Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Steht es der Wirksamkeit einer neuerlichen Kündigung entgegen, dass das Mietverhältnis bereits zuvor durch den Ausspruch einer vorhergehenden Kündigung beendet wurde?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 22/18, Beschluss vom 06.03.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung steht es nicht entgegen, dass das zwischen den Parteien mit Zugang der wirksamen – und später durch die Schonfristzahlung der Beklagten vom 1. August 2017 gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilten – außerordentlichen Kündigung vom 13. März 2017 gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b BGB fristlos beendet wurde.

Zwar kann sich die Beklagte insoweit auf ein unveröffentlichtes Urteil des LG Bielefeld (Urt. v. 24. April 1994, 2 S 192/94) und eine Entscheidung des LG Berlin (Urt. v. 13. Oktober 2017 – 66 S 90/17, WuM 2017, 650) berufen. Danach soll eine hilfsweise ausgesprochene Kündigung “ins Leere” gehen, da die – im selben Kündigungsschreiben – zuvor und vorrangig ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Mietverhältnis vor dem Zugang der ordentlichen Kündigung bereits beendet habe (vgl. LG Berlin, a.a.O.). Dem ist jedoch nicht zu folgen. Die Kammer teilt insoweit die ständige Rechtsprechung des BGH, ausweislich derer die Wirksamkeit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung von der Wirksamkeit einer zuvor ausgesprochenen fristlosen Kündigung nicht berührt wird (vgl. grundlegend BGH, Urteil v. 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04NZM 2005, 334).

Soweit die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung damit begründet wird, das Mietverhältnis sei im Moment ihres Zugangs bereits durch die fristlose Kündigung beendet gewesen, trifft bereits das zumindest im hier gegebenen Fall des einheitlichen Ausspruchs und Zugangs beider Kündigungen nicht zu. Auch wenn die ordentliche Kündigung nur hilfsweise erklärt wurde, ist sie unbedingt und zeitgleich ausgesprochen; die Kündigungserklärung ist im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133157 BGB lediglich dahingehend auszulegen, dass die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung erst nachrangig zu prüfen ist (vgl. BGH, a.a.O). Mit dem zeitgleichen Ausspruch und Zugang beider Kündigungen lässt es sich aber nicht vereinbaren, dass das Mietverhältnis bereits vor dem Zugang der ordentlichen Kündigung seine fristlose Beendigung gefunden haben soll (so aber LG Berlin, a.a.O.).

An dieser Beurteilung ändert sich im Ergebnis selbst dann nichts, wenn das Mietverhältnis schon vor dem Zugang der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tatsächlich durch die zeitgleich erklärte fristlose Kündigung beendet gewesen sein sollte. Denn der Vermieter kann auch ein bereits kündigungsbedingt beendetes Mietverhältnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB erneut wirksam kündigen:

Der Sinn des gesetzlichen Kündigungsrechts des § 573 Abs. 1, Abs. 2 BGB besteht darin, dem Vermieter bereits bei Vorliegen eines berechtigten Interesses – und damit unterhalb der ultima-ratio-Schwelle der für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 BGB erforderlichen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung – ein an keine sonstigen materiellen Voraussetzungen gebundenes und wegen der abwägungsfesten Regelbeispiele in § 573 Abs. 2 BGB verhältnismäßig einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag an die Hand zu geben, das neben und unabhängig von den sonstigen Rechten zur Beendigung des Mietvertrages besteht. Dementsprechend hat der Vermieter ein Wahlrecht, ob er das Mietverhältnis mit der Rechtsfolge seiner sofortigen Beendigung gemäß § 543BGB außerordentlich kündigt, es ordentlich unter Berücksichtigung der dem Mieter gemäß § 573c BGB zustehenden Kündigungsfrist beendet oder ob er von beiden Kündigungsmöglichkeiten kumulativ Gebrauch macht.

Andernfalls wäre ein Mieter, dessen nicht unerhebliche schuldhafte Zahlungspflichtverletzung sogar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen würde, bei gleichzeitigem Ausspruch von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung besser gestellt als ein solcher, dem lediglich eine Zahlungspflichtverletzung zur Last fiele, die nicht zu einer außerordentlichen, sondern allein zu einer ordentlichen Kündigung berechtigte. Während der außerordentlich gekündigte Mieter die Heilungsmöglichkeiten des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB für sich in Anspruch nehmen könnte und nach dem wirksamen Ausspruch der außerordentichen Kündigung wegen der dieser – zu Unrecht – beigemessenen Sperrwirkung vor einer auf den selben Kündigungssachverhalt gestützten ordentlichen Kündigung geschützt wäre, würde das mit dem ordentlich gekündigten Mieter bestehende Mietverhältnis ohne eine Heilungsmöglichkeit nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zwingend mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist enden, obwohl ihm eine weniger gravierende Pflichtverletzung zur Last fiele als dem außerordentlich gekündigten Mieter.

Für eine derartige Privilegierung des sowohl außerordentlich als auch ordentlich gekündigten Mieters und die damit verbundene Schlechterstellung des Vermieters für den Fall, dass der Mietvertrag nicht lediglich kündbar, sondern wegen einer zuvor ausgesprochen Kündigung bereits gekündigt und fristlos beendet ist, besteht kein Grund. Auch bei einem derartigen Kündigungsszenario gebieten es der Sinn und Zweck des auf § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB beruhenden ordentlichen Kündigungsrechts, dem Vermieter die Möglichkeit zu erhalten, sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache Weise durch Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu lösen, ohne mit dem Mieter in eine rechtliche Auseinandersetzung über die fristlose Beendigung des Vertrags eintreten oder sich den Unwägbarkeiten einer späteren Heilung der fristlosen Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB aussetzen zu müssen.

Das dagegen vorgebrachte Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne gekündigt werden, ist lediglich begriffslogisch und greift nicht durch. Denn es berücksichtigt nicht, dass vertragliche oder gesetzliche Gestaltungsrechte nicht den fortdauernden Bestand des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses voraussetzen. Logische Gründe schließen es nicht aus, dass ein Rechtsgeschäft aus unterschiedlichen Gründen mehrfach beendet wird. Nach dem gegenteiligen Verständnis wäre der einmal beendete Vertrag – einem vernichteten realen Gegenstand vergleichbar – nicht mehr existent. Wenn ein Rechtsgeschäft beendet oder sogar nichtig ist, bedeutet das aber nicht, dass es zuvor nicht bestand. Vielmehr wird der Lebenssachverhalt von der Rechtsordnung mit den dafür vorgesehenen Rechtsfolgen als beendet oder nichtig bewertet. Nach diesem normativen Verständnis kann derselbe Sachverhalt denklogisch noch anderen rechtlichen Bewertungen unterliegen, indem etwa mehrere Beendigungs- oder Nichtigkeitsgründe zusammentreffen (vgl. BGH, Urt. v. 13. Mai 2016 – V ZR 265/14NZM 2016, 646). Wegen der daraus abgeleiteten – und in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannten – Doppelwirkungen im Recht können sogar nichtige Rechtsgeschäfte wirksam angefochten oder widerrufen werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 25. November 2009 – VIII ZR 318/08NJW 2010, 610; Urt. v. 13. Mai 2016 – V ZR 265/14NZM 2016, 646). Für die Kündigung eines bereits kündigungsbedingt beendeten Vertrages gilt nichts anderes.”