Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann eine Verweigerung der Duldung einer Modernisierung grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen?

Die Antwort des Amtsgerichts Wedding (AG Wedding – 18 C 152/16, Urteil vom 05.10.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Wedding in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung nicht zu, § 546 Abs. 1 BGB. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 29.02.2016 beendet worden ist. Weder als fristlose noch als fristgerechte Kündigung hat das klägerische Schreiben vom 29.02.2016 das Mietverhältnis beendet, § 543 Abs. 1, 573 BGB.

Als fristlose Kündigung wäre das Beendigungsverlangen nur dann berechtigt, wenn ein wichtiger Grund vorläge, der den Klägern unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Beklagten und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht als zumutbar erscheinen ließe, § 543 Abs. 1 BGB. Eine gerechtfertigte fristgerechte Kündigung würde voraussetzen, dass dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses zustünde, wobei wegen der sozialen Bedeutung der Wohnung für die Beklagte als Lebensmittelpunkt ein Interesse von Gewicht notwendig wäre, § 573 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Weidenkaff , BGB, 71. Auflage, § 573, Rn 12). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Die im Rahmen von § 543 Abs. 1 BGB anzustellende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bedeutet eine umfassende Würdigung aller maßgeblichen Tatsachen, zum Beispiel die bisherige und künftige Dauer des Vertragsverhältnisses, das bisherige Verhalten der Parteien, die Art, Dauer, Häufigkeit und Auswirkung einer Störung oder Pflichtverletzung, eine eventuelle Wiederholungsgefahr, ein Verursachen, auch Mitverursachung der Beeinträchtigung durch den Kündigenden sowie ein Verschulden des Kündigungsempfängers (Palandt-Weidenkaff, BGB, 71. Auflage, § 543, Rn 33).

Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses ist objektiv zu beurteilen. Sie bezieht sich auf den Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses durch ordentliche Kündigung oder Zeitablauf und muss auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs vorliegen. Eine bloße Zerrüttung des Vertragsverhältnisses reicht nicht aus (Palandt, a.a.O., § 543, Rn 35).

Dabei kann eine Verweigerung der Duldung einer Modernisierung eine Kündigung rechtfertigen. Zwar schließen einige Meinungen in der Literatur eine Kündigung wegen der Verletzung nicht titulierter Duldungspflichten generell ab (so Schüller, a.a.O. Seite 832 unter Hinweis auf LG Saarbrücken ZMR 2008, 975; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Auflage, § 543 BGB, Rn 210). Dabei wird gefordert, dass das Verhalten des Mieters die Tatbestandsmerkmale einer erheblichen und schuldhaften Pflichtverletzung erfüllt. Hierbei werden zum Teil sehr hohe Anforderungen an das Verschulden des Mieters gestellt (Schüller u.a., GE 2015, 830 (832)). Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Mieter auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung zur Duldung und der Androhung eines Zwangsgeldes sich immer noch weigert, die Modernisierungsarbeiten zuzulassen (Schüller, a.a.O., Seite 832 unter Hinweis auf LG Berlin ZMR 2011,550).

Demgegenüber kann nach der Entscheidung des BGH VIII ZR 281/13 vom 15.04.2015 einem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage und Erwirkung eines Titels unzumutbar sein, so dass eine fristlose oder/ und ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann (BGH a.a.O., Rn 20).

Auch nach dieser Entscheidung ist aber eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen entscheidend (BGH a.a.O., Rn 20).

In eine solche Einzelfallprüfung ist etwa einzubeziehen, um welche Arbeiten es im Einzelnen geht, wie umfangreich und dringend sie sind, welche Beeinträchtigungen sich hieraus für den Mieter ergeben, welche Bedeutung die alsbaldige Durchführung der Arbeiten aus wirtschaftlicher Sicht für den Vermieter hat und welche Schäden und Unannehmlichkeiten dem Vermieter durch einen verzögerten Zutritt entstehen (Schüller, a.a.O., Seite 832).

Diese Abwägung ergibt vorliegend, dass auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte die Modernisierungsarbeiten verweigert hat, die Vertragsfortsetzung für die Kläger nicht unzumutbar ist und ein berechtigtes, ausreichend gewichtiges Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht besteht.

Dabei berücksichtigt das Gericht zunächst, dass sich die verweigernde Haltung der Beklagten lediglich auf die Durchführung und von Modernisierungsarbeiten und nicht auch eine Instandsetzung der Trinkwasserleitungen bezieht. Unstreitig haben die Handwerker die Wohnung der Beklagten am 01.02.2016 nicht nur wegen der Maßnahmen an der Wasserleitung aufgesucht, sondern haben bei ihrer Begehung auch den Heizungseinbau thematisiert und sich von dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 28.01.2016 (Verweigerung der Modernisierungsarbeiten, aber Bereitschaft zur Duldung der Instandsetzungsarbeiten) uninformiert gezeigt.

Dass die Beklagte in der Folgezeit weitere lediglich auf die Instandsetzung bezogene Termine hätte scheitern lassen, haben die Kläger, die bei ihrem folgenden Vorgehen eine Differenzierung zwischen Modernisierungsmaßnahmen und Instandsetzung nicht vorgenommen haben, nicht vorgetragen. Insofern hat die Beklagte keine für den Erhalt der Mietsache unbedingt nötigen Maßnahmen unterbunden. Es kommt hinzu, dass die Kläger – etwa im Schreiben vom 18.01.2016 – keinerlei Zeitplan bezüglich der Ersetzung der Bleirohre mitgeteilt haben. Vielmehr haben sie die Notwendigkeit dieser Maßnahme lediglich lapidar als Begleiterscheinung zu dem beabsichtigten Modernisierungen angeführt und mitgeteilt, diese “im Zuge der anstehenden (gemeint: Modernisierungs-) Arbeiten durchführen” lassen zu wollen.

