein im wirtschaftlichen Interesse der Beklagten liegenden Bitten nachgekommen ist. Es entspricht der von der Kammer geteilten ständigen Rechtsprechung des BGH, dass das Berufen auf einen Schriftformverstoß durch den Mieter gemäß § 242 BGB dann treuwidrig ist, wenn der Verstoß auf einer nachträglichen Änderung des Vertrages beruht, die einseitig ihn begünstigt (vgl. BGH, Urt. v. 19. September 2007 – XII ZR 198/05, NJW 2008, 365 Tz. 16; Urt. v. 25. November 2015 – XII ZR 114/14, NJW 2016, 311 Tz. 27 (jeweils zu § 550 BGB)). So indes liegt der Fall hier, in dem die Klägerin zeitweilig auf die vollständige Geltendmachung und Durchsetzung der ihr aus der ursprünglichen Staffelmietvereinbarung zustehenden Zahlungsansprüche allein aus Nachsicht gegenüber den wirtschaftlich in Bedrängnis geratenen Beklagten – und ausschließlich auf deren Bitten hin – verzichtet hat.

Dass die Beklagten die erbetene und wunschgemäß zu ihren Gunsten geübte Nachsicht der Klägerin nunmehr zum Anlass nehmen, sich gegen die Formwirksamkeit der im Mietvertrag getroffenen Staffelmietvereinbarung und damit gegen die Klägerin selbst und die von ihr geltend gemachten Ansprüche wenden, ist nicht nur widersprüchlich und unredlich, sondern entbehrt gleichzeitig auch eines schutzwürdigen Eigeninteresses. Davon ausgehend greift das Berufen auf die nachträgliche Formwidrigkeit der Staffelmietvereinbarung wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nicht durch, ohne dass es für die Beachtlichkeit des Treuwidrigkeitsvorwurfs darauf ankommt, dass die von den Beklagten zur Begründung des Schriftformverstoßes herangezogene nachträgliche Änderung des Mietvertrages die Höhe der von ihnen zu entrichtenden Miete betrifft (vgl. BGH, jeweils a.a.O.). Dieser Umstand ist allein für die Frage des Schriftformverstoßes selbst von Belang (vgl. BGH, Urt. v. 25. November 2015 – XII ZR 114/14, NJW 2016, 311 Tz. 17, 27).

Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht die – nicht zum gesonderten Gegenstand der Berufungsbegründung erhobene – Widerklage der Beklagten zutreffend abgewiesen.”