Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Wird durch den Anbau eines Balkons und die damit gegebenen erweiterten Nutzungsmöglichkeiten der Gebrauchswert einer Wohnung im Sinne von § 555b Nr. 3 BGB nachhaltig, das heißt dauerhaft, verbessert?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 108/16, Urteil vom 12.08.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. c) wie folgt aus: “Die Klägerin hat gemäß § 555b BGB einen Anspruch auf Duldung des Anbaus eines Balkons vor die Küche der Wohnung und der damit im Zusammenhang stehenden weiteren Arbeiten, nicht jedoch einen Anspruch auf Duldung des Einbaus eines neuen Heizkörpers im Zusammenhang mit der Umpositionierung des vorhandenen alten Heizkörpers.

Diese Maßnahmen erhöhen den Gebrauchswert der Wohnung gemäß § 555b Nr. 3 BGB nachhaltig.

Ob eine den Gebrauchswert erhöhende Maßnahme vorliegt, ist objektiv zu bestimmen, d. h. unabhängig von den Auswirkungen auf das bestehende Mietverhältnis sowie davon, ob die vom Vermieter aufzuwendenden Kosten oder die zu erwartende Erhöhung der finanziellen Belastungen für den Mieter in einem angemessenen Verhältnis zur Verbesserung stehen. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Gebrauchswerterhöhung nicht auf den “zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand” den der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 BGB zu gewährleisten hat – und damit nicht auf das konkrete Mietverhältnis – abgestellt.

Der Maßstab, nach dem beurteilt werden muss, ob der Wohnwert verbessert wird, ist dem gemäß auch nicht die Wertung des derzeitigen Mieters, sondern allein die Verkehrsanschauung (vgl. KG, Rechtsentscheid vom 27.06.1985 – 8 REMiet 874/85, NJW 1985, 2031,zit. nach beck-online). Bei dieser Betrachtungsweise ergibt sich, dass eine Wohnung mit einem Balkon in aller Regel besser vermietbar ist, als eine ansonsten vergleichbare Wohnung ohne Balkon. Allgemein wird, das ist im Sinne von § 291 ZPO offenkundig, eine Wohnung mit einem Balkon einer Wohnung ohne einen solchen vorgezogen.

Durch den Anbau des Balkons werden die Nutzungsmöglichkeiten der Wohnung erweitert, indem ein Heraustreten aus der Wohnung mit einem dortigen Aufenthalt im Freien ermöglicht wird, die Frischluftzufuhr verbessert wird und die Fläche des Balkons neben dem Aufenthalt weitere Nutzungsmöglichkeiten, auch saisonal unterschiedlich (Blumen, Wäschetrocknung, Vorratshaltung) bietet. Durch die damit gegebenen erweiterten Nutzungsmöglichkeiten wird der Gebrauchswert der Wohnung im Sinne von § 555b Nr. 3 BGB nachhaltig, das heißt dauerhaft, verbessert.

Der Beklagten ist zuzugeben, dass im Einzelfall ein Balkon keinerlei Nutzungsvorteil mit sich bringen kann oder ein solcher von so erheblichen Nachteilen begleitet sein kann, dass in der Gesamtwertung eine nachhaltige Verbesserung des Gebrauchswerts der Wohnung nicht eintritt. Ein solcher Fall liegt hier jedoch, insbesondere für die im 3. Obergeschoss liegende Wohnung mit Nordwestausrichtung des geplanten Balkons, auch mit Blick auf die gegebene Hinterhofsituation nicht vor.

