Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Genügt die Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel, wenn der Vermieter seine Mieterhöhung auf die sich aus dem Mietspiegel ergebende ortsübliche Vergleichsmiete stüzt?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 79/16, Urteil vom 07.09.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin  in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die von diesem inne gehaltene Wohnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus § 558 Abs. 1 BGB.

Die ortsübliche Vergleichsmiete für die vom Beklagten inne gehaltene Wohnung betrug im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens unstreitig 310,32 Euro (6,15 Euro/m2), dies unter Berücksichtigung des unstreitigen Vortrags der Klägerin zu den Wohnwertmerkmalen, die die Höhe des Mietpreises gemäß § 558 Abs. 2 BGB beeinflussen.

a) Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 19. Juni 2015 ist formell wirksam, denn es entspricht den Anforderungen des § 558a BGB; es ist insbesondere entsprechend den Anforderungen des § 558a Abs. 2 BGB begründet worden.

Nach § 558a Abs. 1 BGB ist das Mieterhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Zur Begründung kann auf eines der in Absatz 2 der Vorschrift katalogartig aufgeführten Begründungsmittel Bezug genommen werden, nach § 558 Abs. 2 Ziff. 1 BGB auf einen Mietspiegel im Sinne des § 558c BGB (einfacher Mietspiegel) oder § 558d BGB (qualifizierter Mietspiegel).

Liegt ein qualifizierter Mietspiegel vor und enthält dieser – wie hier – Angaben zu der Wohnung, so schreibt § 558a Abs. 3 BGB zwingend vor, dass der Vermieter diese Angaben in seinem Mieterhöhungsverlangen mitzuteilen hat. Aus Absatz 3 folgt im Umkehrschluss, dass der Vermieter in der Wahl seines Begründungsmittels dessen ungeachtet auch dann frei ist, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt; er muss dem Mieter die entsprechenden Angaben nur (zusätzlich) mitteilen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien wollte der Gesetzgeber das Mieterhöhungsverfahren damit transparenter gestalten. Er ging davon aus, dass die deutlich höheren Anforderungen an den qualifizierten gegenüber dem einfachen Mietspiegel eine besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthaltenen Werte biete, was es rechtfertige, ihn schon an dieser Stelle zum “Maßstab” für die Mieterhöhung zu machen. Allerdings sollte dem Vermieter trotz Vorliegens eines qualifizierten Mietspiegels nicht die Möglichkeit genommen werden, sein Mieterhöhungsverlangen auf andere Begründungsmittel zu stützen, namentlich wenn er der Auffassung ist, dass der qualifizierte Mietspiegel für die konkrete Wohnung nicht die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt und er eine höhere Mieterhöhung geltend machen will (vgl. BT-Ds. 4553, S. 55).

Die Klägerin hat hier “zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete” auf den als Anlage beigefügten Auszug aus dem “derzeit gültigen Mietspiegel Berlin 2015” verwiesen und sich auf diesen ausdrücklich zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens unter Hinweis auf “§ 558a(2) Pkt 1 BGB” bezogen. Da die Klägerin keine Mieterhöhung geltend macht, die über das hinausgeht, was die Mietspiegeltabelle als mögliche ortsübliche Vergleichsmiete für die hier gegenständliche Wohnung ausweist, bedurfte es nicht der zusätzlichen Bezugnahme auf ein Begründungsmittel, das die darüber hinausgehende Mieterhöhung stützt. Die Bezugnahme auf einen Mietspiegel reicht selbst dann, wenn er – wie im Falle eines Reihen- oder Einfamilienhauses der Berliner Mietspiegel – an sich nicht einschlägig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.04.2016 – VIII ZR 54/15, in: WuM 2016, 502; Urt. v. 17.09.2008 – VIII ZR 58/08, in: NJW-RR 2009, 86). Der “vorsichtige” Vermieter wird selbst dann die Angaben zu einem – wie im Falle Berlins von der Gemeinde sowie der ganz überwiegenden Mehrheit der Vermieter und Mieter als solchem anerkannten und genutzten – qualifizierten Mietspiegels mitteilen, wenn er diesen in jeder Hinsicht oder – so die Überlegung des Gesetzgebers – für die konkrete Vertragswohnung als Erkenntnisgrundlage für ungeeignet hält. Anderenfalls geht er das Risiko ein, dass sein Erhöhungsverlangen bereits aus formellen Gründen scheitert.

Mit der Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel ist die Klägerin demnach – formal betrachtet – zum einen ihrer Verpflichtung aus § 558a Abs. 3 BGB nachgekommen. Sie hat sich jedoch nicht darauf beschränkt, denn sie hat das Erhöhungsverlangen auch ausdrücklich mit dem Berliner Mietspiegel 2015 begründet und sich damit auf ein nach § 558a Abs. 2 BGB zulässiges Begründungsmittel bezogen, so dass das Erhöhungsverlangen den Anforderungen des § 558aAbs. 1 BGB genügt.

