Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Können Eigentümer eines Reihenhauses von anderen Reihenhausnachbarn verlangen, es zu unterlassen, Tabakrauch durch das Öffnen von Fenstern oder Türen ihres Reihenhauses oder den in ihrer Küche vorhandenen Lüfter zu bestimmten Zeiten nach außen zu leiten?

Die Antwort des Landgerichts Dortmund (LG Dortmund – 1 S 451/15, Urteil vom 08.06.2017) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Dortmund in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 3. b) wie folgt aus: “b) Ein Anspruch darauf, die Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, Tabakrauch durch das Öffnen von Fenstern oder Türen ihres Reihenhauses oder den in ihrer Küche vorhandenen Lüfter zu bestimmten Zeiten nach außen zu leiten, war den Klägern nicht zuzuerkennen. Denn hinsichtlich des Lüftungsverhaltens der Beklagten können die Kläger von diesen ein entsprechendes Unterlassen weder gemäß §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB bzw. §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 906 BGB wegen der Geruchsbelästigung noch analog §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB wegen einer von den Rauchimmissionen ausgehenden Gesundheitsgefährdung verlangen.

aa) Ein Anspruch wegen einer nach Maßgabe des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB wesentlichen Geruchsbelästigung, die gerade auf das Lüftungsverhalten der Beklagten zurückzuführen ist, steht den Klägern nicht zu. Dies folgt aus einer Abwägung der den Parteien wechselseitig zustehenden, verfassungsrechtlich verbürgten Rechtspositionen, welche auf das Nachbarverhältnis ausstrahlen.

(1) Die Wohnung der Beklagten stellt deren räumlich-gegenständlich geschützte Lebenssphäre dar, innerhalb derer sie ihren Interessen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen uneingeschränkt nachgehen können, wozu auch das Rauchen gehört. In diesem Zusammenhang muss es den Beklagten unbenommen sein, ihre Wohnung zu lüften. Anders als im Fall der Terrasse ist es den Klägern auch möglich, sich den mit der hiesigen Klage angegriffenen Immissionen, die denjenigen, welche durch das Rauchen auf der Terrasse nach den Bekundungen der vernommenen Zeugen verursacht werden, in ihrer Intensität überdies nachstehen, zu entziehen. Denn ist ihnen die Terrassennutzung nach den getroffenen Feststellungen ggf. nicht möglich, wenn die Beklagten dort rauchen, ohne dass Rauchgerüche von ihnen wahrgenommen werden, haben sie hinsichtlich ihrer Fenster die Möglichkeit, diese zu schließen. Das Maß der Beeinträchtigung fällt vor diesem Hintergrund ungleich geringer aus.

(2) Vor allem würde eine antragsmäße Verurteilung aber zu einer nicht gerechtfertigten mittelbaren Beschränkung einerseits des Rechtes der Beklagten führen, in ihrem eigenen Haus zu rauchen, und andererseits, ihr Eigentum zu lüften oder gar zu verlassen. Denn sobald die Beklagten außerhalb der gewährten Zeiten in ihrer Wohnung rauchten, wären sie nach dem Antrag der Kläger gezwungen, selbst ihre Türen geschlossen zu halten, um nicht Gefahr zu laufen, dass Rauch nach außen dringt.

(3) Schließlich nimmt auch das Nichtraucherschutzgesetz NRW Räume, die ausschließlich der privaten Nutzung dienen, von den Verboten des Gesetzes aus, § 1 Abs. 1 S. 2 NischG NRW.

Bei einer objektiven Auslegung der Vorschrift nach ihrem Wortlaut und Sinn und Zweck kommt damit die Wertentscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, private, geschlossene Räumlichkeiten von Rauchbeschränkungen auszunehmen. Würde den Beklagten das Öffnen ihrer Fenster und Türen aber untersagt, wenn sie rauchen, würde dieser gesetzliche Appell faktisch konterkariert.

