Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kommt dem betrieblichen Interesse des Vermieters an der Erlangung der Wohnräume ein gleichwertiges Gewicht zu wie den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Regelbeispielen?

Die Antwort des Amtsgerichts Mannheim (AG Mannheim – 18 C 5139/17, Urteil vom 12.04.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mannheim in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. 3) wie folgt aus: “Der Klägerin steht ein berechtigtes Interesse gemäß § 573 Abs. 1 S.1 BGB an der Beendigung der Mietverhältnisses zu.

Im Ergebnis kommt dem betrieblichen Interesse der Klägerin ein gleichwertiges Gewicht an der Erlangung der Wohnräume zu wie in den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Regelbeispielen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung fest, dass die Klägerin einen tatsächlichen Betriebsbedarf hinsichtlich der Räumlichkeiten der Beklagten hat und auch eine entsprechende Nutzungsabsicht. Dies ergab sich aus den insoweit in sich schlüssigen Ausführungen des Zeugen Michael Kauffmann. Dieser schilderte, dass er im Rahmen der Restrukturierungsmaßnahme bei der Klägerin mit der Planung und Durchführung dieser Maßnahmen beauftragt ist. Dabei führte der Zeuge aus, dass im Hinblick auf das Talentfördererprogramm mit einem Schülerzuwachs gerechnet werde. Im Hinblick auf dieses Talentförderprogramm sei beabsichtigt zusätzliche Räume zu schaffen. Die Einvernahme des Zeugen ließ erkennen, dass die tatsächlich konkrete Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten letztendlich von dem Umfang der Zunahme des Schülerwachstums abhänge. Wenn die Wohnung der Beklagten zu Schulzwecken zur Verfügung stünde, könnte ein Stockwerk der Fremdanmietung aufgegeben werden und insoweit die Hälfte dieser Kosten eingespart werden. Sofern tatsächlich die Schülerzahlen weiter anstiegen über ein gewisses Maß, sei jedoch auch denkbar, dass das andere Stockwerk in dem benachbarten Gebäude zur Anmietung weiter benötigt werde und nicht aufgegeben werden könne. Für diesen Fall könnten jedoch dann seitens der Klägerin mehr Schüler aufgenommen werden, da zusätzliche Räume zur Verfügung stünden. Für die Fremdanmietung fielen jährlich Kosten in Höhe von Euro 50.000 an. Zusätzlich zum finanziellen Aspekt, bringe es jedoch auch Vorteile die Schüler im Hauptgebäude zu haben. Hierbei seien Aspekte der Aufsichtspflicht, die seitens der Klägerin zu gewährleisten sei, zu berücksichtigen. Die jüngeren Schüler könnten nicht in den fremd angemieteten Räumlichkeiten unterrichtet werden bzw. der Aufwand sei hinsichtlich der Aufsichtspflicht höher. Für das Gericht ergaben sich keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Angaben. Zu sehen ist hierbei auch, dass sich die Ausführungen hinsichtlich der Aufsichtspflicht und dem erhöhten Aufwand bei Betreiben von Räumlichkeiten in unterschiedlichen Gebäuden ohne weiteres aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt.

Vorliegend war bei der Beurteilung, ob der Klägerin ein berechtigtes Interesse im Sinne des §§ 573 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei waren auf Vermieterseite der Schutz des Eigentumsrechts nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu berücksichtigen. Vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie des Vermieters ist dabei nicht nur dessen Wunsch erfasst, die Wohnung zu privaten Zwecken zu nutzen, sondern auch dessen Absicht, sie für eine wirtschaftliche Betätigung zu verwenden (vergleiche hierzu BGH vom 29.3.2017 Az. VIII ZR 45/16). Dies ist vorliegend nach obigen Ausführungen der Fall. Dabei besteht ein betriebliches Nutzungsinteresse bereits aufgrund der im Kündigungsschreiben aufgeführten organisatorischen Gründe der Zusammenführung und Konzentration der Klassenzimmer im Hauptgebäude. Dabei mag es sein, dass die Klägerin als Privatvermieter, der jedoch im Rahmen des Schulzweckes öffentliche Aufgaben wahrnimmt, wirtschaftlichen Interessen unterliegt und sie später im Rahmen des Prozesses auch auf die wirtschaftlichen Vorteile, nämlich die Einsparung von Fremdmieten bzw. die Aufnahme von mehreren Schülern und damit höhere Einnahmen abhebt. Diese ergänzenden Tatsachen, die von der Interessenlage an eine Verwertungskündigung heranreichen, vermögen im Ergebnis jedoch das berechtigte Interesse an einer größeren Fläche von Schulräumen im Hauptgebäude zur Wahrnehmung des öffentlichen Schulauftrages nicht zu beseitigen.

Auf Mieterseite ist das ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Besitzrecht des Mieters zu berücksichtigen. Bei der Abwägung sind dabei als Belange des Mieters nur die unabhängig von seiner konkreten Situation bestehenden Belange in die Abwägung einzustellen, also das generell bestehende Interesse, die Wohnung und damit den Lebensmittelpunkt nicht zu verlieren und nicht mit den Kosten und anderen erheblichen Unzuträglichkeiten belastet zu werden, die ein Wohnungswechsel in der Regel mit sich bringt. Nicht hingegen in die Abwägung, ob ein berechtigtes Interesse der Vermieterseite gegeben ist oder nicht, einzustellen, sind hingegen die individuellen Aspekte des Mieters. Diese sind nur auf Widerspruch des Mieters im Rahmen der Härteregelung des §§ 574 BGB zu beachten (vergleiche hierzu BGH vom 29.3.2017 VIII ZR 45/16; BGH vom 10.5.2017 VIII ZR 292/15). Insoweit ist vorliegend zu sehen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung um eine Hausmeisterwohnung handelt. Zwar liegt ein schriftlicher Mietvertrag nicht vor, unbestritten wurde die Wohnung an den Beklagten Z. 1 jedoch im Zusammenhang mit dessen Hausmeistertätigkeit überlassen. Auch von der Lage der Wohnung her, die ein Durchqueren des Schulhauses erfordert, war für die Beklagten deshalb von Anfang an ersichtlich, dass ihre Mietdauer im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Beklagten Z. 1 als Hausmeister steht. Damit war bereits bei Einzug der Beklagten vom Sinn und Zweck der zur Verfügung gestellten Wohnung für diese absehbar, dass nach Beendigung der Tätigkeit des Beklagten Z. 1 sie ihren Lebensmittelpunkt verlegen müssen und durch einen Umzug entsprechende Kosten und Unzuträglichkeiten entstehen werden. Dies folgt abstrakt unabhängig von der persönlichen Lage der Beklagten allein aufgrund der Art der Wohnung als in einem Schulgebäude gelegenen Hausmeisterwohnung.

Wägt man diese Interessen gegeneinander ab, so ist gerade vor dem Hintergrund, dass die Klägerin wenn auch als Privatperson die Räumlichkeiten letztendlich einem öffentlichen Zweck zuführen möchte und die Wohnung von der Lage und Verknüpfung mit einer Tätigkeit den Bewohnern nur in Zusammenhang mit der Tätigkeit zur Verfügung gestellt wurde, dem Vermieterinteresse der Vorrang einzuräumen.”