Der Umstand, dass die Klägerin im Rahmen der Begründung des Mieterhöhungsverlangens einschränkend mitgeteilt hat, dass der Mietspiegel ihrer Auffassung nach “nicht qualifiziert im Sinne des § 558d (1) BGB” sei, ändert nichts daran, dass ein nach § 558a BGB und den von der Rechtsprechung weitergehend entwickelten Anforderungen formell wirksames Erhöhungsverlangen vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll die Begründung bei einer Erhöhung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete sicherstellen, dass der Mieter sich aufgrund der mitgeteilten Daten darüber schlüssig werden kann, ob er der Mieterhöhung zustimmen will oder nicht. Der Einfluss des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und des Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verbiete es, durch restriktive Auslegung und Handhabung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für ein Mieterhöhungsverlangen die gesetzlichen Beschränkungen übermäßig zu verstärken und den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung der gesetzlich zulässigen Miete zu verkürzen. Die Gerichte dürfen insbesondere nicht Angaben verlangen, die im Gesetz nicht vorgesehen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1986 – 1 BvR 494/85, in WuM 1986, 237 = Grundeigentum 1986, 849; Kammerbeschl. v. 08.09.1993 – 1 BvR 1331/92, in Grundeigentum 1993, 1146).

Nach der diese Anforderungen konkretisierenden ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Erhöhungsverlangen auch im Interesse der Förderung einer außergerichtlichen Einigung – in formeller Hinsicht – Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, dies in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um die Überprüfung zumindest ansatzweise vornehmen zu können (vgl. st. Rspr. BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 41/05, in WuM 2006, 39; Versäumnisurt. v. 12.07.2006 – VIII ZR 215/05, in Grundeigentum 2006, 1162; Urt. v. 12.12.2007 – VIII ZR 11/07, in WuM 2008, 88; Urt. v. 03.02.2016 – VIII ZR 68/15, in MietPrax-AK; BGH, Beschl. v. 26.04.2016 – VIII ZR 54/16, in: WuM 2016, 502; vgl. dem entsprechend bereits: LG Berlin, Urt. v. 23.03.2010 – 65 S 165/09, in Grundeigentum 2010, 985).

Für den Beklagten als Erklärungsempfänger ergibt sich aus dem Erhöhungsverlangen, dass die Klägerin sich zur Begründung der begehrten Mieterhöhung auf den (in Auszügen beigefügten) Berliner Mietspiegel 2015 bezieht und daraus die sachliche Berechtigung der verlangten Mieterhöhung ableitet, was nach den vorstehend dargestellten Maßstäben ausreicht. Soweit sie in dem Schreiben bereits (ohne jede Begründung) in Frage stellt, dass der Mietspiegel den Anforderungen des § 558d BGB genügt, so ist dies unschädlich: nach § 558a Abs. 2 Ziff. 1 Alt. 1 BGB reicht zum einen die Bezugnahme auf einen einfachen Mietspiegel aus; zum anderen trägt die Begründung die begehrte Mieterhöhung formal betrachtet.

Die Begründung genügt auch dann vollumfänglich ihrem Zweck, wenn die Klägerin (ohne jede Begründung) die Qualität des Begründungsmittels in Frage stellt: da die verlangte Miete innerhalb der Mietpreisspanne des Mietspiegelfeldes liegt, das nach den – dem Beklagten auch bekannten – Wohnwertmerkmalen für die von ihm inne gehaltene Wohnung einschlägig ist, kann er sich eine Meinung darüber bilden, ob er die Auffassung der Klägerin teilt, dass der Berliner Mietspiegel 2015 nicht den erhöhten Qualitätsanforderungen des § 558d BGB genügt und sich – zudem eventuell – fragen, was die Klägerin mit dieser Mitteilung bezweckt, wenn denn der Mietspiegel die verlangte Mieterhöhung (sogar) trägt. Formal betrachtet muss die Begründung mehr als die vorgenannten Angaben nicht leisten.

Dem Ergebnis der formellen Wirksamkeit steht deshalb hier auch nicht entgegen, dass die Klägerin sich im Prozess – in formeller Hinsicht – auf das außergerichtlich nach §§ 558ff BGB erklärte Mieterhöhungsverlangen einschließlich Begründung bezieht, nunmehr aber zur Überprüfung seiner Begründetheit auf das (Streng-)Beweismittel des Sachverständigengutachtens.

Dies führt nicht – nachträglich – zur Unwirksamkeit des – nach den oben dargestellten Maßstäben formell wirksamen Erhöhungsverlangens, sondern ist im Rahmen der gesonderten Prüfung seiner materiellen Berechtigung gegebenenfalls eine Frage der richterlichen Überzeugungsbildung, § 286 ZPO (vgl. BT-Ds. 14/4553, S. 54; BGH, Urt. v. 12.12.2007 – VIII ZR 11/07, in WuM 2008, 228; BGH, Beschl., v. 26.04.2016 a. a. O.).”