Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Können für sich genommen lediglich geringe Verspätungen und/oder Unterzahlungen bei den Mietzahlungen trotz vorangegangener Abmahnungen eine ordentliche Kündigung rechtfertigen?

Die Antwort des Amtsgerichts Schöneberg (AG Schöneberg – 7 C 186/16, Urteil vom 19.04.2017) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Schöneberg in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Räumungs- und Herausgabeanspruch aus § 546 BGB.

1. Das Gericht hält schon die Kündigung vom 18.08.2016 als ordentliche Kündigung für wirksam. Denn der Kündigung lag zugrunde, dass der Beklagte trotz vorheriger Abmahnung vom 14.07.2016 wegen der vorangegangenen Verspätungen und Minderzahlungen und trotz ausdrücklichen Hinweises, dass eine einzige weitere verspätete Zahlung die Kündigung zur Folge haben werde, auch die Augustmiete verspätet gezahlt hatte. Darin liegt eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Soweit der Beklagte einwendet, ein Schreiben des Klägers vom 14.07.2014 befinde sich nicht in den Unterlagen des Beklagten, hält das Gericht das nicht für ein wirksames Bestreiten des Zugangs der Abmahnung, denn weder stimmt das Datum noch bedeutet das Nichtvorhandensein des Schreibens in den Unterlagen des Beklagten, dass dieser das Schreiben auch nicht erhalten hat. Letztlich kann die Frage aber offen bleiben.

2. Denn spätestens die Kündigung vom 6.09.2016 ist als ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB wirksam und hat das Mietverhältnis zum Fristende (§ 573 cAbs. 1 S. 2 BGB), also zum 31.03.2017 beendet.

Zwar lag zum Zeitpunkt dieser Kündigung tatsächlich kein Zahlungsrückstand vor, der zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 3a und b BGB berechtigt hätte. Denn der Kläger ging bei der Kündigung irrtümlich davon aus, dass die Oktobermiete 2013 noch unbezahlt sei.

Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung greift aber durch. Denn sie ist auf hinreichende Kündigungsgründe gestützt, die im Kündigungsschreiben auch im einzelnen genannt werden.

a) Zum Kündigungszeitpunkt war der Beklagte mit der Zahlung der Septembermiete 2016 in Höhe von 737 Euro in Verzug, und zwar auch dann, wenn man mit BGH VIII ZR 222/15für die Rechtzeitigkeit der Überweisung ausreichen lässt, dass der Zahlungsauftrag am dritten Werktag erteilt wird und das Konto gedeckt ist. Der Beklagte hat eine rechtzeitige Beauftragung der Bank nicht behauptet, und die Zahlung ging auch erst am 12.09.2016 beim Kläger ein.

b) Der Beklagte hat außerdem in den Monaten Februar bis August 2016 die Miete jeweils nicht in voller Höhe bezahlt.

c) Darin liegt eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung, die zur Kündigung berechtigt.

Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung ist im Rahmen einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu klären. Dazu zählen vor allem die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Mietverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens (LG Berlin, 67 S 329/16).

Hier liegen zwar jeweils für sich genommenen geringe Verspätungen der Mietzahlungen vor, und auch die Minderzahlungen wiegen als solche nicht sehr schwer. Besonderes Gewicht erlangen die Pflichtverletzungen aber dadurch, dass der Beklagte sein Fehlverhalten trotz zahlreicher Kündigungen und Abmahnungen völlig unbeeindruckt fortgesetzt hat. Der Beklagte hat schon in 2013 und 2014 die Miete unregelmäßig bezahlt und Rückstände erst nach Abmahnungen bzw. Kündigungen beglichen. Die Septembermiete 2016 hat er verspätet bezahlt, obwohl er kurz zuvor schon wegen der Augustmiete eine Kündigung erhalten hat, die selbst im Falle ihrer Unwirksamkeit jedenfalls als Abmahnung zu sehen ist. Der Beklagte hat durch dieses Verhalten deutlich gezeigt, dass er zu einem vertragstreuen Verhalten nicht bereit ist. Das zeigt sich auch in anderen Sachverhalten wie der Untervermietung trotz abgelaufener Genehmigung, die der Beklagte ebenfalls trotz Abmahnung fortgesetzt hat, und der mietvertraglich geschuldeten Thermenwartung – es würde dem Beklagten zumindest im Rahmen einer sekundären Darlegungslast obliegen, darzulegen, wann er diese Pflicht erfüllt haben will, er kann nicht einfach bestreiten, es unterlassen zu haben. Diese Pflichtverletzungen rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts zwar für sich genommen keine Kündigung, verleihen aber den hier kündigungsrelevanten Pflichtverletzungen im Rahmen der Gesamtabwägung zusätzliches Gewicht. Es gibt keinen Grund, warum der Kläger davon ausgehen können sollte, dass der Beklagte sich in Zukunft vertragstreu verhalten wird. In der Vergangenheit haben weder Abmahnungen noch Kündigungen zu vertragstreuem Verhalten geführt. Dem Kläger bleibt daher, will er das Verhalten des Beklagten nicht weiter hinnehmen, schlicht keine andere Wahl, als zu kündigen und die Kündigung auch durchzusetzen.

d) Gründe, warum das Verhalten des Beklagten nicht schuldhaft sein sollte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere führt eine Depression nicht zur Schuldunfähigkeit. Die Beachtung der mietvertraglichen Zahlungspflichten ist auch keine Leistung, die besondere Fitness voraussetzt. Es hätte genügt, einen Dauerauftrag einzurichten. Warum der Beklagte dazu nicht in der Lage gewesen sein sollte, ist unerfindlich. Er war auch in der Lage, Untermietverträge zu schließen. Er war also ganz offensichtlich nicht völlig handlungsunfähig.

e) Gründe, die im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung trotz Vorliegen eines Kündigungsgrundes zu einer Fortsetzung des Mietverhältnisses führen könnten, liegen ebenfalls nicht vor. Soweit sich der Beklagte auf eine psychiatrische Erkrankung beruft, ist der Sachvortrag unsubstantiiert. Ob ein Wohnungswechsel aus ärztlicher Sicht “zumutbar” ist, ist nicht relevant, da die Zumutbarkeit juristisch beurteilt werden muss. Eine Räumungsunfähigkeit ist damit jedenfalls nicht belegt. Im übrigen geht auch das vorgelegte Attest von einer vorübergehenden Erkrankung aus. Dieser kann durch die Einräumung einer großzügigen Räumungsfrist Rechnung getragen werden.”