Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Trifft den Vermieter, der den zur Grundlage der Kündigung gemachten Eigenbedarf nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, eine sekundäre Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des behaupteten Bedarfs?

Die Antwort des Amtsgerichts München (AG München – 432 C 1222/18, Urteil vom 29.03.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht München in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. 2. wie folgt aus: “Beweisfälligkeit der Kläger hinsichtlich der Behauptung vorgetäuschten Eigenbedarfs

Selbst wenn man vorliegend nicht von einem konkludenten Verzicht auf Schadensersatzansprüche ausgehen würde, könnte der Klage nicht stattgegeben werden.

Denn die Kläger sind hinsichtlich ihrer Behauptung vorgetäuschten Eigenbedarfs beweisfällig geblieben.

Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass das Gericht die volle diesbezügliche Beweislast bei der Klagepartei sieht. Eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Vermieters, hier also des Beklagten, kann dagegen nicht angenommen werden.

Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 44/16 (WuM 2017, 342, ZMR 2017, 550) entschieden, dass den Vermieter, der den zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf (in der Entscheidung handelte es sich um “Betriebsbedarf” i.S.v. § 573 Abs. 1 BGB) nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, eine sekundäre Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des behaupteten Bedarfs trifft. Setzt der Vermieter den angeblichen Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liegt nämlich der Verdacht nahe, dass der Bedarf nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel (“stimmig”) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll; an diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2377; BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03NJW 2005, 2395 unter II 3 b cc; BGH, Beschl. vom 11. Oktober 2016 – VIII ZR 300/15MDR 2017, 21 Rdn. 25).

Die in diesem Urteil des BGH niedergelegten Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei vorgetäuschtem Eigenbedarf sind auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen.

Denn anders als im vorgenannten Fall geht es hier nicht um eine unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ausgesprochene Kündigung wegen Betriebs- oder Eigenbedarfs des Vermieters.

Es wird nicht verkannt, dass auch im Rahmen des Abschlusses eines Mietaufhebungsvertrags oder bei einer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in einen Mietvertrag aufgenommenen Befristung nach § 575 BGB ein hinreichendes Täuschungselement vorliegen kann.

All diese Fallgruppen haben aber gemeinsam, dass der Vermieter unstreitig durch eine konkrete Handlung zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Bedarfslage bestehe, die ihn dazu veranlasse, das Mietverhältnis zu beenden bzw. enden zu lassen.

Im hier zu entscheidenden Fall ist zwischen den Parteien aber bereits streitig, ob der Beklagte jemals “Eigenbedarf angemeldet” hat. Anders gewendet: Die Behauptung, dass der Vermieter einen Selbst- oder Fremdnutzungswillen (hier ein Fremdnutzungswille seitens des Vaters des Beklagten) geltend gemacht habe, ist zwischen den Parteien vorliegend bereits streitig, zumal sich in der schriftlichen Mietaufhebungsvereinbarung keinerlei diesbezügliche Anhaltspunkte finden.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass überhaupt ein Selbst- oder Fremdnutzungswille (ernstlich und konkret) behauptet wurde, trifft jedoch den Mieter, der den (ehemaligen) Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch nimmt.

Dabei reicht nach Überzeugung des Gerichts eine bloße allgemein gehaltene, vage Andeutung einer möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt entstehenden Bedarfslage grundsätzlich nicht aus.

Unschädlich ist also vorliegend, dass der Beklagte im Gespräch jedenfalls angedeutet hat, dass sein Vater möglicherweise irgendwann nach München zurückkehren und ggf. in die Wohnung einziehen wolle.

Soweit der Kläger darüber hinausgehende Behauptungen des Beklagten hinsichtlich eines Eigenbedarfs vorgebracht hat, ist er beweisfällig geblieben.

Dies gilt sowohl hinsichtlich der Gespräche der Klagepartei mit dem Beklagten im Seehaus und in der verfahrensgegenständlichen Wohnung bei Rückgabe des Mietobjekts als auch für die Telefonate zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten.

Denn es stehen für keines der Gespräche Zeugen zur Verfügung, die währenddessen anwesend waren und damit den Gesprächsinhalt und -verlauf wiederzugeben in der Lage wären.

Die ausführliche Anhörung der beiden Kläger einerseits sowie des Beklagten andererseits vermochte diese maßgeblichen Gesichtspunkte nicht zu erhellen. Es ist insoweit von einem non liquet auszugehen, das zu Lasten der beweisbelasteten Klagepartei geht.

Dass der Kläger zu 1) Rechtsrat bei zwei Rechtsanwälten eingeholt haben soll und sich zudem an zwei ehemalige Kollegen gewandt habe, kann durchaus als wahr unterstellt werden. Denn keiner dieser Zeugen war – wie ausgeführt – bei den Gesprächen und Vertragsverhandlungen zwischen der Klage- und der Beklagtenpartei anwesend. Die Zeugen könnten mithin nur dazu aussagen, was ihnen der Kläger zu 1) hierüber mitgeteilt hat. Über die konkreten Worte des Beklagten gegenüber der Klagepartei – und auf diese käme es maßgeblich an – könnten die Zeugen aus eigener Wahrnehmung nichts sagen.

Auch die Zeugen Uttenthaler (Maklerin der Kreissparkasse) und die frühere Vermieterin der Klagepartei hätten den Gesprächsinhalt zwischen den Parteien nicht aufklären können.

Denn eine (zeitlich gänzlich unklare) etwaige Bereitschaft der Klagepartei, das Mietverhältnis mit der Rechtsvorgängerin des Beklagten aufzulösen hätte nicht bewiesen, was zwischen der Klage- und der Beklagtenpartei abgesprochen war.

Dies gilt auch für die Vernehmung der Maklerin der Kreissparkasse.

Den diesbezüglichen Zeugeneinvernahmen hätte der Charakter eines Ausforschungsbeweises angehaftet. Sie hätten allenfalls unzureichende Indizien liefern können.”