Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist der Mietspiegel der Stadt Kiel zur Begründung eines Erhöhungsverlangens für eine in der Stadt Flensburg belegene Wohnung geeignet?

Die Antwort des Amtsgerichts Flensburg (AG Flensburg – 68 C 84/17, Urteil vom 29.11.2017) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Flensburg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Die Klage ist unzulässig.

Eine Klage auf Zustimmung zu einer begehrten Mieterhöhung ist unzulässig, wenn ihr kein wirksames Erhöhungsverlangen nach § 556a BGB vorausgegangen ist (BGH, Urteil vom 13.11.2013, VIII ZR 413/12; Schmidt-Futterer / Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 558a Rn. 2). Nur durch ein ordnungsgemäßes Erhöhungsverlangen des Vermieters beginnt die Überlegungsfrist des Mieters aus § 658b Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen. Erst der fruchtlose Ablauf dieser Frist setzt die Klagefrist gemäß § 558b Abs. 2 Satz 2 BGB in Gang. Da nur eine innerhalb der Klagefrist erhobene Klage zulässig ist, handelt es sich insoweit um eine besondere Sachentscheidungsvoraussetzung des Zustimmungsverfahrens (Börstinghaus, a. a. O., m. w. N.).

Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin mit Schreiben vom 27.04.2017 ist mangels einer den formellen Anforderungen des § 558a BGB genügenden Begründung unwirksam. Der Mietspiegel der Stadt Kiel ist nicht zur Begründung eines Erhöhungsverlangens für die in der Stadt Flensburg belegene Wohnung geeignet.

Nach § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter zu erklären und zu begründen. Die Begründung soll dem Mieter durch die Angabe konkreter Tatsachen die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Verlangens zu überprüfen. Gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter zur Begründüng Insbesondere auf einen Mietspiegel Bezug nehmen. Ist in einer Gemeinde kein Mietspiegel vorhanden, eröffnet § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB die Möglichkeit, den Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde zu vorwenden. Für die Stadt Flensburg existiert zwar im Gegensatz zu der Stadt Kiel kein Mietspiegel. Es kann aber dahin stehen, ob die Städte Kiel und Flensburg vergleichbar sind. Denn jedenfalls sind sie keine “Nachbargemeinden”.

Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB ist, dass die vergleichbaren Gemeinden Nachbargemeinden sind (Staudinger / Emmerich, BGB, Neubearbeitung 2014, Stand 05.05.2017, § 558a Rn. 33; Börstinghaus, a. a. O., Rn. 46; Palandt / Weidenkaff, BGB, 76. Aufl. 2017, § 558a Rn. 8; LG Itzehoe, Beschluss vom 20.02.2012, 9 S 104/11). Nur dann kann von einem vergleichbaren Wohnungsmarkt ausgegangen werden (Börstinghaus, a. a. O.). Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen Gemeinden als Nachbargemeinden zu werten sind. Zum. Teil wird vertreten, dass die Gemeinden räumlich aneinander grenzen müssen (Emmerich, a. a. O.). Nach anderer Auffassung reicht es aus, dass es sich um Gemeinden aus derselben Region handelt -(Börstinghaus, a. a. O.; LG Itzehoe, a. a. O.). Nach beiden Ansichten sind die Städte Flensburg und Kiel keine Nachbargemeinden (vgl. zu den Städten Pinneberg und Kiel bzw. Pinneberg und Neumünster im Gegensatz zu Norderstedt und Pinneberg LG Itzehoe, a. a. O).

Flensburg und Kiel verfügen nicht über eine gemeinsame Stadtgrenze. Sie grenzen nicht einmal an denselben Landkreis an. Während Flensburg von dem Kreis Schleswig-Flensburg umgeben Ist, grenzt Kiel nordwestlich an den Kreis Rendsburg-Eckernförde. Innerhalb des Bundeslands Schleswig-Holstein gehören die Städte nicht. demselben Landesteil an.. Flensburg liegt in dem Landesteil Schleswig nördlich des Nord-Ostsee-Kanals und Kiel in dem südlicheren Landesteil Holstein. Luftlinie beträgt die Entfernung zwischen beiden Städten 68 km. Mit dem Pkw ist es eine Stunde Fahrzeit. Die Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie der Deutschen Bahn dauert über eine. Stunde. Aus diesen Gründen gehören die Städte Flensburg und Kiel nicht mehr derselben Region an und sind daher keine Nachbargemeinden im Rahmen des § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB.”