Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Entfällt das gesetzliche Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzugs des Mieters nur bei rechtzeitiger völliger Befriedigung des Vermieters?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 193/16, Urteil vom 27.09.2017) lautet: Ja!

Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. a) unter der Randnummer 19 wie folgt aus: “An der daraus folgenden Berechtigung der Klägerin zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietvertrags gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB hat – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – die vorstehend erwähnte, einen Tag vor dem Zugang des Kündigungsschreibens erfolgte Zahlung der Beklagten in Höhe von 402,96 Euro nichts geändert. Denn hierdurch ist der vorbezeichnete Zahlungsrückstand der Beklagten nicht vollständig ausgeglichen worden; es verblieb vielmehr, was auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, eine Restforderung der Klägerin für die beiden hier in Rede stehenden Monate in Höhe von 101 Euro. Die Beklagte ist damit nicht, wie § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB dies für einen Ausschluss der fristlosen Kündigung vorausgesetzt, “vorher” – mithin vor dem Zugang der Kündigung – “befriedigt” worden.

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die einmal entstandenen Kündigungsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB müssten auch noch im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung gegeben sein und die Kündigung sei auch dann nach § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher hinsichtlich des Zahlungsrückstands nicht vollständig befriedigt werde.

aa) Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 14. Juli 1970 (VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27 unter II 4 [zu § 554 BGB aF als der wortgleichen Vorgängervorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB]) entschieden, dass – entsprechend allgemeiner Auffassung – das gesetzliche Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzugs des Mieters nur bei rechtzeitiger völliger Befriedigung des Vermieters entfällt.

Im Urteil vom 23. September 1987 (VIII ZR 265/86NJW-RR 1988, 77 unter II 2 a [zu § 554 BGB aF]) hat der Senat bekräftigt, dass die fristlose Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Verzug vor dem Wirksamwerden der Kündigung durch vollständige Zahlung des gesamten Rückstands beseitigt wird.

Von diesem Erfordernis einer vollständigen Zahlung des Rückstands und damit einer vollständigen Befriedigung des Vermieters ist der Senat auch in seinem Beschluss vom 26. Juli 2004 (VIII ZB 44/03WuM 2004, 547 unter II 3 [zur Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB]) sowie in seinen Urteilen vom 26. Januar 2005 (VIII ZR 90/04WM 2005, 459 unter II 2 d bb), vom 11. Januar 2006 (VIII ZR 364/04NJW 2006, 1585 Rn. 10 [jeweils zu § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB]), vom 21. April 2010 (VIII ZR 6/09NJW 2010, 2208 Rn. 12) und vom 17. Juni 2015 (VIII ZR 19/14, aaO Rn. 37 [jeweils zur Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB]) ausgegangen (vgl. ferner auch Senatsurteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3010 Rn. 21 f.; Senatsbeschluss vom 17. Februar 2015 – VIII ZR 236/14NJW 2015, 1749 Rn. 5).

Diese Rechtsprechung des Senats hat, wie die Revision zutreffend ausführt und auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, sowohl bei den Berufungsgerichten (siehe nur KG, KGR 2008, 935; GE 2016, 459 Rn. 22 f.; LG Köln, ZMR 2002, 428, 429; LG Flensburg, ZMR 2014, 984; siehe ferner LG Köln, NJW-RR 1991, 208f.; LG Berlin, ZMR 1997, 143, 144; GE 2007, 847 Rn. 16) als auch in der Literatur (siehe nur Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 543 Rn. 63.1; Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., § 543 Rn. 23, 27; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 13. Aufl., § 543 BGB Rn. 125, 136; Erman/Lützenkirchen, BGB, 15. Aufl., § 543 Rn. 34; BeckOGK/Mehle, Stand 1. Juli 2017, § 543 Rn. 201; BeckOK Mietrecht/Schach, Stand 15. Februar 2017, § 543 Rn. 57; siehe ferner MünchKommBGB/Bieber, 7. Aufl., § 543 Rn. 55), soweit ersichtlich, einhellige Zustimmung gefunden. Die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung angeführten amtsgerichtlichen Entscheidungen (AG Hamburg-Bergedorf, ZMR 2005, 876, 877; AG Halle (Saale), WuM 2009, 651) sind vereinzelt geblieben.

Der Senat hat seine oben dargestellte ständige Rechtsprechung zuletzt – nach Erlass des Berufungsurteils – durch Urteil vom 24. August 2016 (VIII ZR 261/15NJW 2016, 3437) erneut bestätigt und zusammenfassend ausgeführt, dass eine nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB grundsätzlich gerechtfertigte Kündigung nur unter bestimmten, vom Gesetz im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen ausgeschlossen ist oder unwirksam wird. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Kündigung nach Satz 1 Nr. 3 ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher – das heißt vor dem Zugang der Kündigung – befriedigt wird. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB wird die Kündigung unwirksam, wenn sich der Schuldner von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt. Schließlich wird die Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (sogenannte Schonfristzahlung).