Die vom Amtsgericht erkannten Einschränkungen (Lärm auf dem Innenhof, Einsehbarkeit auf den Balkon bzw. erhöhte Einsehbarkeit in andere Wohnungen) sind zunächst in innerstädtischer Berliner Lage häufig anzutreffen und keine Ausnahmesituation. Bei einem Balkon handelt es sich seiner Natur nach um ein Verbindungsglied vor dem Inneren der Wohnung mit seiner relativen Privatsphäre zur Außen- bzw. Umwelt. Ein Balkon ist deshalb stets im stärkeren Umfang von den Bedingungen der Umwelt geprägt, also auch von Lärm in der Umgebung. Selbst Balkone auf verkehrsreichen Straßen mit entsprechendem Verkehrslärm sind dabei nicht vorn vornherein nutzlos, das heißt ohne jeden Nutzungsvorteil für den Mieter. Verkehrs- und anderer Lärm besitzt – bis auf Ausnahmen – in der Regel nicht dauernd eine so hohe Intensität, dass ein Aufenthalt dort gänzlich vermieden wird. Zudem kann ein von Lärm geprägter Balkon jedenfalls auch zu anderen, bereits aufgeführten Zwecken genutzt werden. Hier soll der Balkon nicht auf der straßenzugewandten Seite, sondern auf der Hofseite installiert werden. Geräusche von der Nutzung des Innenhofs durch die Bewohner, auch die Nutzung der Mülltonnen sind ihrer Art jedenfalls nicht andauernd und ständig so störend, dass dieses den üblichen Mieter davon abhalten würde, einen Balkon überhaupt zu nutzen. Es liegt auf der Hand, dass Müllentsorgungen, das Abstellen von Fahrrädern usw. sich in bestimmten Tageszeiten häufen, zu anderen jedoch nur vereinzelt auftreten.

Ebenso führt die von der Beklagten als Trichterfunktion bezeichnete Schallausbreitung in dem Innenhof, die dem Gericht selbst aus eigener Anschauung in anderer Wohnsituation durchaus bekannt ist, noch nicht zu einem Verlust des durch einen Balkon gegebenen Nutzungsvorteils. Auch die Enge des Innenhofs stellt keinen so schwerwiegenden Nachteil dar, dass damit Nutzungsvorteil durch einen Balkon verloren ginge. Der Innenhof ist hier jedenfalls nicht lediglich so klein bzw. eng, dass er wesentlich nur die Funktion eines Lichtschachtes besitzt. Insoweit lag der Fall in dem von dem Amtsgericht herangezogenen Urteil der Kammer etwas anders. Zudem sollen die Balkone für das Hinterhaus nicht zum selben Hof gerichtet werden, so dass eine bei Balkonfassaden durchaus verbreitete und nicht außerordentlich enge Situation vorgesehen ist.

Es gehört zu seiner Natur, dass ein Balkon besser einsehbar ist, als die eigentlichen Wohnräume einer Wohnung. Weite Horizontblicke von einem Balkon sind in der Berliner Innenstadt eher die Ausnahme. Es steht deshalb ein seitlicher Ausblick auf die südliche hohe Brandwand und ein Blick auf das Hinterhaus nicht per se einem Nutzungsvorteil durch den Balkon für einen Aufenthalt im Freien “an der frischen Luft” und die weiter bereits aufgeführten Zwecke entgegen.

Letztlich spricht auch die Ausrichtung des Balkons in nordwestlicher Richtung nicht von vornherein gegen einen sich ergebenden Nutzungsvorteil. Schattig gelegene Balkone, die nur in späten Nachmittags- oder im Hochsommer in den Abendstunden Sonneneinstrahlung unterliegen, bieten – allgemeinkundig, § 291 ZPO – in den Sommermonaten Vorteile für einen längeren Aufenthalt in den Nachmittags- oder Abendstunden, weil sie sich vergleichsweise während der Mittagsstunden weniger aufheizen.

