Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist in der Zustimmung des Mieters, wenn sich der Vermieter in einem Räumungsvergleich zu einer substantiellen Gegenleistung, wie etwa einer namhaften Abstandszahlung verpflichtet, ein bedeutsamer Umstand für das Vorliegen eines Verzichtswillen und damit für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf Schadensersatz wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs zu sehen?

Die Antwort des Amtsgerichts München (AG München – 432 C 1222/18, Urteil vom 29.03.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht München in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. 1. wie folgt aus: “Ein Schadensersatzanspruch scheidet vorliegend aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus. Er ergibt sich weder aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Mietvertrag sowie der Mietaufhebungsvereinbarung noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung des Mietaufhebungsvertrags wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB.

1. Ausschluss von Schadensersatzansprüchen aufgrund der Mietaufhebungsvereinbarung vom 03./08.03.2016

Es ist vorliegend bereits von einem Ausschluss von Schadensersatzansprüchen wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs aufgrund eines stillschweigenden Verzichts hierauf seitens der Kläger im Rahmen der Mietaufhebungsvereinbarung vom 03./08.03.2016 auszugehen.

Der Vermieter ist u.a. im Falle des Vortäuschens von (Eigen-)Bedarf dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. namentlich BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 = NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 =MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 BGH, Urteile vom 8. April 2009 – VIII ZR 231/07NJW 2009, 2059 Rdn. 11 m.w.Nachw. vom 13. Juni 2012 – VIII ZR 356/11; Beschluss vom 7. September 2011 – VIII ZR 343/10WuM 2011, 634 Rdn. 3).

Ob ein Räumungsvergleich oder ein Mietaufhebungsvertrag den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung der jeweiligen Vereinbarung und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit der Vereinbarung auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (vgl. wiederum BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 = NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 = MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 in Fortführung von BGH, Beschluss vom 7. September 2011 – VIII ZR 343/10a.a.O.).

An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs zu verzichten, sind nach der Rechtsprechung des BGH strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 =NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 = MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 im Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteile vom 21. November 2006 – VI ZR 76/06NJW 2007, 368 Rdn. 9; vom 26. Oktober 2009, II ZR 222/08NJW 2010, 64Rdn. 18; vom 18. September 2012 – II ZR 178/10WM 2012, 2231 Rdn. 22; vom 22. April 2015 IV ZR 504/14).

Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten Ansprüche bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen.

Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung – wie etwa einer namhaften Abstandszahlung – verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 –VIII ZR 99/14 = NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 = MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 in Fortführung von BGH, Urteile vom 11. Oktober 2000 – VIII ZR 276/99; vom 20. September 2006 – VIII ZR 100/05WM 2007, 177 Rdn. 22; Beschluss vom 19. September 2006 – X ZR 49/05).

Dies ist hier der Fall.

Die vom BGH für den Abschluss eines Räumungsvergleichs nach vermieterseitiger Eigenbedarfskündigung postulierten Grundsätze sind – schon aus Gründen effizienten Mieterschutzes – nach Überzeugung des Gerichts auch auf (außergerichtliche) Mietaufhebungsvereinbarungen übertragbar.

Gegen einen konkludenten Verzicht spricht vorliegend zwar, dass kein größeres Entgegenkommen des Beklagten in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt des Mietverhältnisses anzunehmen ist.

Nach Ziff. 1 der Aufhebungsvereinbarung war grundsätzlich eine Beendigung des (langjährigen) Mietverhältnisses zum 31.12.2016 vorgesehen. Da der Vertrag auf den 03./08.03.2016 datiert ist, liegt hier ein annähernder Gleichlauf zur ordentlichen Kündigungsfrist von 9 Monaten nach § 573 c Abs. 1 BGB vor.

Über die gesetzliche Regelung hinausgehende Rechte wurden der Klagepartei in diesem Punkt also nicht eingeräumt. Andererseits wusste die Klagepartei – anders als dies im Regelfall bei einer vermieterseitigen Kündigung der Fall sein wird – schon seit Monaten von der Absicht des Beklagten, das Mietverhältnis aufzuheben. Sie konnte sich daher bereits auf einen etwaigen Umzug einstellen und vorbereiten sowie Maßnahmen zur Wohnungssuche veranlassen.

Die Vereinbarung, dass Schönheitsreparaturen nicht geschuldet sind (Ziff. 3 des Vertrags vom 03./08.03.2016), wird ebenfalls eher nicht als maßgebliches Entgegenkommen einzustufen sein, zumal über die Wirksamkeit einer etwaigen Schönheitsreparaturklausel keine Erkenntnisse bestehen, Klauseln in Altverträgen regelmäßig unwirksam sind und es sich hierbei nach den Erfahrungen des Gerichts um ein nicht unübliches Zugeständnis von Vermietern im Rahmen einer Vereinbarung über die Beendigung von Mietverhältnissen handelt. Andererseits können auch die Rechtssicherheit und -klarheit dahingehend, dass vom Mieter Schönheitsreparaturen sicher nicht verlangt werden, aus Mietersicht zumindest als positiver Aspekt gewertet werden.

Die Möglichkeit, das Mietverhältnis mit kurzer Vorankündigungsfrist vorzeitig zu beenden, räumt dem Mieter zwar ein deutlich erhöhtes Maß an Flexibilität ein und ist daher durchaus auch im Interesse des Mieters, der auf diese Weise i.d.R. finanziell belastende Doppelzahlungen für ein neu abzuschließendes Mietverhältnis und das (vorübergehend noch parallel laufende) bisherige Mietverhältnis wird vermeiden können.

