Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Bedarf es bei der Betriebskostenabrechnung für ein teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutztes Grundstück bezüglich der Umlage der Grundsteuer eines Vorwegabzugs für die gewerblich genutzten Einheiten?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 79/16, Urteil vom 10.05.2017) lautet: Nein!

Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. in den Randnummern 14 bis 25 wie folgt aus:

II.

14 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
15 Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens in Höhe eines anteiligen Grundsteuerbetrags von 209,31 Euro verneint. Die von der Beklagten vorgenommene Umlage der Grundsteuer in der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden; insbesondere bedurfte es keines Vorwegabzugs für die gewerblich genutzten Einheiten.
16 1. Entgegen der Auffassung der Revision enthält der Mietvertrag keine Vereinbarung über eine getrennte Abrechnung der auf die gewerblichen Einheiten entfallenden Betriebskosten (sogenannter Vorwegabzug). Mit der Umlage der Betriebskosten “nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen des Hauses” (§ 3 Nr. 4 des Formular-Mietvertrags) wird lediglich geregelt, dass die Betriebskosten – insgesamt – nach dem Flächenmaßstab zu verteilen sind. Die Frage eines Vorwegabzugs wird in der Klausel nicht einmal erwähnt.
17 Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, die Mietvertragsparteien hätten – wie die Abrechnungspraxis der ursprünglichen Vermieterin zeige – die genannte Klausel übereinstimmend dahin verstanden, dass der Vermieter einen Vorwegabzug für die gewerblich genutzten Einheiten vornehmen müsse. Unabhängig davon, ob es sich dabei um neuen, in der Revisionsinstanz unbeachtlichen Tatsachenvortrag handelt, lässt die bloße Abrechnungsweise der Rechtsvorgängerin einen derartigen Schluss nicht zu.
18 2. Auch aus § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB lässt sich, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nichts für eine Notwendigkeit des von den Klägern geforderten Vorwegabzugs bei der Grundsteuer herleiten. Nach dieser Vorschrift sind Betriebskosten, die von einem erfassten Verbrauch oder von einer erfassten Verursachung durch die Mieter abhängen, nach einem Maßstab umzulegen, der dem unterschiedlichen Verbrauch oder der unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Eine erfasste unterschiedliche Verursachung im Sinne dieser Vorschrift scheidet jedoch von vornherein aus, weil die Grundsteuer auf einer einheitlichen Festsetzung durch die Gemeinde beruht und nicht von einem Verhalten der Mieter abhängt. Zudem ergibt sich aus dieser Vorschrift – wie der Senat schon entschieden hat – keine Verpflichtung zu einem Vorwegabzug der auf die gewerblichen Mieter entfallenden Betriebskosten (Senatsurteile vom 8. März 2006 – VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 Rn. 30; vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 251/05, NJW 2007, 211 Rn. 16).
19 3. Auch aus Billigkeitsgründen ist der Vermieter nicht zu einem Vorwegabzug für die Gewerbeeinheiten bei der Grundsteuer verpflichtet.
20 a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist ein Vorwegabzug aus Billigkeitsgründen gemäß §§ 315, 316 BGB (hierzu Senatsurteile vom 8. März 2006 – VIII ZR 78/05, aaO Rn. 16; vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 251/05, aaO) (nur) dann erforderlich, wenn – wofür der Mieter die Darlegungs- und Beweislast trägt – durch die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten (pro Quadratmeter) entstehen (Senatsurteile vom 11. August 2010 – VIII ZR 45/10, NJW 2010, 3363 Rn. 22; vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 46/10, NZM 2011, 118 Rn. 21 f.; vom 8. März 2006 – VIII ZR 78/05, aaO Rn. 31 und Ls 1; vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 251/05, aaO Rn. 15 f.).
21 b) Gemessen an diesem Maßstab hat das Berufungsgericht die Notwendigkeit eines Vorwegabzugs bei der Grundsteuer rechtsfehlerfrei verneint.
