Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Können Mietvertragsparteien eine Kostenmiete vereinbaren, wenn die Wohnung nicht dem öffentlich-rechtlichen Preisbindungsrecht unterfällt?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 502/16, Urteil vom 11.10.2017) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. a) wie folgt aus: “Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht die Unwirksamkeit der Mieterhöhungserklärung vom 22. Dezember 2014 mit der Folge festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, den darin ausgewiesenen Erhöhungsbetrag von 170,17 Euro monatlich an die Beklagte zu zahlen.

Offen bleiben kann die Richtigkeit der von der Klägerin bestrittenen Behauptung der Beklagten, die hier gegenständliche Wohnung unterliege (noch immer) der Preisbindung. Die Kammer hat in dem Urteil der Einzelrichterin vom 19.06.2015 – 65 S 490/14 (= 18 C 161/14 AG Neukölln) diesbezüglich keine der Rechtskraft fähigen Feststellungen getroffen; dem Bewilligungsbescheid vom 19. Oktober 1989 lässt sich nur die Aussage entnehmen, dass die Wohnung in der Vergangenheit der Preisbindung unterlag, nicht aber, dass dies noch der Fall ist. Nach Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit für die Wohnraumförderung auf die Länder im Rahmen der Föderalismusreform 2006 hat sich die Rechtslage mit dem Gesetz über den Sozialen Wohnungsbau in Berlin vom 1. Juli 2011 (unter anderem) gegenüber der im Schreiben der IBB vom 20. März 2006 dargestellten ganz erheblich geändert. Vor diesem Hintergrund kann – wie die Klägerin zu Recht geltend macht – nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Wohnung im maßgeblichen Zeitpunkt der hier gegenständlichen Mieterhöhung noch der Preisbindung unterlag.

Die Fortgeltung der Preisbindung kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, denn sie wirkt sich im Ergebnis nicht aus: unterliegt die Wohnung nicht mehr der Preisbindung, so gelten die §§ 558 ff. BGB für das Mieterhöhungsverfahren unmittelbar; anderenfalls ist die Erhöhung der Miete auf die Kostenmiete, die – wie hier – die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt, nach Auslegung des Vertrages unter Würdigung aller, auch der außerhalb des Vertrages liegenden Umstände gemäß § 10 Abs. 4 Alt. 3 WoBindG jedenfalls ausgeschlossen.

Das Wohnungsbindungsgesetz ist hier (weiter) anwendbar, denn die öffentliche Förderung wurde vor den in § 50 Abs. 1 Wohnraumförderungsgesetz genannten Zeiträumen bewilligt, §§ 1 WoBindG, 50WoFG.

Unterliegt die Wohnung – wie hier unterstellt – der Preisbindung durch öffentlich-rechtliche Vorschriften, können die Parteien die Geltung der Regelungen für preisfreien Wohnraum nicht (uneingeschränkt) durch eine Vereinbarung herbeiführen; ebenso wenig können sie im umgekehrten Fall die für den preisfreien Wohnraum geltenden Vorschriften zugunsten des Mietpreisbindungsrechts (uneingeschränkt) “abwählen.”

Die Preisbindung im Sinne einer Beschränkung des Entgeltes auf die Kostenmiete als höchst zulässiger Miete steht nicht zur Disposition der Mietvertragsparteien, § 8 Abs. 1 WoBindG; soweit das vereinbarte Entgelt die Kostenmiete übersteigt, ist die Vereinbarung vielmehr (ohne weiteres) unwirksam, § 8 Abs. 2 WoBindG. Das gilt ebenso für die Vereinbarung der Kostenmiete bei preisfreiem Wohnraum, wenn diese die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt, § 557 Abs. 4 BGB. Beide Regelungen sind zwingend und knüpfen objektiv allein daran an, ob die jeweilige Wohnung als öffentlich gefördert gilt oder nicht.

