Archiv für den Monat: Februar 2017

AMV im Lichte der Presse:

Unterwegs in Spandau am 08.02.2017: Streit um Mietspiegel in der Großsiedlung An der Kappe

Die Deutsche Wohnen AG, die in Berlin ca. 110.000 Wohnungen bewirtschaftet und zum 01.07.2016 die Verwaltung der Großsiedlung An der Kappe, Borkzeile, Petzoldweg, Seegefelder Straße in Berlin-Spandau mit ca. 1100 Wohneinheiten übernommen hat, erhöhte Mitte Dezember 2016 in der Wohnanlage die Nettokaltmieten oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete des Berliner Mietspiegels.

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Aus der Rubrik “Wissenswertes”:                      

Liegt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Vermieters vor, wenn bei Abschluss eines Mietvertrags erhebliche Ehedifferenzen bestehen und er später eine Eigenbedarfskündigung auf die nunmehr erfolgte Trennung von seinem Ehepartner stützt?

Die Antwort des Landgerichts Dessau-Roßlau (LG Dessau-Roßlau – 5 T 275/16, Beschluss vom 07.12.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Dessau-Roßlau in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist gegeben.

Die Kündigung ist insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich. Mit zutreffender Begründung lehnt das Amtsgericht einen Rechtsmissbrauch ab. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil v. 04.02.2015 – VIII 154/14) liegt rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht schon dann vor, wenn der Vermieter “einen künftigen Eigenbedarf bei Abschluss des Mietvertrags zwar nicht konkret erwägt, aber bei vorausschauender Planung aufgrund hinreichend konkreter Anhaltspunkte hätte in Erwägung ziehen müssen(…).” Vorliegend sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich – wenn überhaupt – mehr als eine Erwägungsgrundlage ergeben hätte.

Widersprüchliches Verhalten des Vermieters ist nicht bereits dann anzunehmen, wenn der Vermieter das Entstehen eines künftigen Eigenbedarfs (als bloße Möglichkeit oder aufgrund konkreter Anhaltspunkte) hätte vorhersehen können oder müssen, sondern verlangt hierfür das Vorliegen eines über die Fahrlässigkeit hinausgehenden subjektiven Elements, nämlich die “Absicht” (das “Entschlossensein”), den Wohnraum einer baldigen Eigennutzung zuzuführen, oder zumindest das (ernsthafte) “Erwägen” einer solchen Nutzung (BGH a.a.O. mwN).

Ein Vermieter, der eine Eigenbedarfskündigung auf nach Abschluss des Mietvertrags entstandene Umstände stützt, deren Eintritt möglich oder sogar konkret vorhersehbar, von ihm aber bei Vertragsschluss nicht erwogen worden war, setzt sich hierdurch mit seinem früheren Verhalten regelmäßig schon nicht inhaltlich in Widerspruch.

Im Übrigen ist der Entschluss des Vermieters, sein Eigentum selbst oder für seine Familien- oder Haushaltsangehörigen (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) zu nutzen, Teil der durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Verfügungsbefugnis und infolgedessen nur eingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung unterworfen (BVerfGE 79, 292, 305). Zu der sich aus dem Eigentumsgrundrecht ergebenden Befugnis des Vermieters gehört auch die Entscheidung darüber, von welchem Zeitpunkt an ein Wohnbedarf Anlass für eine Eigenbedarfskündigung sein soll (BVerfG, NZM 1999, 659, 660). Dabei ist zu beachten, dass der Wunsch, eine bestimmte Wohnung zu nutzen, sich nicht ausschließen oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen lässt (BVerfGE 79, 292, 305; BVerfG, NJW 1994, 309, 310). Die Gerichte dürfen dem Vermieter daher keine mit rechtlichen Risiken behaftete Lebensplanung ansinnen, die er im Rahmen seines Rechts, sein Eigentum nach seinen Vorstellungen zu nutzen, nicht anzustellen brauchte (BVerfG, NJW-RR 1993, 1357, 1358; NJW 1993, 2166, 2167).

Widersprüchliches Verhalten des Vermieters kommt dann in Betracht, wenn er anlässlich des Vertragsschlusses von sich aus oder auf konkrete Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben (“Wissenserklärung”) über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen macht (BGH a.a.O.). Dabei kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere den Inhalt der vom Mieter gestellten Fragen an. Fahrlässige Falschangaben zu solchen Tatsachen oder gar (schuldhafte oder schuldlose) Fehleinschätzungen über die Entwicklung der Eigenbedarfssituation können dagegen nicht die Grundlage für ein widersprüchliches Verhalten bilden (BGH a.a.O). Vorliegend sind Falschangaben jedoch weder behauptet noch ersichtlich.