22 Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der Grundsteuer um eine ertragsunabhängige Objektsteuer, das heißt, die in einem Abrechnungsjahr erhobene Steuer hängt grundsätzlich nicht von den in diesem Jahr erzielten Erträgen und ihrer Verteilung auf die Nutzung zu gewerblichen Zwecken einerseits und zu Wohnzwecken andererseits ab. Vielmehr wird die Grundsteuer auf der Basis der vom örtlichen Finanzamt erlassenen Bescheide über den Einheitswert (hier: 110.600 DM bzw. 56.548 Euro) und den Grundsteuermessbetrag (hier: 565,48 Euro, errechnet im Wege der Multiplikation des Einheitswertes mit der Steuermesszahl 10 vom Tausend) sowie des von der Gemeinde durch Satzungsbeschluss festgelegten Hebesatzes (in Berlin Multiplikator 8,1 [810 %]) ermittelt.
23 Zwar findet bei der Festsetzung des Einheitswertes für ein – wie hier – Grundstück mit einem gemischt genutzten Gebäude das Ertragswertverfahren Anwendung (vgl. §§ 36 ff. BewG). Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, wird dabei ein in der Vergangenheit festgesetzter Einheitswert (wie hier der Bescheid vom 1. Januar 1996) anlässlich eines Eigentümerwechsels in der Regel nicht aktualisiert, sondern wirkt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger (vgl. § 182 Abs. 2 AO). Zudem erfolgt die Festsetzung des Einheitswertes regelmäßig bezogen auf die Wertverhältnisse zu einem weit zurückliegenden Zeitpunkt – hier auf den 1. Januar 1935. Auch die Revision stellt nicht in Abrede, dass es bei der derzeitigen gesetzlichen Regelung und behördlichen Praxis der Grundsteuererhebung keinen direkten Zusammenhang zwischen der im Abrechnungsjahr anfallenden Grundsteuer und der konkreten Nutzungsaufteilung sowie der konkreten Ertragssituation in diesem Zeitraum gibt. Damit fehlt es aber an der maßgeblichen Voraussetzung eines Vorwegabzugs, dass die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten verursacht, die es unbillig erscheinen lassen, die Kosten (ohne Vorwegabzug) einheitlich nach dem Flächenmaßstab zu verteilen.
24 Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Staudinger/ Weitemeyer, Neub. 2014, § 556a BGB Rn. 34 ff. [Rn. 34a: die Aufteilung der Grundsteuer müsse “aus dem Grundsteuermessbescheid herausgerechnet” werden]; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 12. Aufl., § 556a BGB Rn. 84 bis 89; Langenberg/Zehelein, Betriebskosten und Heizkostenrecht, 8. Aufl., F V Rn. 173, F VI Rn. 202 f.; Wall, Betriebskostenrecht, 4. Aufl., Rn. 3106) ist daher bei der Grundsteuer kein Vorwegabzug “aus Gerechtigkeitsgründen” vorzunehmen. Die Vertreter dieser Auffassung berücksichtigen zum einen den Ausnahmecharakter, der einem Vorwegabzug nach der Rechtsprechung des Senats zukommt, nicht in der gebotenen Weise. Zum anderen wird meist nicht ausreichend erfasst, dass bei dem gegenwärtigen System der Grundsteuererhebung – wie oben ausgeführt – gerade nicht festgestellt werden kann, dass die gewerbliche Nutzung im jeweiligen Abrechnungsjahr deutlich höhere Kosten je Quadratmeter verursacht. Soweit überhaupt erkannt wird, dass es bei der Festsetzung der Grundsteuer für das jeweilige aktuelle Abrechnungsjahr nicht darauf ankommt, ob die Nutzung der Gewerbeflächen und das Verhältnis der Erträge im Abrechnungszeitraum den im Einheitswertbescheid zugrunde gelegten Verhältnissen entspricht (vgl. Langenberg/Zehelein, aaO), wird daraus nicht die nach der Senatsrechtsprechung zum Vorwegabzug notwendige Rechtsfolge gezogen.
25 Wenn die Revision fordert, der Vermieter müsse für jedes Abrechnungsjahr ermitteln, welche Erträge auf die gewerbliche und auf die Wohnnutzung entfielen, und sodann einen Vorwegabzug in Höhe des Anteils der gewerblichen Nutzung am Gesamtertrag im Abrechnungsjahr vornehmen, verkennt sie, dass dies schon deshalb nicht zu einer von den Klägern eingeforderten “gerechteren” Kostenverteilung führen kann, weil die Höhe der im Abrechnungsjahr jeweils umzulegenden Grundsteuer von diesen Umständen gerade nicht abhängt.”