Vereinbaren die Parteien die Kostenmiete, ohne dass die Wohnung dem öffentlich-rechtlichen Preisbindungsrecht unterfällt, kann es sich aber um eine wirksame vertragliche Beschränkung des Erhöhungsrechts nach § 557 Abs. 3 BGB handeln (vgl. BGH, Urt. v. 21.01.2004 – VIII ZR 115/03, WuM 204, 282; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., 2017, Vor § 557 Rn. 53).

Denn ein Verstoß gegen die Regelung liegt nicht vor, wenn die Anhebung der Miete bei preisfreiem Wohnraum in den Grenzen und nach dem Verfahren der §§ 558 ff. BGB (nur) unter die zusätzliche Bedingung der Änderung der Kostenmiete gestellt wird (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 122/05,NZM 2007, 283; v. 21.01.2004 – VIII ZR 115/03, WuM 204, 282; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., 2017, Vor § 557 Rn. 53; Bub/Treier/v. Brunn/Schüller, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap II Rn 113); wirksam ist auch ein vollständiger Ausschluss der Erhöhung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete (“soweit”) und die Beschränkung auf den Fall der Änderung der Kostenmiete, die allerdings wegen §§ 557 Abs. 4, 558 Abs. 6 BGB nicht die ortsübliche Vergleichsmiete überschreiten darf. Das Mieterhöhungsverfahren nach den §§ 558 ff. BGB kann zugunsten eines einseitigen Erhöhungsrechtes des Vermieters in keinem Fall wirksam ausgeschlossen werden, §§ 557 Abs. 3, 558 Abs. 6, 558a Abs. 5, 558b Abs. 4 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 122/05, a.a.O.).

Nach § 557 Abs. 3 BGB kann ein solcher Ausschluss – ausdrücklich oder stillschweigend – vereinbart werden oder sich aus den Umständen ergeben. Die Annahme der letztgenannten Alternativen setzt eine umfassende Auslegung des Vertrages einschließlich der außerhalb des Vertrages liegenden Umstände voraus (vgl. BGH, Urt. v. 21.01.2004 – VIII ZR 115/03. a.a.O.).

Für den umgekehrten Fall – des preisgebundenen Wohnraums – kann nichts anderes gelten. Die dem Wortlaut nach vergleichbare (mieterschützende) Regelung in § 10 Abs. 4 WoBindG sieht die Möglichkeit eines vollständigen oder teilweisen Ausschlusses (“soweit”) der einseitigen Mieterhöhung durch ausdrückliche Vereinbarung mit dem Mieter vor, zusätzlich – allein für den preisgebundenen Wohnraum relevant – eine entsprechende Vereinbarung mit einem Dritten (regelmäßig dem öffentlichen Fördergeber); der Ausschluss kann sich – ebenso wie nach § 557 Abs. 3 Alt. 2 BGB – auch aus den Umständen ergeben.

Das Vorliegen der letztgenannten Voraussetzungen hat das Amtsgericht hier zu Recht bejaht.

Aus dem Mietvertrag und dem von den Parteien vorgelegten Schriftverkehr ergibt sich, dass die Beklagte, über die rechtlichen Grenzen des Wohnungsbindungsgesetzes hinaus, die sie bindenden Preis- und Mieterhöhungsregeln bewusst ausschließen wollte; ob sie dabei der (Fehl- )Vorstellung unterlag, dass dies wirksam in dem von ihr zugrunde gelegten Umfang möglich ist oder sich bewusst darüber hinwegsetzte, kann offen bleiben. Es hindert unter den hier gegebenen Umständen und nach den eingangs dargestellten Maßstäben nicht die Annahme, dass sie an den Ausschluss in dem rechtlich zulässigen Maß gebunden ist.

Dem liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Wenige Monate vor Mietvertragsschluss mit der Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 20. Februar 2006 bezüglich eines möglichen Wegfalls der Belegungs- und Preisbindung bei Rückzahlung des Aufwendungsdarlehens bei der IBB nachgefragt, diese mit Schreiben vom 20. März 2006 unter anderem mitgeteilt, dass eine (etwaige) Rückzahlung des Auswendungsdarlehens zum Barwert nach der (damaligen) Rechtslage nichts daran ändert, dass der Wohnraum des Objektes weiterhin – voraussichtlich bis 31. Dezember 2037 – der Preisbindung unterliegt. Die Beklagte ist in dem Schreiben umfassend über die – zum damaligen Zeitpunkt geltende – Rechtslage informiert worden.