Es lässt sich auch allein aus dem Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags kein Vertrauenstatbestand dahin ableiten, dass das Mietverhältnis von längerer Dauer sein werde (BGH a.a.O. m.V.a. Staudinger/Rolfs, § 573 Rn. 116 u.a.). Dagegen spricht schon die gesetzliche Kündigungsfrist des § 573c Abs. 1 S. 1 BGB, die – wenn das Mietverhältnis nicht länger als fünf Jahre gedauert hat – nur drei Monate beträgt. Der Mieter befindet sich damit in einer ähnlichen Situation wie der Vermieter, der bei Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags ebenfalls damit rechnen muss, dass der Mieter gemäß § 573c Abs. 1 S. 1 BGB mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigt.

Eine aus § 241 Abs. 2 BGB oder aus § 242 BGB ableitbare allgemeine Offenbarungspflicht ist schon deswegen auszuschließen, weil der Mieter im Hinblick auf die Veränderlichkeit der Lebensumstände und Lebensplanungen des Vermieters und seiner Familien- und Haushaltsangehörigen (beispielsweise Eheschließung, Geburt, Heranwachsen und Ausbildung von Kindern, Veränderungen im Berufsleben, insbesondere Wechsel oder Verlust des Arbeitsplatzes, Erkrankung, Trennung des Vermieters vom Ehe- oder Lebenspartner, Trennung der Kinder von deren Partnern, Pflegebedürftigkeit der Eltern, des Ehegatten oder der Kinder, Veränderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen etc.) nicht redlicherweise (§ 242 BGB) damit rechnen darf, dass solche durch vielfältige Faktoren beeinflussbaren Umstände für den Vermieter berechenbar sind (BGH a.a.O.). In Anbetracht der beschriebenen Unwägbarkeiten ist ein Vermieter daher nicht aus Gründen besonderer Rücksichtnahme gehalten, den Mieter allgemein über mögliche Entwicklungen aufzuklären (BGH a.a.O.; im Übrigen: Schutz erfährt der Mieter über die Möglichkeit der Vereinbarung eines Kündigungsausschlusses). Es kommt letztlich auf die Kenntnis des Vermieters von der Eigenbedarfssituation beziehungsweise der sie begründenden Umstände an. Für die Ermittlung solcher innerer Tatsachen kommt es auf eine Würdigung der Gesamtumstände an (BGH a.a.O.). Dabei kann auch auf objektive (äußerliche) Umstände zurückgegriffen werden, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Kenntnisstand des Vermieters bilden. Ergeben die Gesamtumstände, dass der Grund für den Eigenbedarf bei Mietvertragsabschluss schon nach Zeit und Umständen konkret vorgelegen hat (BGH a.a.O. m.w.N.), kann dies – sofern nicht die konkreten Umstände des Einzelfalls dagegen sprechen – den Schluss rechtfertigen, dass der Vermieter den Eigenbedarf schon bei Vertragsabschluss (zumindest) erwogen hat.

Indizwirkung kann auch – gegebenenfalls mit weiteren Umständen – den zeitlichen Abläufen zukommen. So kann die Tatsache, dass der Vermieter das Mietverhältnis kurze Zeit nach Abschluss des unbefristeten Mietvertrags kündigt, nahe legen, dass er eine Eigennutzung schon bei Vertragsabschluss beabsichtigt oder zumindest erwogen hat (BGH, Beschluss v. 13.04.2010 – VIII ZR 180/09 -; BGH, Beschluss v. 06.07.2010 – VIII ZR 180/09 -). Umgekehrt kann das Verstreichen einer mehrjährigen Zeitspanne zwischen Vertragsabschluss und Eigenbedarfskündigung – je nach Fallgestaltung – den Schluss zulassen, dass der Eigenbedarf vom Vermieter bei Zustandekommen des Mietvertrags noch nicht erwogen worden ist. Dabei lassen sich aber keine festen Fristen festlegen. Der Tatrichter hat vielmehr unter Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles die Überzeugung zu gewinnen, ob der Ausspruch der Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich ist oder nicht. Eine schematische Betrachtung verbietet sich daher. Bestehende eheliche Differenzen zwischen den Klägern mochten bereits bei Vertragsabschluss bestanden haben, waren aber den Beklagten nicht zu offenbaren und sind nicht geeignet, Rechtsmissbräuchlichkeit zu begründen. So darf in jeder ehelichen Gemeinschaft trotz bestehender Differenzen, die in jeder Art und Abstufung auftreten können, die Hoffnung und der Wunsch und auch der berechtigte Versuch, eine dauerhafte Versöhnung wieder zu erlangen und die Ehe fortzusetzen, unabhängig von Wahrscheinlichkeiten verfolgt werden, denn genau hierauf ist die Ehe ausgelegt. Die Kläger mussten bei Abschluss des Mietvertrags ihre Ehe noch nicht als gescheitert angesehen haben; hierfür spricht insbesondere, dass die Eheleute noch einige Monate zusammen gelebt haben und die Eigenbedarfskündigung erst knapp 1 1/2 Jahre nach Mietvertragsabschluss ausgesprochen wurde.”

