Aus der Rubrik “Wissenswertes”:             

Muss ein Mieter den Austausch aller Fenster in den Treppenhäusern als Modernisierungsmaßnahme dulden?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 383/14, Urteil vom 15.06.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. a) bis d) wie folgt aus: “a) Zu Recht beanstandet die Klägerin, dass das Amtsgericht die Klage – ohne nähere Begründung – auch abgewiesen hat, soweit sie eine Verurteilung der Beklagten zur Duldung des Austauschs der Fenster in den Treppenhäusern begehrt. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 554Abs. 2 BGB a. F. i. V. m. Art. 229 § 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB; die Modernisierungsankündigung vom 26. Juli 2012 (Bl. I/41ff. d. A.) ist den Beklagten vor dem 1. Mai 2013 zugegangen.

aa) Dass die Maßnahme – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der baulichen Folgen – als Härte im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 2, 3 BGB a. F. anzusehen wäre, wird von den Beklagten weder geltend gemacht, noch lässt sich dem Sachvortrag der Parteien ein Anhaltspunkt dafür entnehmen.

bb) Die Maßnahme wurde auch den Bestimmtheitsanforderungen des § 554 Abs. 3 BGB a. F. gemäß angekündigt und im Klageantrag den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend hinreichend bestimmt umschrieben.

(1) Nach § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. hat der Vermieter dem Mieter spätestens drei Monate vor Beginn der Maßnahme deren Art und voraussichtlichen Umfang und Beginn, die voraussichtliche Dauer und die zu erwartende Mieterhöhung mitzuteilen. Die Modernisierungsankündigung soll kein Selbstzweck sein, sondern den Mieter in erster Linie frühzeitig über die auf ihn zukommenden Belastungen informieren, damit er auf der Grundlage dieser Information vorab prüfen kann, ob und gegebenenfalls von welchem der ihm in dieser Situation zustehenden Rechte er Gebrauch machen möchte (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 37). Die Ankündigung muss daher – nicht mehr und nicht weniger – als den Informationsbedürfnissen des Mieters Rechnung tragen, das Ziel der beabsichtigten Modernisierung und die dazu geplanten Maßnahmen zu erfahren, um ihm eine zureichende Kenntnis darüber zu vermitteln, in welcher Weise die Wohnung durch diese Maßnahmen verändert wird und wie sich diese Maßnahmen künftig auf den Mietgebrauch einschließlich etwaiger Verwendungen des Mieters sowie die zu zahlende Miete auswirken, und ihm so eine sachgerechte Beurteilung der sich daraus ergebenden Lage ermöglichen, insbesondere hinsichtlich seiner Duldungspflicht, der für ihn zu treffenden Maßnahmen und der gegebenenfalls in Betracht zu ziehenden vertragsrechtlichen Konsequenzen (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.201 – VIII ZR 242/10, in: WuM 2011, 677).

Diesen Anforderungen wird die Ankündigung der Klägerin hinsichtlich der Treppenhausfenster gerecht. Die Ankündigung des Austauschs aller Fenster in den Treppenhäusern unter Angabe der im Einzelnen damit verbundenen Arbeiten lässt gemessen am Informationsinteresse der Beklagten keine Fragen offen. Nach den vorstehend dargestellten Maßstäben darf der Vermieter insbesondere an offenkundig vorhandenes Wissen des Mieters anknüpfen, das bei diesem aufgrund eigener Anschauung  und Kenntnis vorhanden ist – hier die Kenntnis von der Anzahl und Lage der Treppenhäuser sowie der darin befindlichen Fenster. Alles andere würde – im Widerspruch zum ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers – die Anforderungen an die Modernisierungsankündigung überspannen, ohne dass dem – wie hier – ein (berechtigtes) Informationsinteresse des Mieters gegenüber stünde.