Dem Wortlaut des zeitlich danach am 29. Mai 2006 geschlossenen Mietvertrages lässt sich sodann kein Hinweis auf eine Preisbindung des an die Klägerin vermieteten Wohnraums entnehmen. An keiner Stelle des Formularmietvertrages sind die Wohnräume als solche bezeichnet. In § 4 Ziff. 5 des Mietvertrages werden Mieterhöhungen bei Preisbindung bzw. fehlender Preisbindung des Wohnraums nacheinander dargestellt, wobei offen bleiben kann, ob die preisgebundenen Wohnraum betreffende Mietanpassungsklausel (auch) vor dem Hintergrund des fehlenden Hinweises auf die Preisbindung im Mietvertrag dem aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB abgeleiteten Transparenzgebot (noch) genügt (anders die Situation in: BGH, Urt. v. 05.11.2003 – VIII ZR 10/03WuM 2004, 25).

Mit Blick auf die hier vorzunehmende Würdigung entscheidend hinzu kommt, dass die Beklagte sich in Kenntnis der Höhe der Kostenmiete nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung 2005 und der von ihr geführten Korrespondenz mit der IBB über die Preisbindung hinweggesetzt und eine (deutlich) über der Kostenmiete liegende Miete vertraglich vereinbart hat. Sie hat nach eigenen Angaben im Schreiben vom 5. Dezember 2013 die letzte Wirtschaftlichkeitsberechnung im Jahr 2005 – wenige Monate vor Vertragsschluss – erstellt; diese soll eine Kostenmiete von 5,2362 Euro/m2 ausgewiesen haben; vertraglich vereinbart wurde jedoch eine Nettokaltmiete von 6,56 Euro/m2.

Danach deuten die Umstände bei Vertragsschluss darauf hin, dass die Beklagte die Mietpreisbindung bewusst und vollständig ausschließen wollte. Weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des mieterschützenden Regelungsgehaltes des WoBindG, insbesondere der §§ 8 Abs. 2, 10 Abs. 4 WoBindG lässt sich ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der sich aus dem Umständen ergebende Ausschluss insgesamt unwirksam ist, wenn der Vermieter sich (bewusst) über seine rechtlichen Befugnisse hinwegsetzt und einen weitergehenden als den erlaubten Ausschluss vornimmt. Darauf deutet insbesondere der Wortlaut des § 8 Abs. 2 WoBindG hin (“soweit”).

Zuzugeben ist der Beklagten, dass sich ihr Wille nicht als “Verzicht” darstellt, unabhängig davon, dass die Klägerin einen solchen mangels Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten nicht angenommen haben kann. § 10 Abs. 4 WoBindG dies als Voraussetzung für den Ausschluss des einseitigen Mieterhöhungsrechtes des Vermieters allerdings auch nicht vor. Es erschließt sich auch nicht, weshalb das Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (WoBindG) den Vermieter, der gegen die Regelungen des Gesetzes verstößt, weitergehend schützen sollte als den Vermieter, der sich – mit einem Handeln, das als Verzicht zu werten sein könnte – in dessen Rahmen bewegt.

Bestätigt hat die Beklagte ihren aus den Umständen bei Vertragsschluss abgeleiteten Willen im Rahmen des Mieterhöhungsverlangens mit Schreiben vom 10. März 2011, das ausdrücklich überschrieben ist als “Mieterhöhung für preisfreie Wohnungen nach § 558 BGB in Berlin,” dem die Klägerin – folgerichtig mangels Kenntnis von der Preisgebundenheit der Wohnung – zugestimmt hat. Das insoweit fehlende Bewusstsein der Klägerin, dass sie zur Zustimmung gar nicht verpflichtet war, weil die Beklagte – anders als von ihr unterstellt – die Regelungen des WoBindG nicht vollständig ausschließen konnte, sondern bei einer Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete durch Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung verpflichtet blieb nachzuweisen, dass diese die Kostenmiete nicht übersteigt, § 8 Abs. 2 WoBindG.