Andererseits liegt die frühzeitige (Rück-)Erlangung des Besitzes am Mietobjekt grundsätzlich gerade auch im Interesse des Vermieters. Auch in dieser vertraglichen Vereinbarung wird daher kein besonders großes vermieterseitiges Entgegenkommen gesehen werden können.

Klauseln dieser Art werden aus Sicht des Gerichts daher gerade auch in Räumungsvergleichen nahezu standardmäßig vereinbart.

Die verkürzte Kautionsabrechnungsfrist von 4 Wochen (statt der üblichen 3-6 Monate, vgl. Palandt-Weidenkaff, 2018, Einf v § 535 BGB Rdn. 126; Schmidt-Futterer/Blank 2017, § 551 Rdn. 97) stellt aus Sicht des Mieters ebenfalls einen positiven Aspekt dar, weil sie die finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit einem Umzug oftmals abmildern wird. Denn der angelegte Kautionsbetrag kann hierdurch frühzeitig an den Mieter zurückfließen und von diesem bspw. für die neue Kaution, die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen, die Umzugskosten oder für sonstige Ausgaben im Kontext eines Wohnungswechsels verwendet werden. Allerdings ist auch eine solche Vereinbarung keineswegs ungewöhnlich.

Das Gericht wertet dagegen die vorliegende Abstandszahlung als namhaft und somit als erhebliches Indiz für einen Verzichtswillen der Kläger.

Dabei wird nicht verkannt, dass der Mietvertrag, in den der Beklagte nach § 566BGB eintrat, in erhöhtem Maße mieterfreundlich ausgestaltet war.

Es dürfte daher durchaus ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Beklagten daran bestanden haben, sich von diesem Mietverhältnis alsbald zu lösen. Denn es ist gerichts- und wohl auch allgemein bekannt, dass Wohnungen ohne – zumal nicht vermieterfreundliche – mietvertragliche Bindung im Falle einer Veräußerung einen höheren Verkaufserlös zu erzielen geeignet sind, als Wohnungen mit einer – zumal nicht vermieterfreundlichen – mietvertraglichen Bindung.

Es wird daher – gerade in Anbetracht des überaus angespannten Immobilienmarktes in der Landeshauptstadt München – bei realitätsnaher Betrachtung davon auszugehen sein, dass grundsätzlich eine erhöhte Bereitschaft besteht, Abstandszahlungen zu leisten, um einen Mieter einvernehmlich zum Auszug zu bewegen und damit die Grundlage für eine wirtschaftlich lukrative Weiterveräußerung/anschließende Neuvermietung (ggf. nach Sanierung) zu schaffen. Eine Abstandszahlung – ggf. auch in namhafter Höhe – wird vor diesem Hintergrund in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt in eingeschränkterem Maße als Indiz eines Verzichts auf Schadensersatzansprüche ausgelegt werden können, als dies in weniger umkämpften Immobilienmärkten der Fall sein wird.

Es wird auch nicht verkannt, dass das durch den Aufhebungsvertrag zu beendende Mietverhältnis unzweifelhaft als langjährig zu bezeichnen ist. Je länger Mietverhältnisse angedauert haben, desto höher wird im Allgemeinen die berechtigte mieterseitige Erwartung in Bezug auf die Summe einer etwaigen Abstandszahlung/Umzugskostenbeihilfe sein.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Abstandszahlung zwar bis auf 24.500,00 Euro gestaffelt ansteigen sollte (Ziff. 5), dies jedoch gleichzeitig mit einer Verkürzung der Frist zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verbunden war. Zudem sollte die Abstandszahlung sogar vollständig entfallen und hätte in der bereits gezahlten Höhe von 15.000,00 Euro (nebst Zinsen) zurückgezahlt werden müssen, sofern der späteste Räumungs- und Herausgabetermin zum 31.12.2016 nicht eingehalten worden wäre, was mit einem gewissen Risiko der Mieterseite einherging.

Andererseits sollte bereits spätestens 14 Tage nach Abschluss der Mietaufhebungsvereinbarung ein Betrag von 15.000,00 Euro an die Mieter gezahlt werden, was in Bezug auf die Gegenleistung in Form der Räumung und Herausgabe eine erhebliche Vorleistung des Vermieters darstellte. Gerade in Relation zur Höhe der Miete von insgesamt 1.208,00 Euro ist bereits der Betrag von 15.000,00 Euro als durchaus namhaft zu bezeichnen. Denn er ging über die Höhe einer Jahresmiete hinaus. Noch deutlicher wird das Verhältnis von Miete und Abstandszahlung – und damit der Charakter der Namhaftigkeit der Abstandszahlung – wenn man den gezahlten Betrag von 21.000,00 Euro bzw. den maximal vereinbarten Betrag von 24.500,00 Euro betrachtet, da dieser mehr als 17 bzw. mehr als 20 Monatsmieten ausmachte.

Auch die Gesamtschau aller vermieterseitigen Zugeständnisse trägt hier die Annahme eines Verzichtswillens.

Anzuführen ist vorliegend die namhafte Abstandszahlung, die vom Vermieter zum weit überwiegenden Teil bereits vorab zu zahlen war, der Verzicht auf Schönheitsreparaturen bzw. die diesbezügliche klarstellende Regelung, das Recht zur kurzfristigen Rückgabe des Mietobjekts bei vorzeitiger Beendigung der Verpflichtung zur Zahlung von Miete und die deutlich verkürzte Kautionsabrechnungsfrist.

Bereits aus rechtlichen Gründen scheidet hier also ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus.”