Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist ein auf drei Jahre befristeter Formular-Mietvertrag mit Verlängerungsklausel auf unbestimmte Zeit ein Zeitmietvertrag?

Die Antwort des Landgerichts Hildesheim (LG Hildesheim – 7 S 56/16, Urteil vom 02.11.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Hildesheim in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. a) bis e) wie folgt aus: ” Der Kläger ist berechtigt, von der Beklagten zu 1 ausstehende Nettomiete für den Zeitraum von anteilig August 2015 bis Dezember 2015 in Höhe von insgesamt 3.410,00 Euro sowie von den Beklagten zu 2 und 3 für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2015 in Höhe von insgesamt 2.430,00 Euro gemäß § 535 Abs. 2 BGB zu beanspruchen.

Zwischen den Parteien ist ein wirksamer, befristeter Mietvertrag über Wohnraum mit einer Verlängerungsklausel unter dem 11. Februar 2015 zustande gekommen. Bei diesem handelt es sich weder um einen Zeitmietvertrag im Sinne des § 575 BGB, noch haben die Beklagten ihre auf Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam angefochten.

a) Soweit sich die Beklagten in ihrer Berufungsbegründung umfassend mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeit eines wechselseitigen, befristeten Verzichts auf das (ordentliche) gesetzliche Kündigungsrecht (vgl. BGH ZMR 2004, 251; BGH NZM 2004, 734) sowie auch zur ergänzenden Vertragsauslegung bei einer unwirksamen Befristungsvereinbarung (vgl. BGH NJW 2013, 2820; BGH NZM 2014, 235) befassen, kommt es hierauf im vorliegend zu beurteilenden Streitfall nicht entscheidend an. Mit den unter § 2 Ziffer 2 des Mietvertrages sowie in der “Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über Wohnraum” getroffenen Absprachen haben die Parteien schon dem eindeutigen Wortlaut nach einen zunächst auf die Dauer von drei Jahren befristeten Mietvertrag abgeschlossen, der anschließend – per ausdrücklich bei Vertragsunterzeichnung vereinbarter Verlängerungsklausel – automatisch und ohne weiteres Zutun der Parteien in ein unbefristetes Mietverhältnis übergehen soll. Bei der maßgeblichen Beurteilung auf der Grundlage des objektiven Empfängerhorizonts gemäß §§ 157133 BGB können die ausdrücklichen Vertragsregelungen zur Mietzeit (“Die Mietzeit beträgt 3 Jahre, d. h. vom 01.04.2015 bis 31.03.2018. Nach Ablauf der 3 Jahre läuft der Vertrag auf unbestimmte Zeit weiter. Die dann geltenden Kündigungsfristen sind im Mietvertrag unter § 3 festgehalten.”) nicht anders verstanden werden. Diese Regelungen sind eindeutig. Der Wortlaut “… läuft der Vertrag auf unbestimmte Zeit weiter” macht unmissverständlich klar, dass von einem wechselseitigen befristeten Kündigungsverzicht innerhalb eines von Anfang an auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages ebenso wenig ausgegangen werden kann wie von einem befristeten Zeitmietvertrag, der mit Ablauf der Bindungsdauer gleichsam automatisch seine Beendigung finden sollte.

b) Das so mit dem Inhalt eines befristeten Mietvertrages mit einer Verlängerungsklausel zustande gekommene Vertragsverhältnis ist wirksam, auch wenn es sich bei diesen Klauseln um durch den Kläger bei Abschluss des Vertrages gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln sollte (vgl. Schmitt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 575 Rn. 79 u. 81 unter Hinweis auf LG Halle WuM 2006, 572).

aa) Eine in schriftlicher Form vorgesehene, sowohl für den Mieter als auch den Vermieter gleichermaßen geltende Befristung für drei Jahre – insbesondere mit einer Verlängerungsklausel auf unbestimmte Zeit – stellt keine unangemessene Benachteiligung für den Mieter dar (vgl. Schmitt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 575 Rn. 84 ff. m. w. N.). Gerade dessen Interesse an einer dauerhaften Innehabung der Wohnung wird geschützt. Angesichts der vergleichsweise kurzen Bindung wird auch die Dispositionsfreiheit beider Mietvertragsparteien nicht unangemessen beschränkt.

bb) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelungen zur Mietdauer fehlt zudem jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger die Beklagten bei Abschluss des Mietvertrages im Sinne des § 123 BGB arglistig täuschte; ebenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass sich die bei Abschluss des Vertrages volljährigen und geschäftsfähigen Beklagten bei Abgabe ihrer Willenserklärungen in einem Inhalts- oder Erklärungsirrtum im Sinne des § 119 BGB befanden, weshalb sie nicht zu einer Anfechtung berechtigt waren.

c) Die durch die Beklagten zum 30. September 2015 ausgesprochenen (ordentlichen) Kündigungen sind unwirksam, weil die Befristung erst mit Ablauf des 31. März 2018 endet und eine ordentliche Kündigung bis zu diesem Zeitpunkt gerade mit Rücksicht hierauf nach §§ 542 Abs. 1, 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB nicht möglich war.