Gegen eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung und ein begründetes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses spricht auch der bisherige Ablauf des Mietverhältnisses: Bei dem im Jahre 1999 begonnen Mietverhältnis handelt es sich um ein länger dauerndes Mietverhältnis, welches bei der Ankündigung der Modernisierungsmaßnahmen seit 16 Jahren bestanden hat. Dabei ist mangels jeglichen anderweitigen Vortrags davon auszugehen, dass es sich um ein völlig unauffälliges Mietverhältnis handelte, bei dem weder Mietrückstände noch sonstige Verstöße von Seiten der Beklagten stattgefunden haben. Dieses Mietverhältnis bestand zudem ganz lange Zeit nicht zwischen der Beklagten und den Klägern, weil die Kläger erst am 09.12.2014 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wurden. Bereits sieben Monate nach dieser Eintragung haben die Kläger ihren (zwangsläufig einige Zeit davor gefassten) Plan zur grundlegenden Umgestaltung des Hauses umgesetzt. Dies macht deutlich, dass die Kläger das Haus offensichtlich von vornherein mit der Absicht einer sofortigen grundlegenden Modernisierung erworben haben, ohne Rücksicht auf den bestehenden Charakter des Anwesens und die Bedürfnisse der aktuellen Mieterschaft zu nehmen. So mussten sie von Anfang an damit rechnen, dass sich ein Teil der Mieter gegen die – gegebenenfalls mit hohen Mietsteigerungen verbundenen — massiven Modernisierungsarbeiten wehren würde. Zumindest mit einer gewissen Verzögerung mussten die Kläger angesichts dessen von vornherein rechnen. Dies rechtfertigt eine geringere Gewichtung ihrer Modernisierungsabsichten als derartige Pläne eines langjährigen Vermieters, der im Laufe langer Jahre der Tatsache gewärtig wird, dass sich in Bezug auf sein Grundeigentum mittlerweile grundlegende Modernisierungsmaßnahmen aufdrängen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auf Grund der gewünschten Modernisierung zulasten der Beklagten eine ganz erhebliche Mietsteigerung droht. So macht die angekündigte Erhöhung der Nettokaltmiete einen Betrag von 206,49 € (434,01 € – 227,52 €) aus, was eine 90%-ige Anhebung der (Nettokalt-) Miete bedeutet. Dabei kommt es nicht darauf an, inwiefern die gesamte Mietsteigerung letztlich gemäß § 559 BGB für die Kläger realisierbar wäre, wobei der Beklagten immerhin drohen würde, dass ein (möglicherweise: teilweiser) Ausschluss der Mieterhöhung gemäß § 559 Abs. 4 BGB deswegen nicht stattfinden könnte, weil es sich um Maßnahmen handeln könnte, die die Mietsache lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzen. Jedenfalls lassen die im Raum stehenden erheblichen wirtschaftlichen Folgen die Weigerung der Beklagten, Modernisierungsmaßnahmen durchführen zu lassen, als weniger schwerwiegend erscheinen, so dass den Klägern das Mittel der Kündigung des Mietverhältnisses zum Zwecke der Durchsetzung ihrer Modernisierungsabsichten vorliegend nicht zuzubilligen ist.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kläger naturgemäß ein Interesse daran haben, nicht allein durch die Beklagte daran gehindert zu werden, Modernisierungsmaßnahmen in Ihrem Hause durchführen zu können. Denn zum einen haben mehrere Mieter diesen Maßnahmen widersprochen, so dass nicht die Beklagte allein es wäre, der etwaige Verzögerungen der beabsichtigten Maßnahmen anzulasten wären. Es kommt hinzu, dass nicht ersichtlich ist, dass die Kläger allein durch die Weigerungshaltung der Beklagten an einer grundsätzlichen Durchführung von Modernisierungsarbeiten im Hause gehindert wären. Andere derzeit ebenfalls noch mit Ofenheizung versorgte Wohnungen an die bereits bestehende Heizungsanlage anzuschließen sind die Kläger nicht gehindert. Es ist gerichtsbekannt, dass in derartigen Fällen eine Installation von Heizungen auch lediglich in Teilen des Hauses vorgenommen werden kann und einzelne Wohnungen zunächst von einem Anschluss an die Hauptstränge ausgenommen werden können. Dass die Kläger gehindert würden, den – nicht an die Wohnung der Beklagten anzuschließen Aufzug an der Außenwand des Gebäudes anzubauen und über das Treppenhaus zu betreiben, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insofern blockiert die Beklagte nicht grundliegend die gesamten beabsichtigten Maßnahmen.

Aufgrund dieser Erwägungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das gemäß § 573 Abs. 1 BGB nötige gewichtige Interesse der Kläger an einer Beendigung des Mietverhältnisses gegeben ist, so dass auch die fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses nicht beendet hat.

Angesichts des Fehlens eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses haben die Kläger vorrangig im Rahmen eines Duldungsprozesses gerichtlich klären zu lassen, inwiefern die Beklagte dazu verpflichtet ist, diesem klägerischen Verlangen zu entsprechen und eine entsprechende Umgestaltung der Mietsache hinzunehmen.”