AMV im Lichte der Presse:

Unterwegs in Spandau am 07.02.2017: Beabsichtigte Übergabe von 325 Protestunterschriften an Deutsche Wohnen/GSW

Offener Brief an Deutsche Wohnen AG sowie an GSW Immobilien AG

Kommentar des AMV: „Der AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e. V. hofft, dass die Deutsche Wohnen sich auf ein Gespräch einlässt, da so die Möglichkeit eines fruchtbaren Gedankenaustauschs gegeben wäre“, sagte der 1. Vorsitzende des AMV, RA Uwe Piper. „Die Deutsche Wohnen würde ansonsten eine Chance vergeben, mit ihren Mieterinnen und Mietern in einen kostruktiven Diaolog einzutreten. Es hat schließlich noch nie geschadet, miteinander zu reden, im Gegenteil“, meint Piper.

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Aus der Rubrik “Wissenswertes”:                      

Ist es treuwidrig, vom Vermieter etwas einzufordern, das genutzt werden soll, um gegen mietvertragliche Pflichten zu verstoßen?

Die Antwort des Amtsgerichts Wedding (AG Wedding – 5 C 72/16, Urteil vom 12.10.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Wedding in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Außenwasserhahns gem. § 535 Abs. 1 BGB zu. Unstreitig liegt ein Mangel der Mietsache vor, da der Gartenwasserhahn, dessen Zählerstand bei der Übergabe abgelesen wurde, mit zu der vermieteten Wohnung gehört. Ebenso ist unstreitig, dass die Kläger den Wasserhahn nutzen, um nicht nur die Terrasse zu bewässern, sondern auch die vor der Terrasse gelegene Gartenfläche. Da die Gartenfläche ausweislich des von den Klägern vorgelegten Mietvertrages aber nicht mitvermietet wurde, ist es nicht Aufgabe der Kläger, diese Gartenfläche zu wässern. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass sie mit der Bewässerung des Gartens von der Beklagten beauftragt worden sind. Spätestens mit der Klageerwiderung hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sie nicht wünscht, dass die Kläger den Garten bewässern. Wenn die Kläger es gleichwohl machen und daran festhalten – denn die von der Beklagten im Schriftsatz vom 29. August 2016 erbetene Erklärung, dies zukünftig nicht zu tun, haben sie nicht abgegeben, dann verstoßen sie gegen ihre mietvertraglichen Pflichten. Dabei ist unerheblich, ob durch die Bewässerung die darunter gelegene Tiefgarage Schaden nehmen kann. Denn entscheidend ist allein, dass das Gartenstück nicht mitvermietet wurde und dass die Beklagte die Bewässerung durch die Kläger nicht wünscht. Es ist jedoch treuwidrig und verstößt im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses gegen § 242 BGB etwas einzufordern, das dann – jedenfalls überwiegend – genutzt werden soll, um gegen die mietvertraglichen Pflichten zu verstoßen. Insofern besteht kein Anspruch auf Beseitigung des Mangels.”