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Beschreibung der Maßnahme im Klageantrag zu 1 b) auch den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Bei der Formulierung der Duldungspflicht im Klageantrag geht es nicht darum, dem Mieter eine hinreichende Entscheidungsgrundlage über die Bedeutung und die Auswirkungen der Maßnahme zu vermitteln, um ihm auf diese Weise eine Beurteilungsgrundlage für seine Entscheidung an die Hand zu geben, ob er die Maßnahme dulden will und wie er sich im Falle einer Duldungspflicht in seinen Dispositionen darauf einstellen will; dies ist vielmehr der Zweck der Modernisierungsankündigung. Der Antrag dient vielmehr nur dazu, die zu duldenden Handlungen so genau zu umschreiben, dass sie die hinreichende Grundlage für eine nach § 890 ZPO vorzunehmende Zwangsvollstreckung bilden können werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2011, a.a.O.).

Zwar müssen Anträge, mit denen die Duldung von Handlungen verlangt wird, die zu duldenden Handlungen so genau bezeichnen, dass der in Anspruch genommene Schuldner im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, was von ihm verlangt wird; diese Prüfung darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und dem Schuldner auf der einen Seite die hinreichende Erkenntnismöglichkeit zu eröffnen, was von ihm an zu duldenden Handlungen verlangt wird, auf der anderen Seite die Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers aber auch nicht unzumutbar zu erschweren, genügt es, dass der erstrebte Duldungserfolg sowie der Umfang der zu duldenden Arbeiten – wie hier – in seinen wesentlichen Umrissen und Schritten im Antrag umschrieben werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2011, a.a.O.)

Nach dem Klagantrag soll – unter Angabe der insoweit konkret erforderlichen Arbeiten – der Austausch aller Fenster in den (d. h. allen vorhandenen) Treppenhäusern geduldet werden. Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht “uferlos” und “nicht nachvollziehbar”; näherer Angaben hätte es vielmehr nur bedurft, wenn die Klägerin nur einzelne Fenster in einzelnen Treppenhäusern auszutauschen beabsichtigen würde.

b) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet die Klägerin sich gegen die Klageabweisung bezüglich der begehrten Verurteilung der Beklagten zur Duldung des Fensteraustauschs in der Wohnung und des Einbaus einer Abluftanlage entsprechend den Angaben in der Modernisierungsankündigung vom 26. Juli 2012.

aa) Offen bleiben kann, ob die Argumentation der Beklagten und ihnen folgend die Begründung des Amtsgerichts, wonach der Duldungspflicht der Beklagten ein urheberrechtlicher Abwehranspruch entgegenstünde, trägt. Die Kammer vermag dem Ansatz nicht zu folgen, weil sie letztlich – ohne hinreichenden Anlass – Rechte des Mieters im Rahmen einer vom Vermieter beabsichtigten Wohnungsmodernisierung verkürzt. Maßgeblich für die Entscheidung über die Pflicht der Beklagten als Mieter zur Duldung der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen sind die (Schutz)Vorschriften des Wohnraummietrechts, hier die §§ 554 BGB a.F. als lex specialis, die nicht erst greifen, wenn sich ein Mieter auf (vermeintliche oder tatsächlich bestehende) Urheberrechte berufen kann.

bb) Dem Anspruch entgegen steht der Härteeinwand nach § 554 Abs. 2, 3 BGB a. F. (§ 555d Abs. 2 BGB n. F.) unter dem Gesichtspunkt der baulichen Folgen, wie dies auch sonst bei vergleichbaren Sachverhalten – einer dauerhaften, den Charakter der Räumlichkeiten verändernden Umgestaltung der Mietsache, etwa auch einer Altbauwohnung – der Fall sein kann.

Nach § 554 Abs. 2 Satz 2, 3 BGB a. F. entfällt die Pflicht des Mieters zur Duldung von Modernisierungsarbeiten, wenn die Maßnahme für den Mieter bzw. den weitergehend in § 554Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. genannten Personenkreis eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter in dem Gebäude nicht zu rechtfertigen ist. Dabei sind nach Satz 3 der Regelung unter anderem die vorzunehmenden Arbeiten und die baulichen Folgen zu berücksichtigen.