Die stärkere Verschattung der hinter dem Balkon gelegenen Küche ist unvermeidbar und überlagert die Nutzungsvorteile des Balkons ebenfalls nicht. Davon, dass etwa die im 3. Obergeschoss liegende Küche nach Anbau des Balkons nicht mehr durch Tageslicht beleuchtet wäre, kann hier nicht ausgegangen werden. Neben der zur Südseite gerichteten höheren Brandmauer ist der Innenhof zur Nordseite durch eine erheblich niedrigere Mauer vom Nachbarhof getrennt, sodass in Höhe der Wohnung der Beklagten nach Nord- und Nordnordwest ein längerer und ungehinderterer Tageslichteinfall möglich ist, was den von der Beklagten vorgelegten Ausdrucken des Internetdienstes google maps zu entnehmen ist. Da die betroffene Hausfassade des Vorderhauses ungegliedert ist, ergeben sich keine weiteren Verschattungen. Ein gewisser Ausgleich der Verschattung wird durch die erhebliche Vergrößerung der Glasflächen geschaffen; anstelle des jetzt vorhandenen Küchenfensters ist eine 2,01 m hohe und 1,05 m breite Balkontür mit einem zusätzlichen Oberlicht mit 0,55 m Höhe vorgesehen.

Ein Anspruch der Klägerin scheitert letztlich nicht daran, dass das Vorhaben nicht umzusetzen wäre. Zwar besteht kein Duldungsanspruch für Maßnahmen, die dem Vermieter aus (bau-) rechtlichen Gründen nicht erlaubt sind. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin hat bereits eine Baugenehmigung für den Anbau von Balkonen auf der dem Hof zugewandten Fassadenseite des Hauses. Der Anbau von Balkonen verstößt damit nicht von vornherein gegen die Erhaltungssatzung für das Wohngebiet. Auch wenn die Klägerin nun den Balkon – anders als in der Baugenehmigung – nicht vor das Bad setzen will, ergibt sich nicht, dass ihr die veränderte Ausführung (rechtlich) unmöglich wäre. Inwieweit die vorgesehene Maßnahme ansonsten der Erhaltungssatzung widerspräche, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht. Die Frage der zulässigen Mieterhöhung ist in Bezug auf die Verpflichtung zur Duldung der Maßnahmen noch nicht zu prüfen. Die zu erwartende Mieterhöhung hat bei der Abwägung im Rahmen der Duldungspflicht gemäß § 555d Abs. 2 S. 2 BGB unberücksichtigt zu bleiben.

Da sich das Duldungsbegehren auf einen 4 m² großen Balkon beschränkt, sind die Erwägungen, ob die Klägerin nicht doch größere Balkone errichten möchte, für die es unstrittig keine Genehmigung geben wird, nicht erheblich.

Gegen die übrigen, mit dem Anbau des Balkons verbundenen Folgemaßnahmen (Balkontür mit Oberlicht, Verlegung des Heizkörpers und der Rohre in einem Kabelschacht in der Küche) sind erhebliche gesonderte Einwendungen nicht erhoben worden, so dass die Beklagte dementsprechend zu verurteilen ist.

Das Küchenfenster ist unvermeidbar durch eine Balkontür zu ersetzen, gegen das weitere Oberlicht, das zu einem verbesserten Lichteinlass und zu einer besseren Belüftung durch die mögliche Kippstellung führen soll, sind erhebliche Einwendungen nicht erhoben. Auf die Frage, ob mit der Balkontür und dem Oberlicht eine höhere Wärmedämmung verbunden und deshalb vergleichsweise Energie eingespart wird, kommt es hier nicht weiter an.

Eine durch die Berufstätigkeit begründete unzumutbare Härte, den Handwerkern für die in der Wohnung auszuführenden Zutritt zur Wohnung zu verschaffen, ergibt nicht. Nach dem Ankündigungsschreiben benötigt die Klägerseite Zugang zur Wohnung für die vorgesehenen Arbeiten für ca. 3 Wochen bzw. 15 Arbeitstage. Dieses ist ein auch für einen berufstätigen Mieter im Allgemeinen noch hinzunehmender Zeitraum, zumal der Zutritt nicht persönlich gewährt werden muss, sondern auch durch Vertrauenspersonen gewährleistet werden kann.”