Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann die Fütterung von Stadttauben auf dem Balkon eine erhebliche Vertragsverletzung darstellen, die zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt?

Die Antwort des Amtsgerichts Bonn (AG Bonn – 204 C 204/17, Urteil vom 20.04.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Bonn in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Der Kläger kann gem. § 546 Abs. 1 BGB Räumung und Herausgabe der von der Beklagten innegehaltenen Wohnung verlangen, denn das Mietverhältnis der Parteien ist beendet.

Die Kündigung vom 14.07.2017 hat das Mietverhältnis beendet. Sie ist sowohl formell als auch materiell wirksam. Insbesondere ist sie auch ausreichend begründet worden.

Aus Sicht des erkennenden Gerichts kann dahin gestellt bleiben, ob die Vogelvoliere eine zulässige Gestaltung des Balkons darstellt. Jedenfalls aber stellt die Fütterung der Stadttauben eine erhebliche Vertragsverletzung dar, die den Kläger zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 1 BGB berechtigt. Trotz Abmahnung verletzt die Beklagte ihre mietvertraglichen Pflichten, indem sie weiterhin Stadttauben außerhalb der Vogelvoliere füttert.

Die Art und Weise der von der Beklagten vorgenommenen Fütterung entspricht nicht dem allgemein üblichen Gebrauch und ist auch nicht vom vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt (siehe hierzu auch LG Braunschweig, Urteil vom 04.03.2014- Aktenzeichen: 6 S 411/13). Die Fütterung von Stadttauben gilt allgemein als nicht mehr sozialadäquat (siehe LG Braunschweig, Urteil vom 04.03.2014- Aktenzeichen: 6 S 411/13). Von diesen Tieren gehen Verschmutzungen und Gesundheitsgefahren aus, so dass das Füttern eine Vertragsverletzung darstellt (siehe LG Braunschweig, Urteil vom 04.03.2014- Aktenzeichen: 6 S 411/13). Eine Befugnis zur außerordentlichen Kündigung wird dann bejaht, wenn der Mieter Tauben füttert und sich die dadurch bewirkten Immissionen in hygienischer und akustischer Hinsicht als erhebliche Belästigung für andere Mieter auswirken (siehe Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 543, Rn. 60). So verhält es sich hier.

Aufgrund der von den Zeugen in der Beweisaufnahme gemachten Bekundungen folgert das Gericht, dass die Beklagte systematisch und permanent eine nicht genau bestimmbare größere Anzahl von Tauben füttert und damit an die Umgebung gewöhnt, was zu einer gravierenden Veränderung des vertragsgemäßen Benutzungszwecks führt. Die Zeugen G und Q1, die ebenfalls in dem streitgegenständlichen Mietobjekt wohnen, haben insoweit übereinstimmend bekundet, dass eine größere Anzahl an Stadttauben durch die von der Beklagten selbst durchgeführte bzw. wenn diese nicht anwesend ist von ihr veranlasste Fütterung angezogen würden. Die Zeugin G hat erläutert, dass zeitweise bis zu 50 Stadttauben angezogen würden. Der Zeuge Q1 hat ein Foto vom 17.09.2017 vorgelegt, auf dem in etwa 40 Tauben teilweise auf dem Dach und teilweise auf der Voliere zu sehen sind. Er hat diesbzgl. geäußert, dass es hinsichtlich der angelockten Tauben variieren würde. Die Zeugin B, die im Nachbarhaus wohnt, hat bekundet, dass sie sogar 80 bis 90 Tauben gesehen habe. Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, dass akustische Belästigungen von den Stadttauben ausgehen. Der Zeuge Q1 hat anschaulich erläutert, dass es sich teilweise so anhören würde, als würde ganz Lengsdorf die Teppiche ausklopfen. Auch die Zeugin B, hat bekundet, dass Lärm besonders morgens von den Tauben aufgrund des Gurrens und des Flatterns ausgehen würde. Die von ihr genannten Schlafprobleme können auch zu gesundheitlichen Störungen führen. Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Zeugen steht ebenfalls fest, dass in hygienischer Sicht erhebliche Belästigungen aufgrund von Kotanhaftungen und Rattenbefall aufgetreten sind und hinsichtlich der Kotanhaftungen auch weiterhin auftreten. Die Zeugen Q1 und G haben diesbezüglich erläutert, dass sie bis zu drei Ratten auf der Terrasse der Beklagten gesehen hätten, wobei seit November 2017 keine Ratte mehr gesichtet worden sei. Der Zeuge Q1 hat erklärt, dass sich die Ratten auch zeitweise an dem Vogelfutter in der Voliere bedient hätten, wenn diese tagsüber geöffnet sei. Auch die Zeugin B hat bekundet, dass sie das Quietschen der Ratten vernommen habe, wenn diese kein Futter mehr in der Vogelvoliere finden könnten. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Belästigungen auch erheblich sind. Die Zeuginnen G und B haben insoweit bekundet, dass sie aufgrund der Rattenproblematik in ihrem Alltag stark eingeschränkt seien, da sie den zu ihrer Wohnung gehörenden Außenbereich nicht haben nutzen können. Die Zeugin G hat anschaulich erläutert, dass sie ihre Wäsche nicht in den Hof stellen könne ohne dass diese mit Kot und Federn der Tauben verdreckt werden würde. Die Zeugen G und Q1 haben auch von dem mit Taubenkot und Federn verdreckten Hof berichtet. Dies stellt ein gesundheitliches Problem dar. Es ist medizinisch erwiesen, dass gerade der Taubenkot einen besonders hohen Prozentsatz von Ornithoseviren und Salmonellen enthält, die auch für den menschlichen Organismus gesundheitsgefährdende Auswirkungen haben können (AG Frankfurt, Urteil vom 17.12.1975, Aktenzeichen 33 C 4831/74). Auch die Zeugin B hat in diesem Zusammenhang bekundet, dass ihr Sohn, der im dritten Stock ihres Haus wohnt, tag-täglich mit kotverschmierten Fensterbänken und Rollos aufs Neue konfrontiert sei.