Die danach vorzunehmende Wertung entzieht sich einer generellen Betrachtung; sie hat sich – wie schon die Formulierung der Regelung nahe legt – an den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu orientieren. Im Rahmen der Bewertung der baulichen  Folgen kommt es insbesondere darauf an, ob durch die Modernisierung der ursprüngliche Vertragsgegenstand wesentlich verändert wird; unzumutbar kann eine Maßnahme insbesondere dann sein, wenn die Mietsache in einem solchen Maße umgestaltet wird, dass sie mit dem ursprünglichen Vertragsgegenstand nicht mehr vergleichbar ist, ihr Charakter durch weitreichende Ein- und Umbauten grundlegend verändert wird (vgl. BeckOK MietR/Müller BGB § 555d Rn. 47; Blank in: Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 555d Rn. 17; auch: LG Duisburg, Urt. v. 10.05.2000 – 23 S 74/00, in: NZM 2000, 1000, [1001]).

Nach diesen Maßstäben ist hier mit Blick auf die baulichen Folgen eine Härte deshalb anzunehmen, weil der mit dem beabsichtigten Austausch der Fenster in der Wohnung verbundene Einbau einer Abluftanlage entsprechend der hier zu bewertenden Modernisierungsankündigung vom 26. Juli 2012 den Charakter der Wohnung ohne hinreichend gewichtigen Grund in einem Maße verändert, der auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Klägerin nicht zu rechtfertigen ist. Zuzugeben ist der Klägerin, dass sie aufgrund der Regelungen der EnEV, aber auch zur Herstellung zeitgemäßer Wohnverhältnisse gehalten ist, die aus der Zeit der Errichtung des Gebäudes zu Beginn der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stammenden, mit den damals zur Verfügung stehenden Materialien (hier: Nadelholz) hergestellten Fenster auszutauschen, dies in einer Weise, die den heute geltenden Vorschriften und Wohnverhältnissen entspricht. Den dringenden Instandsetzungsbedarf stellen die Beklagten auch nicht in Abrede, vielmehr machen sie ihn gegenüber der Klägerin nachdrücklich geltend. Ebenfalls im Ansatz zu Recht verweist die Klägerin darauf, dass sie – aufgrund der allgemeinen Erkenntnis und der darauf reagierenden Regelungen der EnEV – verpflichtet ist, den Einbau der Fenster in der von ihr  beabsichtigten Art und Weise durch ein Lüftungskonzept als Begleitmaßnahme zu unterlegen, um Gebäudeschäden und einer Verschlechterung der Wohnverhältnisse durch Schimmelbildung zu begegnen.

Entgegen der (zunächst im Rahmen dieses Rechtsstreits vertretenen) Auffassung der Klägerin ist sie dabei nicht auf das von ihr in der Modernisierungsankündigung mitgeteilte Lüftungskonzept mangels Alternativen beschränkt. Insoweit hat das Amtsgericht – im Ansatz zutreffend – auf die Einzigartigkeit des vom Bauhaus-Architekten konzipierten “Hauses auf dem Haus” Bezug genommen. Das geplante – von den Beklagten im Rahmen einer umfangreichen Fotodokumentation hinsichtlich der optischen Auswirkungen visualisierte – Belüftungssystem aus Abluftleitungen und einer Umkofferung mit den Maßen 20 x 50 cm würde den Charakter der luftigen, teilweise durch verglaste Flügeltüren verbundenen Räumlichkeiten nicht nur beeinträchtigen, sondern zerstören, ohne dass die Klägerin (zunächst) die Möglichkeit von Alternativkonzepten hinreichend erwogen und diesbezügliche Ergebnisse dargelegt hätte. Den besonderen “Wert” der hier gegenständlichen, im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung stellt diese selbst auch nicht (mehr) in Abrede.