Wenn der Bundesgerichtshof den Vorschriften der Nichtraucherschutzgesetze vor diesem Hintergrund indizielle Bedeutung für den Ausgleich der zwischen Privaten herrschenden rechtlichen Beziehungen beimessen will, konnte die hier zu treffende Entscheidung nicht anders ausfallen.

bb) Einen Anspruch analog §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB wegen einer von dem Lüftungsverhalten der Beklagten ausgehenden Gesundheitsgefährdung haben die Kläger nicht bewiesen.

(1) Zwar verweisen die Kläger zu Recht darauf – und dies ist auch gerichtsbekannt -, dass von eingeatmeten Zigarettenrauch eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung ausgeht, die als wesentliche Beeinträchtigung nicht geduldet werden muss (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 25).

(2) Rechtsfehlerfrei geht das Amtsgericht indes davon aus, dass die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden durch das Einatmen der im Tabakrauch enthaltenden krebserzeugenden Substanzen grundsätzlich geringer einzuschätzen ist, wenn nicht in geschlossenen Räumen, sondern im Freien geraucht wird bzw. der Rauch sich durch die Luft außerhalb geschlossener Räume bewegt, weil sich der Rauch in der Luft außerhalb von geschlossenen Räumen schneller verflüchtigen kann, als innerhalb eines Raumes. Dies muss umso mehr gelten, wenn der Rauch in einem geschlossenen Raum entsteht und erst anschließend durch eine Öffnung in die Luft gelangt.

(3) Vor diesem Hintergrund wären die Kläger gehalten gewesen, die aus den Nichtraucherschutzgesetzen folgende Indizwirkung dafür, dass mit dem Rauchen im Freien und erst Recht mit dem Rauchen in der Wohnung der Beklagten keine gesundheitlichen Gefahren für sie durch das Passivrauchen einhergehen, zu erschüttern.

Dies ist den Klägern angesichts der bereits dargestellten Bekundungen der Zeugen nicht gelungen. Denn die Erschütterung dieses Indizes hätte vorausgesetzt, dass sich aufgrund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch Feinstaubpartikel ergeben hätte, die in die Häuser der Kläger gelangt sind (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 27).

(a) Zwar haben die Zeuginnen D und G angegeben, die Fenster angesichts des ständigen Rauches nicht öffnen zu können. Die Aussagen beziehen sich indes im Wesentlichen auf die von dem Rauchen auf der Terrasse ausgehenden Immissionen, insbesondere bzgl. des Schlafzimmers. Auch der Zeuge D2 hat insoweit den in dem Haus seines Sohnes wahrgenommenen Rauch auf das Rauchverhalten der Beklagten im Garten zurückgeführt.

(b) Soweit die vernommenen Zeugen mit Ausnahme der Zeugen T und D2 übereinstimmend bekundet haben, dass Rauch auch vor dem Haus wahrnehmbar sei, und die Zeuginnen D und G angegeben haben, dass Rauch durch das Küchen- und WC-Fenster in die Häuser der Kläger dringe, sind die Bekundungen bereits deshalb nicht geeignet, den fundierten Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch Feinstaubpartikel zu begründen, weil die Kammer davon ausgehen muss, dass die von den Klägern vorgetragenen Rauchentwicklungen vor dem Haus durch den Lüfter verursacht werden und durch den Lüfter jedenfalls keine nennenswerten gesundheitsgefährdenden Feinstaubpartikel emittiert werden, weil ein handelsüblicher Lüfter, von dem die Kammer mangels abweichenden Vortrags auszugehen hat, mit einem Filter ausgestattet ist, der zwar keine Geruchsbelästigung auszuschließen vermag; indes einer Gesundheitsgefährdung gleichwohl vorbeugt.

Dass der Rauch insoweit maßgeblich durch den Lüfter vor das Haus der Beklagten emittiert wird, steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Aussage der Zeugin D. Diese hat nämlich insoweit angegeben, dass sie vor dem Haus keinen Rauch rieche, wenn der Lüfter nicht in Betrieb sei.

(4) Entsprechend war die Kammer auch nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob es aufgrund der geöffneten Fenster der Beklagten in den Häusern der Kläger zu einer gesundheitsschädigenden Feinstaubbelastung kommt.”