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Bundesgerichtshof (BGH – VIII ZR 17/16, Urteil v. 18.1.2017)

haufe.de am 06.02.2017: Bei verspäteter Rückgabe kann Vermieter Marktmiete verlangen

Die Nutzungsentschädigung, die ein nach Ende des Mietverhältnisses in der Wohnung verbleibender Mieter zahlen muss, bemisst sich nach der Miete, die der Vermieter bei einem neuen Mietvertrag erzielen könnte (Marktmiete). Die ortsübliche Vergleichsmiete ist hier nicht maßgeblich.

https://www.haufe.de/immobilien/verwaltung/bgh-bei-verspaeteter-rueckgabe-kann-vermieter-marktmiete-verlangen_258_397110.html

AMV im Lichte der Presse:

Unterwegs in Spandau am 06.02.2017: Vorsorge und Selbstbestimmung im Alter

2. Spandauer Mieter- und Verbraucheraktionstag des AMV am 11.03.2017

E I N L A D U N G

2. Spandauer Mieter- und Verbraucheraktionstag des AMV am 11.03.2017

                 – Vorsorge und Selbstbestimmung im Alter –

Der AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e. V. veranstaltet am 11.03.2017 in Berlin-Spandau den 2. Spandauer Mieter- und Verbraucheraktionstag zu dem Thema “ Vorsorge und Selbstbestimmung im Alter“ und lädt alle Verbraucherinnen und Verbraucher herzlich ein.

Wann:    11.03.2017

Wo:        Ev. Zufluchtskirchengemeinde, Westerwaldstraße 16, 13589 Berlin-Spandau

Beginn: 10:00 Uhr

http://www.unterwegs-in-spandau.de/vorsorge-und-selbstbestimmung-im-alter/

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann ein Vermieter gem. § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB bei verspäteter Rückgabe der Mietsache für die Dauer der Vorenthaltung die für vergleichbare Sachen ortsübliche Miete verlangen?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 17/16, Urteil vom 18.01.2017) lautet: Ja!

Zur Begründung führt der Bunbdesgerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. unter den Randnummern 9 bis 26 wie folgt aus:

“II.
9 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
10 Die Kläger können wegen der Vorenthaltung der Mietsache als Nutzungsentschädigung nicht nur die von den Beklagten entrichtete vereinbarte Miete (§ 546a Abs. 1 Alt. 1 BGB), sondern weitergehend auch die für vergleichbare Objekte ortsübliche Miete (§ 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB) verlangen. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger aus § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB anhand der bei Neuabschluss eines Mietvertrages ortsüblichen Miete (Marktmiete), nicht hingegen nach Maßgabe der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 2 BGB) bestimmt.
11 1. Das Berufungsgericht hat – ebenso wie bereits das Amtsgericht – die Neuvertragsmiete, ausgehend vom Befund der erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen, anhand der Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage der Mietsache bestimmt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die – im Revisionsverfahren nicht angegriffene – Heranziehung der vorgenannten Wohnwertmerkmale beruht nicht auf der Anwendung des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern ergibt sich schon daraus, dass diese Gegebenheiten die Mietpreisbildung im Marktgeschehen prägen.
12 2. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht die in den letzten vier Jahren vereinbarten oder geänderten Mieten (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB) bei der Bemessung des Anspruchsumfangs zu Recht außer Betracht gelassen. Der in einem laufenden Mietverhältnis über Wohnraum für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gesetzlich vorgegebene Bezugszeitraum von vier Jahren ist für den Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung bei verspäteter Rückgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht maßgeblich. Das gilt auch dann, wenn der Vermieter keine Neuvermietung beabsichtigt, sondern die Mietsache – wie im Fall der hier erklärten Eigenbedarfskündigung – selbst nutzen will.
13 a) Allerdings entspricht es einer im mietrechtlichen Schrifttum verbreiteten Auffassung, dass sich die für vergleichbare Sachen ortsübliche Miete im Sinne von § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB bei der Beendigung von Wohnraummietverhältnissen nicht nach der ortsüblichen Neuvertragsmiete bestimme. Vielmehr sei gemäß § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB der dort vorgegebene vierjährige Bezugszeitraum zu berücksichtigen. Die Beurteilung der Nutzungsentschädigung als “vertraglicher Anspruch eigener Art” sowie der Gesetzeszweck rechtfertigten es, dem Vermieter diejenige Miete zuzubilligen, die andere Vermieter aufgrund von § 558 BGB durchsetzen könnten (Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Aufl., § 546a Rn. 34; ebenso Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. V.A Rn. 143; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XIII 111; NK-BGB/Klein-Blenkers, 3. Auflage, § 546a Rn. 16; Spielbauer/Schneider/Kern, Mietrecht, 2013, § 546a BGB Rn. 35; wohl auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., § 546a Rn. 11; siehe auch AG Köln, ZMR 2013, 204, 205).
14 Nach anderer Ansicht ist bei verspäteter Rückgabe der Mietsache auch bei beendeten Wohnraummietverhältnissen für den Anspruch des Vermieters aus § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB die bei einer Neuvermietung ortsüblich erzielbare Miete maßgeblich; auf die örtliche Entwicklung der vereinbarten oder geänderten Mieten der letzten vier Jahre komme es nicht an (Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2014, § 546a Rn. 53; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 12. Aufl., § 546a BGB Rn. 59; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., § 546a Rn. 15; MünchKommBGB/Bieber, 7. Aufl., § 546a Rn. 13; BeckOGK-BGB/Zehelein, Stand: Oktober 2016, § 546a Rn. 58 f.; Lützenkirchen, Grundeigentum 2013, 1176, 1178).
15 b) Die letztgenannte Ansicht trifft zu.
16 aa) Gemäß § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB kann der Vermieter bei verspäteter Rückgabe der Mietsache als Entschädigung die für vergleichbare Sachen ortsübliche Miete verlangen. Die in § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgesehene Berücksichtigung der in der Gemeinde in den letzten vier Jahren vereinbarten oder, von Erhöhungen nach § 560 BGB abgesehen, geänderten Bestandsmieten, sieht bereits der Wortlaut des § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht vor. Zudem besteht der Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung bereits nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig davon, ob der Vermieter die Mietsache nach ihrer Rückgabe erneut vermieten oder sie – wie in dem hier gegebenen Fall der Eigenbedarfskündigung – selbst nutzen will.
17 bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht des Weiteren auf die Gesetzessystematik abgestellt. Anders als § 546a BGB, der Teil der für alle Mietverhältnisse geltenden allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Mietrechts ist und deshalb nicht nur für Wohnraummietverhältnisse gilt, sind die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete auf (laufende) Mietverhältnisse über Wohnraum zugeschnitten.
18 So entsteht der Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gemäß § 546a BGB etwa nicht erst – wie von § 558a BGB für den Anspruch des Vermieters auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete vorgesehen – durch eine rechtsgestaltende Willenserklärung des Vermieters, nach deren Zugang sich die Vierjahresfrist des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmt. Vielmehr hat der Vermieter, dem nach Beendigung des Mietverhältnisses Räume vorenthalten werden, von vornherein einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten oder, sofern diese höher ist, der ortsüblichen Miete, der auch ohne vorherige Ankündigung rückwirkend geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1999 – XII ZR 215/97, BGHZ 142, 186, 189 ff. [zu § 557 BGB aF]; siehe auch BT-Drucks. 14/4553, S. 44 f.).
