Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist eine Bürgschaft wirksam, die ein Dritter dem Vermieter unter der Bedingung gegeben hat, dass ein Wohnraummietvertrag zustande kommt?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 6 O 70/16, Urteil vom 01.09.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen selbstschuldnerischen Bürgschaft vom 23.7.2015 zu.

Weder steht ihm ein Herausgabeanspruch gemäß § 812 Absatz 1 Satz 1 BGB wegen Übersicherung der Beklagten gemäß § 551 Abs. 4 BGB (1.), noch ein solcher gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB aufgrund der Kündigung des Mietverhältnisses durch die Zeugin Xxxx (2.) zu.

1. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es an einer Übersicherung der Beklagten im Sinne des § 551 Abs. 4 BGB fehlt, da der Kläger die streitgegenständliche Bürgschaft der Beklagten freiwillig angeboten hat, damit die Zeugin Xxxx die Wohnung im Xxxx erhält. Gibt unaufgefordert ein Dritter dem Vermieter eine Bürgschaft unter der Bedingung, dass ein Wohnraummietvertrag zustande kommt, und wird dadurch der Mieter nicht erkennbar belastet, so ist die Bürgschaft nach Eintritt der Bedingung wirksam (BGHZ 111, 361 ff).

Wie der Kläger mit der Klageschrift vorgetragen hat, hätte die Zeugin Xxxx aufgrund ihrer damaligen finanziellen Situation, die Wohnung im Xxxx nicht erhalten, so dass er aus freundschaftlicher Verbundenheit die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen hat.

Der Zeuge Xxxx, Mitarbeiter der Beklagten hat dies mit seiner Aussage zum Zustandekommen der Bürgschaftserklärung glaubhaft und nachvollziehbar bestätigt. Er hat glaubhaft und ohne Belastungstendenz gegenüber dem Kläger bekundet, dass der Kläger zunächst selbst als Mietpartei in den Mietvertrag für die Zwei-Zimmer-Wohnung im Xxxx neben Frau Xxxx eintreten wollte, damit diese die Wohnung erhält, da ihre (Frau Xxxxs) finanziellen Mittel zur Anmietung nicht ausgereicht hätten. Da er, der Zeuge Xxxx aus den überreichten Unterlagen ersehen konnte, dass der Kläger ein Eigenheim hat und ein gestandener Geschäftsmann sei, habe er ihm die Möglichkeit der Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft als weitere Alternative aufgezeigt. Soweit der Zeuge zunächst ausgeführt hat, dass der Kläger die Bürgschaftserklärung dann gleich in seinem Beisein unterzeichnet habe und auf Nachfrage des Klägervertreters hiervon abrückte, da er unsicher wurde, so vermag dies an seiner Glaubwürdigkeit nichts zu ändern. Vielmehr ist nachvollziehbar, dass er, der er täglich mit der Vermietung von Wohnungen zu tun hat, sich konkret an den Einzelfall nach dem Zeitablauf nicht erinnern kann und insoweit lediglich geschlussfolgert hat, dass die Unterschriftsleistung in seiner Gegenwart erfolgte. Da die selbstschuldnerische Bürgschaft auch von der Zeugin Xxxx unterzeichnet worden ist, die bei keinem der Gespräche mit dem Zeugen Xxxx vor Mietvertragsunterzeichnung anwesend war, korrigierte der Zeuge seine Aussage.

Der Zeuge Xxxx hat glaubhaft ausgesagt, dass er die Vermietung der Wohnung an Frau Xxxx im Xxxx nicht davon abhängig gemacht habe, dass der Kläger die Bürgschaft unterschreibt. Sie hätte die Wohnung auch erhalten, wenn der Kläger, wie von ihm zunächst beabsichtigt, als weitere Mietvertragspartei in den Mietvertrag aufgenommen wird. Da der Kläger nach der durchgeführten Beweisaufnahme die Bürgschaft ohne Zwang und freiwillig der Beklagten übergeben hat, liegt ein Fall der Übersicherung im Sinne des § 551 Abs. 4 BGB nicht vor.

2. Die Beklagte schuldet dem Kläger auch nicht die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde aufgrund des Wegfalls des Rechtsgrundes durch eine Kündigung des Mietverhältnisses zwischen Frau Xxxx und der Beklagten.

Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin Xxxx, die sich die Beklagte zu Eigen gemacht hat, stammt die vom Kläger in der Anlage K 3 überreichte Kündigungserklärung aus dem September 2015 nicht von ihr. Die Unterschrift unter der Erklärung stamme zwar von ihr, allerdings sei die Unterschrift auf einem Blankopapier erfolgt, auf dem sich lediglich die Pünktchen, auf denen sie unterschrieben habe, befunden hätten.

Der Kläger hat dies nicht bestritten, so dass der Vortrag der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, mit der Folge, dass es an einer wirksamen, vom Willen der Mieterin, der Zeugin Xxxx getragenen Kündigung fehlt.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, so hat die Zeugin Xxxx die Kündigung mit Schreiben vom 10.10.2015 zurückgenommen. Sie hat insoweit glaubhaft bekundet, dass sie an diesem Tage die Beklagte aufgesucht habe und aus allen Wolken gefallen sei, als man ihr eröffnet habe, dass sie die Wohnung gekündigt habe. Sie habe sofort, auf ihren Knien, handschriftlich, die Kündigung zurückgenommen.

Die Rechtsfolgen einer Kündigung können nach dem Zeitpunkt ihres Zugangs – hier ausweislich der Anlage K 3, 29.09.2015 – weder einseitig widerrufen, noch zurückgenommen werden (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Allerdings haben die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit die Möglichkeit, den Eintritt der Rechtsfolgen einer bereits wirksam gewordenen Kündigung durch – einverständliche – Vereinbarung aufzuheben bzw. zu beseitigen. Bei der Beurteilung der Wirkungen einer solchen Vereinbarung ist danach zu unterscheiden, ob diese vor Ablauf der Kündigungsfrist, also vor Beendigung des Mietverhältnisses getroffen worden ist oder erst danach. Einigen sich die Mietparteien während des bestehenden Mietverhältnisses darauf, die Wirkungen der Kündigung aufzuheben, so schließen sie damit einen Vertrag des Inhalts, dass sie sich gegenseitig so behandeln wollen, als wenn die Kündigung nicht erfolgt wäre. Der gekündigte Vertrag bleibt damit, wenn und soweit keine Veränderung vereinbart wurden, zu den bisherigen Bedingungen unverändert in Kraft (BGHZ 139, 123 ff.). So liegt der Fall hier.

Beide Mietvertragsparteien haben im vorliegenden Fall vor Ablauf der Kündigungsfrist, noch während des bestehenden Mietverhältnisses, eine einverständliche Vereinbarung – spätestens am 02.12./18.12.2015 (s. Bl. 33 d.A.) getroffen, mit der die Wirkungen der Kündigung aus dem September 2015 aufgehoben worden sind, so dass das Mietvertragsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht. Zu diesen Bedingungen zählt auch die selbstschuldnerische Bürgschaft, die der Kläger, da der Rechtsgrund fortbesteht, nicht herausverlangen kann.”