Nach den eingangs dargestellten, vom BGH für den Fall einer von den Parteien bei Vertragsschluss unterstellten, tatsächlich aber nicht gegebenen öffentlich-rechtlichen Mietpreisbindung entwickelten Maßstäben (vgl. BGH, Urt. v. 21.01.2004 – VIII ZR 115/03. a.a.O.) lässt die Auslegung des Vertrages unter Einbeziehung der außerhalb des Vertrages liegenden Umstände hier darüber hinausgehend darauf schließen, dass die Parteien den Ausschluss des einseitigen Erhöhungsrechtes des Vermieters dadurch vereinbart haben, dass die Preisfreiheit der Wohnung hier unmittelbar Vertragsinhalt geworden ist. Ein etwaiger – der Klägerin auch nach den Einlassungen der Beklagten nicht bekannter, damit – geheimer Vorbehalt, stünde der Wirksamkeit des so zustande gekommenen Mietvertrages nicht entgegen, § 116 BGB. Die Diskrepanz zwischen zu dem rechtlich Möglichen ebenfalls nicht (vgl. für den umgekehrten Fall: BGH, Urt. v. 21.01.2004 – VIII ZR 115/03. a.a.O.).

Wie ausgeführt deutete nichts in dem Mietvertrag darauf hin, dass die Wohnung preisgebunden sein könnte. Das Erwähnen von Erhöhungsalternativen bei Preisgebundenheit bzw. deren Fehlen allein genügt mangels weiterer Anhaltspunkte nicht, denn keine der Möglichkeiten ist ausgestrichen. Die Miete überstieg den Angaben der Beklagten zufolge erheblich die kurz zuvor ermittelte Kostenmiete, so dass auch besonders eine niedrige Miete kein taugliches Indiz ergab.

Die Klägerin unternahm bei Vertragsschluss folgerichtig nichts, um dem nachzugehen, etwa ihre Rechte aus § 8 Abs. 4 WoBindG geltend zu machen. Die Beklagte selbst macht geltend, dass die IBB in ihrem Schreiben vom 20. März 2006 die Freistellung ihrer Wohnungen von der Belegungsbindung mit Wirkung zum 3. März 2003 bestätigte. Danach entfiel bei Anmietung die Vorlage eines Wohnberechtigungsscheins, eine Bedingung, aus der die Klägerin – gegebenenfalls – auf die Preisbindung der angemieteten Wohnung hätte schließen können. Der Klägerin musste sich auch nicht etwa aufdrängen oder als Möglichkeit von ihr wenigstens in Betracht gezogen werden, dass es sich um eine Sozialwohnung handeln könnte. Dagegen spricht der geringe Anteil der preisgebundenen Sozialwohnungen am Berliner Wohnungsbestand: ausweislich des Wohnungsmarktberichtes der IBB 2006 lag der Anteil der Sozialwohnungen am Wohnungsbestand in Berlin (1,88 Mio. Wohnungen) bei nur 12 % (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsmarktbericht/pdf/wohnungsmarktbericht_2006.pdf). Die Sozialwohnung war (und ist) demnach die Ausnahme.

Sowohl der Vertragsinhalt als auch die außerhalb des Vertrages liegenden Umstände bestätigen, dass die Klägerin die Vorstellung hatte, eine preisfreie Wohnung zu mieten, folgerichtig stimmte sie 2011 dann auch der Mieterhöhung ohne weiteres zu; die Beklagte hatte – wie oben dargestellt – bei Vertragsschluss den Willen, die Preisbindung vollständig auszuschließen, das heißt die Wohnung als preisfrei zu vermieten. Damit ist ein entsprechender – stillschweigender – Konsens festzustellen, der die Vereinbarung des – begrenzt wirksamen – Ausschlusses des Mieterhöhungsrechtes umfasst.”