19 cc) Gegen eine Ausrichtung des § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB an der örtlichen Entwicklung der Wohnraummieten der letzten vier Jahre gemäß § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB spricht darüber hinaus der unterschiedliche Sinn und Zweck beider Regelungen.
20 (1) Im Rahmen der Regelung der §§ 558 ff. BGB über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete, die einerseits die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes erhalten soll, andererseits aber auch den Interessen des Mieters durch die Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete, die Jahressperrfrist, die fünfzehnmonatige Wartezeit, die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB sowie durch das Sonderkündigungsrecht des § 561 BGB Rechnung trägt (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 2007 – VIII ZR 303/06, NJW 2007, 2546 Rn. 11), dient die in § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgesehene Zeitkomponente der ortüblichen Vergleichsmiete auch dazu, im laufenden Mietverhältnis eine gewisse Schutzwirkung zugunsten des Mieters zu entfalten, indem sie durch die Bemessung des Bezugszeitraums die Dynamik der Mietpreissteigerung in Gemeinden mit steigenden Mietpreisen in dem vom Gesetzgeber als maßgeblich erachteten Umfang abfedert (vgl. Staudinger/Emmerich, aaO, § 558 Rn. 3, 21, 26).
21 (2) Dazu besteht bei einem beendeten Mietverhältnis jedoch keine Veranlassung mehr. § 546a BGB hat dementsprechend ein anderes Ziel, welches auch anhand der Gesetzesmaterialien deutlich wird.
22 (a) Die Materialien zum Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) stellen ausdrücklich darauf ab, dass es im Rahmen von § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB auch im Wohnraummietrecht darauf ankommt, was bei einer Neuvermietung der Wohnung ortsüblich erzielbar gewesen wäre. Die für eine Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß §§ 558 ff. BGB geltenden Beschränkungen sind im Gesetzgebungsverfahren hingegen nicht herangezogen worden.
23 Im Wohnraummietrecht kann, wie die Gesetzesbegründung insoweit hervorhebt, “zwischen Wirksamwerden der Kündigung und endgültiger Räumung der Wohnung durch den Mieter unter Umständen ein längerer Zeitraum liegen, über den hinweg die Wohnung dem Vermieter vorenthalten wird und der deshalb gehindert ist, durch eine Neuvermietung eine (höhere) ortsübliche Vergleichsmiete zu erzielen” (BT-Drucks., aaO). Unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Risikoverteilung sei es nicht einzusehen, dass der Vermieter sich mit der vereinbarten (geringeren) Miete begnügen müsse, wenn sich später im Rahmen eines Rechtsstreits herausstelle, dass die Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen sei. Dieses Risiko liege vielmehr in der Sphäre des Mieters, der trotz Kündigung in der Wohnung verbleibe (BT-Drucks., aaO). Damit hat der Gesetzgeber sichtlich einen Anspruch auf die bei Neuvermietung erzielbare Miete eröffnen wollen, ohne diesen durch die Zeitkomponente des § 558 Abs. 2 BGB einschränken zu wollen.
24 (b) Auch anhand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird deutlich, dass es nach dem Sinn und Zweck des § 546a BGB bei beendeten Wohnraummietverträgen nicht anders als bei anderen beendeten Mietverhältnissen auf den Maßstab der bei einer Neuvermietung ortsüblich erzielbaren Miete ankommt.
25 (aa) Der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, dass durch die Regelung des § 546a Abs. 1 BGB im Rahmen des nach Beendigung des Mietvertrages bestehenden Abwicklungsverhältnisses ein vertragsähnlicher Anspruch begründet wird (vgl. BGH, Urteile vom 29. Januar 2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rn. 80; vom 23. Juli 2003 – XII ZR 16/00, NZM 2003, 871 unter II 1; vom 11. Mai 1988 – VIII ZR 96/87, BGHZ 104, 285, 290 mwN), durch den ein zusätzlicher Druck auf den früheren Mieter ausgeübt werden soll, die geschuldete Rückgabe der Mietsache zu vollziehen (BGH, Urteile vom 22. März 1989 – VIII ZR 155/88, BGHZ 107, 123, 129; vom 10. Oktober 1990 – VIII ZR 370/89, NJW-RR 1991, 176 unter B II 1 d [zu § 557 BGB aF]; vom 7. Januar 2004 – VIII ZR 103/03, NZM 2004, 354 unter II 2 a; vom 5. Oktober 2005 – VIII ZR 57/05, NZM 2006, 52 unter II 2; vom 27. Mai 2015 – XII ZR 66/13, NJW 2015, 2795 Rn. 21). Das Rechtsverhältnis der Vertragsparteien ist in der Vorenthaltungszeit nur noch auf Abwicklung und damit auf Rückgabe der Mietsache angelegt, die vom Willen des Mieters abhängig ist (BGH, Urteil vom 27. Mai 2015 – XII ZR 66/13, aaO).
26 (bb) Nach dieser Maßgabe wird deutlich, dass sich der Anspruch aus § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB auf die Marktmiete richtet und es dabei auch nicht von Belang ist, ob der Vermieter das Mietverhältnis, wie hier, wegen Eigenbedarfs gekündigt hat und die Mietsache in Zukunft selbst nutzen will. Denn der bezweckte Druck zur Rückgabe der Mietsache wäre beeinträchtigt, wenn sich der Mieter noch in der Vorenthaltungszeit darauf berufen könnte, dass die für vergleichbare Sachen ortsübliche Miete wie in einem noch laufenden Mietverhältnis unter Berücksichtigung des in § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgesehenen Bezugszeitraums zu bestimmen sei, oder dass der Vermieter die Mietsache selbst nutzen wolle.”

AMV im Lichte der Presse:

Spandauer Volksblatt am 06.02.2017: Mietrecht und Reparaturen

20. Mieter- und Verbraucherstammtisch des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV)

Wann? 15.02.2017 19:30 Uhr

Wo? TSV Spandau 1860 Restaurant und Tanzsportzentrum, Askanierring 150, 13585 Berlin

Der 20. Mieter- und Verbraucherstammtisch des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes findet am Mittwoch, 15. Februar, um 19.30 Uhr im Restaurant TSV Spandau 1860, Askanierring 150, statt. Assessor Marcel Eupen referiert zum Thema „Schönheitsreparaturen im Mietrecht“. Wer dazu Fragen hat, sollte unbedingt den Mietvertrag mitbringen, da viel von den dortigen Formulierungen abhängt. Die Teilnahme ist kostenlos.

http://www.berliner-woche.de/spandau/bildung/mietrecht-und-reparaturen-d118168.html