Aus der Rubrik “Wissenswertes”:


Haftet 
der Vermieter nach § 536a Abs. 1 1. Alt. BGB wegen eines anfänglichen Mangels der Wohnung auf Schadenersatz, wenn die im Jahre 1980 vermietete Wohnung mit asbesthaltigen “Floor-Flex” Fußbodenplatten ausgestattet war und die asbesthaltigen Fliesen in Folge des Zuschnitts offene Schnittkanten aufwiesen und sich in der Bauphase freigesetzte Asbestfasern in der Luft oder am Boden der besenrein übergebenen Wohnung befanden?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 18 S 140/16, Urteil vom 17.01.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. (1) a) bis b) wie folgt aus: “a) Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten wegen eines anfänglichen Mangels der Wohnung und einer Garantiehaftung der Beklagten nach § 536aAbs. 1 1. Alt. BGB bestehen entgegen der Ansicht der Klägerin allerdings nicht. Die Garantiehaftung führt nämlich nicht ohne weiteres dazu, dass Vermieter ohne Rücksicht auf Verschulden für Risiken haften müssen, die nach dem Stand von Technik und Wissenschaft zu Beginn des Mietverhältnisses noch nicht erkennbar waren (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 536a Rn. 32 f.). Ein anfänglicher Mangel der Wohnung in Form einer abstrakten Gesundheitsgefährdung ihrer Bewohner liegt deswegen nicht vor, wenn die in den Mieträumen nachweisbare Konzentration von Schadstoffen sich im Rahmen der bei Abschluss des Mietvertrages geltenden Vorgaben und Richtlinien bewegt; das gilt auch dann, wenn sich die Grenzwerte auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse später verschärfen (vgl. BayObLG – 1Z RE-Miet 6/98 -, Rechtsentscheid v. 04.08.1999, WuM 1999, 568 ff., Rn. 23 ff.). Die Wohnung wird in einem solchen Fall erst dann nachträglich mangelhaft, wenn der Vermieter nach Bekanntwerden der verschärften Standards die Ursachen der Gefährdung nicht beseitigt (vgl. BayObLG, a. a. O., Rn. 25). Eine Haftung des Vermieters wegen eines anfänglichen Mangels der Mietsache kommt nur dann in Betracht, wenn der Mieter beweisen kann, dass ihm durch die in einem damals zulässigen Maß mit Schadstoffen belasteten Bauteile konkrete Gesundheitsschäden entstanden sind (vgl. BayObLG, a. a. O., Rn. 26).

Ein anfänglicher Mangel in Form einer abstrakten Gesundheitsgefahr lag danach nicht vor. Die Kammer hat bereits mit der Ladungsverfügung vom 19. Oktober 2017 darauf hingewiesen, dass zu Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 1980 asbesthaltige Baustoffe noch zugelassen und ihre Verwendung üblich war. Die Wohnung war daher vertragsgerecht und wies keinen Mangel auf, selbst wenn asbesthaltige Fliesen in Folge des Zuschnitts offene Schnittkanten aufgewiesen haben sollten und sich in der Bauphase freigesetzte Asbestfasern in der Luft oder am Boden der besenrein übergebenen Wohnung befanden. Eine solche Belastung der Wohnung unterfiel angesichts des damaligen Stands der Wissenschaft und des Bauwesens dem allgemeinen Lebensrisiko, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Errichtung der Wohnung und die Verarbeitung asbesthaltiger Materialien in der Bauphase unter Verstoß gegen die damaligen Regeln der Technik stattgefunden hätte. Die Klägerin hat solches weder vorgetragen noch dafür einen Beweis angetreten, sondern sich auf den Hinweis beschränkt, dass die von losen Asbestfasern ausgehenden Gefahren auch damals schon bekannt gewesen seien.

Die Klägerin kann auch nicht den Beweis dafür führen, dass ihr durch die schon anfänglich vorhandenen Schnittkanten der Fußbodenplatten und den schon anfänglich vorhandenen Staub aus der Bauphase ein konkreter Gesundheitsschaden droht. Selbst wenn sich durch eine Beweisaufnahme feststellen ließe, dass in der Wohnung aktuell eine nicht hinnehmbare Asbestfaserbelastung herrscht und der Klägerin durch Asbest ein Gesundheitsschaden droht, ließe sich nicht ausschließen, dass die Asbestfasern erst durch die Abrissarbeiten der Klägerin in den Jahren 1992 und 1999 freigesetzt wurden.

b) Eine Schadenersatzhaftung der Beklagten nach § 536a Abs. 1 BGB wegen Verzugs mit der Beseitigung eines Mangels scheidet – jedenfalls für den Zeitraum bis zur Rechtshängigkeit der Klage – ebenfalls aus. Die Wohnung wurde nicht allein dadurch mangelhaft, dass asbesthaltige Baustoffe im Jahre 1993 verboten wurden und im Jahre 1996 die “Richtlinie für die Bewertung und Sanierung schwach gebundener Asbestprodukte in Gebäuden” (im Folgenden nur: “Asbest-Richtlinie”) in Kraft trat. Asbestfasern in Fußbodenplatten sowie in entsprechendem Kleber sind nicht im Sinne der Richtlinie schwach gebunden. So lange Bodenplatten und Kleber unbeschädigt waren, bestand daher kein Mangel und mussten die Räume nicht saniert werden.

Die Beklagten hatten mangels Anzeige entsprechender Mängel keine Kenntnis davon, dass Fußbodenplatten gebrochen waren, und sie wussten bis zur Erhebung der Klage auch nichts von einem eigenmächtigen Eingriff der Klägerin in die Bausubstanz in den Jahren 1992 und 1999. Schadenersatzansprüche der Klägerin nach § 536a Abs. 1 BGB wegen in den Jahren 1992 und 1999 nachträglich freigesetzter Asbestfasern sind deshalb nach § 536c Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Eine Pflicht der Beklagten, die Wohnung auch ohne Anzeige entsprechender Mängel anlasslos daraufhin zu untersuchen, ob sich Fußbodenplatten gelöst hatten oder gebrochen waren, bestand entgegen der Ansicht der Klägerin jedenfalls bis zur Klageerhebung nicht.”