Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Bestehen gegen die Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.04.2015 Bedenken?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 199/17, Urteil vom 20.06.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. a) wie folgt aus: “Die Bedenken der Beklagten gegen die Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin Drucksache 17/2272, Verordnung Nr. 17/186; GVBl Berlin Nr. 9/2015, 101) greifen nicht durch.

(1) Die Verordnung ist sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht hinreichend begründet. Der Senat hat der Verordnung eine umfangreiche Begründung beigegeben, die über das parlamentarische Dokumentationssystem des Abgeordnetenhauses Berlin abgerufen werden kann und damit öffentlich zugänglich ist. In formeller Hinsicht genügt die Verordnung damit den Vorgaben des § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB (vgl. LG Berlin – 65 S 424/16 -, Urt. v. 29.03.2017, GE 2017, 596 ff.). Der Umstand, dass im Gesetz- und Verordnungsblatt von Berlin nur der Verordnungstext ohne die Begründung veröffentlicht wurde, steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen; entscheidend ist allein, dass die Verordnung eine den gesetzlichen Vorgaben genügende Begründung enthält, die auch veröffentlicht wurde.

In materieller Hinsicht ist es entgegen der Ansicht der Beklagten dem hier als Gesetzgeber tätig gewesenen Senat von Berlin zu überlassen, ob und inwieweit er die Begründung des ministeriellen Entwurfs der Verordnung übernimmt. Ebenso unterliegt es dem weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers, welcher im Zeitpunkt des Gesetzgebungsaktes verfügbarer Erkenntnisquellen er sich bedient und ob es danach weiterer Untersuchungen oder Begutachtungen bedarf, um ein Urteil über das Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes treffen zu können. Die Rüge der Beklagten, der Senat habe für die Ermittlung der durchschnittlichen Mietbelastung der Berliner Haushalte veraltete Quellen aus den Jahren 2002 bis 2010 herangezogen und seine Entscheidung auf Grundlage einer bloßen, haltlosen Vermutung getroffen, geht fehl (vgl. ZK 65, a.a.O., Rn. 53 ff., Rn. 70 ff., Rn. 84).

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hat ausführen lassen, dass die Verordnung angesichts der konkreten Vorgaben des § 556d Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB einer “qualifizierten” Begründung bedürfe, kann offen bleiben, ob dem zu folgen ist. Die vom Senat getragene und veröffentlichte Begründung der Verordnung adressiert jedenfalls sämtliche vom Bundesgesetzgeber vorgegebenen Indikatoren und stellt sich damit als “qualifiziert” dar. Dagegen ergibt sich weder aus Art. 80GG, noch aus der bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage oder aus landesrechtlichen Vorschriften ein Erfordernis, die Begründung “qualifiziert”, nämlich gerade im Gesetz- und Verordnungsblatt, zu veröffentlichen. Den Vorgaben des Art. 64 Abs. 3 der Verfassung von Berlin hat der Senat genügt, indem er die begründete Verordnung dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnisnahme – und damit zugleich zur Veröffentlichung – vorlegte.

(2) Die Verordnung greift entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dadurch unverhältnismäßig in Art. 14 GG ein, dass sie für ganz Berlin gilt (vgl. dazu ZK 65, a.a.O., Rn. 59 ff.; a.A., jedoch ohne eingehende Auseinandersetzung mit der Verordnungsbegründung, AG Pankow-Weißensee – 102 C 182/17-, Urt. v. 20.10.2017).

Das Argument der Beklagten, der Berliner Wohnungsmarkt könne entgegen der Verordnungsbegründung (unter 3.1, 3. Absatz) sehr wohl in geographisch getrennte Teilmärkte zerlegt werden, ändert daran nichts. Es ist zwar richtig, dass die Kündigungsschutzklauselverordnung von 2011 nur für einzelne Bezirke galt und – gemessen an den Vorgaben des § 556d Abs. 2 BGB – ein selbst im Rahmen des weiten Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers wohl nicht hinzunehmender Ermessensausfall des Landesgesetzgebers vorläge, wenn er nicht einmal erwogen hätte, die Mietenbegrenzungsverordnung auf Teile des Stadtgebiets zu beschränken. Die Verordnungsbegründung belegt aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass der Senat irrig davon ausgegangen wäre, eine Zerlegung des Stadtgebiets in Teilmärkte sei gar nicht möglich; vielmehr hat er dies durchaus in Betracht gezogen, ausweislich des nachfolgenden Absatzes der Begründung (unter 3.1, 4. Absatz) jedoch als unzweckmäßig verworfen. Die Beklagte legt auch nicht dar, dass die in § 556dAbs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB bezeichneten und die weiteren Indikationen, die nach den Feststellungen des Senats für das gesamte Stadtgebiet vorliegen, für einzelne Teile des Stadtgebiets und namentlich den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf tatsächlich nicht vorlägen.

(3) Es trifft nicht zu, dass der Bundes- und in der Folge auch der Landesgesetzgeber die Beschränkung der Eigentumsrechte der Beklagten aus Art. 14 GG nur auf die von vorne herein weniger gewichtigen (Grund-)Rechte der Mietinteressenten nach Art. 20Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG stützen könnten und übersehen hätten, dass die durch die Verordnung allein geschützten “Noch-nicht-Mieter” sich gerade (noch) nicht auf ein eigentumsgleiches Grundrecht, sondern allenfalls auf ein Recht zum Marktzugang stützen können. Es ist zwar richtig, dass die Position der in erster Linie durch die Verordnung geschützten Mietinteressenten nicht unmittelbar durch Art. 14 GG geschützt ist, da diese noch nicht Mieter sind, sondern erst Mieter werden wollen. Es ist jedoch weder zutreffend, dass der Gesetzgeber dies übersehen hätte, noch, dass die “Mietpreisbremse” und die Mietenbegrenzungsverordnung ausschließlich dem Schutz von Mietaspiranten dienten; denn das wirtschaftliche Interesse eines Vermieters an der Beendung bestehender Mietverhältnisse – und damit der zumindest mittelbare Druck auf Bestandsmieter – wächst mit der anlässlich einer Neuvermietung erzielbaren Mietsteigerung (vgl. ZK 65, a.a.O., Rn. 36).”