Sämtliche genannten Vorschriften setzen allerdings, was das Berufungsgericht hinsichtlich des hier in Rede stehenden Kündigungsausschlusses nach § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB verkannt hat, eine vollständige Befriedigung des Vermieters voraus (Senatsurteil vom 24. August 2016 – VIII ZR 261/15, aaO Rn. 21 ff. mwN).

bb) Die vom Berufungsgericht hiergegen vorgebrachten Argumente vermögen bereits im Ansatz nicht zu überzeugen. Insbesondere beruht die vorstehend dargestellte Rechtsprechung des Senats nicht, wie das Berufungsgericht meint, auf einer unzulässigen Auslegung des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zu Lasten des Mieters.

(1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht bereits der Wortlaut des § 543Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Kündigung ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter “vorher befriedigt wird”, dafür, dass die Voraussetzungen dieser – grundsätzlich eng auszulegenden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04NZM 2005, 334 unter II 2 c) – Ausnahmevorschrift nicht bereits dann erfüllt sind, wenn der Mieter lediglich eine Teilzahlung leistet und hierdurch erreicht, dass sein ursprünglich mehr als eine Monatsmiete betragender Zahlungsrückstand unter diese Schwelle sinkt. Denn eine solche Teilzahlung ist mit der in § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB geforderten Befriedigung des Vermieters ersichtlich nicht gemeint.

(2) Diese Auslegung entspricht auch dem aus den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Willen des Gesetzgebers. Dieser hat durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) das Recht zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund in § 543 BGB als zentraler Vorschrift zusammengefasst. Hierbei ging der Gesetzgeber davon aus, dass die neue Regelung im Wesentlichen der bisherigen Rechtslage entspricht – welche durch die beiden oben genannten Senatsurteile vom 14. Juli 1970 (VIII ZR 12/69, aaO) und vom 23. September 1987 (VIII ZR 265/86, aaO) sowie die hiermit übereinstimmende allgemeine Auffassung geprägt wurde – und § 543Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB die allgemeine Kündigungsregelung des § 554 Abs. 1 BGB aF wegen Zahlungsverzugs übernimmt (BT-Drucks. 14/4553, S. 43 f.; siehe hierzu auch BT-Drucks., aaO S. 64 [zur Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB]).

(3) Die vom Berufungsgericht vorgenommene gegenteilige Auslegung des § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB ist schließlich auch mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB die Wertung getroffen, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter jedenfalls dann unzumutbar ist, wenn sich der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit einem Teil der Miete in Verzug befindet, der die Miete für einen Monat übersteigt. In einem solchen Fall ist der Vermieter allein aufgrund des Verzuges zur fristlosen Kündigung berechtigt, ohne dass es noch einer Abwägung zwischen Mieter- und Vermieterinteressen bedarf (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14, aaO Rn. 35 mwN).

Der Gesetzgeber ist dem Interesse des vertragsuntreuen Mieters, der einen erheblichen Mietrückstand hat auflaufen lassen, dadurch entgegengekommen, dass er ihm mit § 543Abs. 2 Satz 2 BGB die Möglichkeit der Nachholung der rückständigen Zahlungen bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eingeräumt hat, um im Falle einer bis dahin erfolgenden Befriedigung des Vermieters eine auf den Mietzahlungsverzug gestützte außerordentliche fristlose Kündigung auszuschließen (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14, aaO [zur Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB]). Dem Vermieter wird eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem vertragsuntreuen Mieter mithin nur dann zugemutet, wenn die gesamten Mietrückstände ausgeglichen werden (Senatsurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14, aaO Rn. 37).

Diesen vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Ausgleich der Interessen des Vermieter und des Mieters im Falle des Zahlungsverzugs verkennt das Berufungsgericht grundlegend, wenn es meint, in die Auslegung des § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB dürften allein mieterschützende Erwägungen einfließen.

Mit Recht weist die Revision in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der vertragsuntreue Mieter es anderenfalls in der Hand hätte, einer berechtigten fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses – gegebenenfalls auch mehrfach – dadurch zu entgehen, indem er lediglich eine Teilzahlung vornimmt, die den Gesamtrückstand (knapp) unter die Grenze des für eine solche Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erforderlichen Betrages verringert. Eine solche Möglichkeit des Unterlaufens des Kündigungsrechts des Vermieters soll durch die vom Gesetzgeber gewählte Regelungskonzeption jedoch verhindert werden.

2. Da die Beklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgericht den Zahlungsrückstand hinsichtlich der hier in Rede stehenden Monate Februar und März 2015 auch nicht innerhalb der Schonfrist gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vollständig) beglichen hat, bleibt es auch insoweit bei der Wirksamkeit der von der Klägerin ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses.”