Das Mietverhältnis ist nicht etwa deshalb ordentlich kündbar, weil der Mietvertrag mangels schriftlicher Mitteilung eines der qualifizierten Befristungsgründe des § 575Abs. 1 Satz 1 BGB gemäß § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB als ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Mietverhältnis zu behandeln wäre. Die im vorliegenden Streitfall zu beurteilende Vertragsgestaltung – ein zunächst befristeter Mietvertrag mit Verlängerungsklausel auf unbestimmte Zeit – unterfällt gerade nicht dem Schutzzweck des § 575 Abs. 1 u. 4 BGB. Mit der Neuregelung des Zeitmietvertrages durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1149) sollte eine Beendigung des Wohnraummietvertrages allein durch Zeitablauf, ohne dass der Mieter Kündigungsschutz genießt, außerhalb der privilegierten Befristungsgründe des § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB verhindert werden. Die Regelung soll den Mieter vor dem von ihm nicht mehr zu beeinflussenden Verlust seiner Wohnung schützen, nicht aber vor einer längeren Bindung an den Mietvertrag (vgl. BGH ZMR 2004, 251). Eine solche Vertragsgestaltung, die den Mieter einer für ihn unabwendbaren Gefahr des Verlustes seiner Wohnung mit Ablauf der Befristung aussetzt, liegt hier gerade nicht vor. Nach den zwischen den Parteien zur Mietdauer getroffenen Vereinbarungen wandelt sich das zunächst bis zum 31. März 2018 befristete Mietverhältnis automatisch und auch vom Kläger als Vermieter nicht einseitig zulasten der Beklagten beeinflussbar in ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit um, so dass der Mieter ab diesem Zeitpunkt in den Genuss des umfassenden mietrechtlichen Kündigungsschutzes kommt. Zugleich steht es den Beklagten als Mietern frei, das Mietverhältnis sodann ordentlich zu kündigen.

Das vorliegend zu beurteilende Mietverhältnis endet also gerade nicht unabänderlich mit dem Auslaufen der Befristung. Eine solche Vertragsgestaltung ist – auch im Lichte des § 575 Abs. 1 BGB – wirksam, ohne dass dafür die Voraussetzungen des § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt worden sein müssten.

d) Da das Mietverhältnis allemal bis zum Ende des Jahres 2015 Bestand hatte, schulden die Beklagten die von ihnen bisher nicht an den Kläger entrichteten Mietzahlungen in Höhe von monatlich 810,00 Euro als Gesamtschuldner, §§ 535 Abs. 2, 421 BGB.

e) Selbst für den Fall, dass der Kläger den Beklagten gegenüber – entsprechend deren erstmaligen Sachvorbringen im vorliegenden Berufungsverfahren – geäußert haben sollte, diese sollten schriftlich kündigen, ergibt sich hieraus keine abweichende Beurteilung. Einer Einvernahme des hierzu durch die Beklagten als Zeugen benannten … bedarf es nicht. Denn es ist durch die Beklagten nichts dafür vorgetragen und auch nicht ansonsten ersichtlich, dass der Kläger mit seiner angeblichen Erklärung zum Ausdruck bringen wollte, geschweige denn zum Ausdruck gebracht hätte, entgegen den verbindlichen mietvertraglichen Vereinbarungen der Parteien eine vorzeitige Kündigung der Beklagten als wirksam zu akzeptieren, sofern sie nur in der ohnehin für die Kündigung von Wohnraummietverhältnissen nach § 568 BGB vorgeschriebenen Form erfolgte. Vor diesem Hintergrund ist die erstmals im Berufungsverfahren durch die Beklagten behauptete Erklärung des Klägers als bloßer Hinweis auf die gesetzlichen Formvorschriften einer Kündigung zu werten. Eine von den mietvertraglichen Vereinbarungen der Parteien abweichende Berechtigung der Beklagten, das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden, folgt hieraus nicht.”