Soweit sie auf die im Termin der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2015 dargestellten Bedenken der Kammer unter Einbeziehung unter anderem des Landeskonservators reagiert und ein neues, die Bedenken aufgreifendes Lüftungskonzept entwickelt hat, kann dieses – außerhalb einer gütlichen Einigung – im Rahmen der von der Kammer zu treffenden Entscheidung über die sich aus der Ankündigung vom 26. Juli 2012 ergebenden Duldungspflichten nicht berücksichtigt werden. Anders als Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558ff. BGB sind Modernisierungsankündigungen einer Nachbesserung nicht zugänglich, sondern müssen neu erklärt werden.

cc) Einer (isolierten) Verurteilung der Beklagten den Hilfsanträgen gemäß zur Duldung des Fensteraustauschs in der Wohnung entsprechend der Modernisierungsankündigung ohne die Duldung des Einbaus der Abluftanlage entgegensteht, dass die Klägerin selbst – ohne weiteres nachvollziehbar – davon ausgeht, dass der Fensteraustausch ohne Abluftanlage oder anderes Belüftungskonzept zu Feuchtigkeit und Schimmelbildung führen wird, was im Übrigen den im Rahmen ihrer Spezialzuständigkeit gewonnenen Erfahrungen der Kammer entspricht und der Reaktion des Gesetzgebers mit den Vorschriften, auf die die Klägerin sich (im Ansatz zu Recht) bezogen hat.

Offen lassen kann die Kammer daher, ob die Beklagten zu Recht den Austausch der Fenster in der Wohnung in der von der Klägerin beabsichtigten Weise verweigern.

Die Wahl zwischen einer Instandsetzung bestehender Fenster oder anderer wesentlicher, im Eigentum des Vermieters stehender Bestandteile der Mietsache oder einem Austausch bzw. einer modernisierenden Instandsetzung steht – in den Grenzen gegebenenfalls zu berücksichtigender gesetzlicher Regelungen – im Ermessen des Vermieters, nicht des Mieters – hier der Beklagten. Das Ermessen mag im Einzelfall so weitgehend reduziert sein, dass sich allein eine Maßnahme als ermessensfehlerfrei und damit duldungspflichtig erweist. Der – von den Beklagten geltend gemachte – Umstand, dass eine Instandsetzung der aus der Nachkriegszeit der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stammenden Fenster nicht ausgeschlossen oder grundsätzlich möglich sein mag, wird allein eine so weitreichende Ermessensreduktion und den damit einher gehenden Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin als Vermieterin schwerlich rechtfertigen können.

c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet die Klägerin sich gegen die zutreffenden Feststelllungen des Amtsgerichts zu dem mit dem Klageantrag zu 1 a) verfolgten Anspruch. Der mit dem Antrag begehrte Erfolg ist ausweislich des Abnahmeprotokolls vom 1. März 2013 unstreitig eingetreten; eine Duldungspflicht der Beklagten besteht damit nicht (mehr). Entgegen der Auffassung der Klägerin kann mit einem Ausspruch in diesem Rechtsstreit keine Bindungswirkung für eine Entscheidung in einem etwaigen nachfolgenden Mieterhöhungsverfahren erreicht werden.

Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil insoweit rechtskraftfähig, als darin über den mit der Klage erhobenen Anspruch – hier ursprünglich den Duldungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten – entschieden wird. Maßgebend für den Umfang der Rechtskraft ist demnach der Streitgegenstand, das heißt der zur Entscheidung gestellte Anspruch und der zugehörige Lebenssachverhalt (vgl. st. Rspr., BGH, Urt. v. 23.09.1992 – I ZR 224/90; Musielak in:  Musielak/Voit, ZPO, 13. Auflage 2016, § 322 Rn. 16, m. w. N., beck-online). Nicht in Rechtskraft erwachsen demnach die Urteilsgründe.

d) Die mit dem Klageantrages zu 1 d) (Optimierung der Heizungsanlage) verfolgte Verurteilung der Beklagten zur Duldung der Maßnahme genügt nach den unter 1 a) bb) dargestellten Maßstäben weder hinsichtlich der Ankündigung den Anforderungen § 554 Abs. 3 BGB a. F. noch hinsichtlich der Beschreibung der Maßnahme im Klageantrag den Vorgaben des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Welche Arbeiten die Klägerin hier durchzuführen beabsichtigt, wie diese sich auf den Gebrauch der Mietsache auswirken und was die Beklagten hier zu dulden haben, bleibt vollkommen offen.”