Soweit die Beklagtenseite einwendet, dass der Kläger nach der Abmahnung noch zwei bis drei Monate bis zu einer Kündigung hätte abwarten müssen, ob die Beklagte ihr Verhalten ändert, so konnte dies dem Kläger nicht zugemutet werden. Insoweit hat er auch die Interessen der anderen Mieter und Nachbarn zu schützen, die aufgrund der erheblichen Belästigungen mehrfach an ihn herangetreten sind. Das Gericht ist nach erfolgter Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass das Schreiben vom 23.06.2017 (Anlage K5, Bl. 32 f. d.A.) von der Zeugin B stammt.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Verhalten der Beklagten in Form der gezielten Fütterung der Stadttauben den gesetzlichen Tatbestand der fristlosen Kündigung erfüllt. Damit kann auch dahin gestellt bleiben, ob darüber hinaus aufgrund einer unterlassenen Beseitigung der Ratten sowie der Vornahme von baulichen Veränderungen durch das Aufstellen der Vogelvoliere die Voraussetzungen der fristlosen Kündigung erfüllt sind.

Das Gericht erachtet eine Räumungsfrist bis zum 31.05.2018 als angemessen und ausreichend. Unter Abwägung der widerstreitenden Interessen kann vorliegend lediglich eine kurze Räumungsfrist gewährt werden, um der Beklagten nunmehr die Gelegenheit zu geben, einen Umzug zu organisieren. Das Gericht hält vorliegend die Einräumung einer Räumungsfrist von etwas mehr als 5 Wochen für ausreichend, um einen Umzug durchzuführen. Nach unbestrittenen Angaben verweilt die Beklagte derzeit sowieso nur an etwa drei Tagen in der Woche in der streitgegenständlichen Wohnung und wohnt die andere Zeit bei ihrer Mutter. Sollte es der Beklagten innerhalb der nun eingeräumten Räumungsfrist nicht gelingen eine andere Wohnung zu finden, so ist ihr zumindest zuzumuten, übergangsweise zu ihrer Mutter zu ziehen sowie ggf. ihre Möbel einzulagern bis sie anderen für sie adäquaten Wohnraum gefunden hat. Aus dem Vortrag der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass diese sich seit der Kündigung überhaupt intensiv um die Suche von Ersatzwohnraum kümmerte. Eine weitergehende Räumungsfrist war unter Berücksichtigung dessen, dass die fristlose Kündigung bereits vom 14.07.2017 datiert ist nicht zu gewähren.”