Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist für die Frage der Höhe der Kappungsgrenze auf den Zugang des Mieterhöhungsverlangens abzustellen?

Die Antwort des Landgerichts Lübeck (LG Lübeck – 14 S 217/16, Urteil vom 26.04.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Lübeck in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Für die Frage der Höhe der Kappungsgrenze ist auf den Zugang des Mieterhöhungsverlangens abzustellen (so auch LG München, Urteil vom 8.1.2014, Az. 14 S 25592/13 – NZM 2014, 159 ff).

Die Kammer folgt der Auffassung der Beklagten, dass im Umkehrschluss zu der im Zuge des Mietrechtsreformgesetzes vom 19.6.2001 geregelten Absenkung der Kappungsgrenze von 30 % auf 20 % sowie zu deren Anwendbarkeit auf Altfälle, nunmehr davon ausgegangen werden müsse, dass es auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Mieterhöhungsverlangens ankomme, nicht.

Zutreffend führt das LG München (a.a.O.) aus, dass für die Annahme eines Umkehrschlusses ein Regelungsbewusstsein des Gesetzgebers vorhanden gewesen sein muss, was vorliegend nicht anzunehmen ist. Es ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber der Notwendigkeit einer Übergangsregelung gerade nicht bewusst gewesen ist. Aus den Materialien zum Mietrechtsreformgesetz 2013 lässt sich keine Kenntnis und entsprechend bewusste Entscheidung des Gesetzgebers entnehmen. Es finden sich keine Aussagen zu einer entsprechenden Regelung (LG München a.a.O.). Darüber hinaus stünde bei der Annahme eines Umkehrschlusses auch nicht fest, welcher Zeitpunkt dann gelten solle. Da der Gesetzgeber bei vielen Regelungen des Mieterhöhungsverlangens an den Zugang des Mieterhöhungsverlangens anknüpft, erscheint es ebenso vertretbar, für die Kappungsgrenze auch an den Zugang anzuknüpfen.

Gegen die Auffassung der Beklagten, dass es für die Geltung der Kappungsgrenze auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Mieterhöhungsverlangens ankommen muss, spricht bereits der historische Kontext aus dem sich den Regelungen in den §§ 558 ff BGB entwickelt haben. Bevor die Regelungen über das Verfahren zur Erhöhung der Miete eingeführt wurden, musste der Vermieter zum Zwecke der Mieterhöhung eine Änderungskündigung vornehmen (vgl. Artz/Börstinghaus, NZM 2013, 593, 597). Das mit der Kündigung unterbreitete neue Vertragsangebot konnte der Mieter – mangels einer vom Vermieter gesetzten Frist – nach § 147 Abs. 1 BGB nur sofort bzw. nach § 147 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer den regelmäßigen Umständen entsprechenden Frist annehmen. Damals kam es nur auf den Inhalt des Vertragsangebots zum Zeitpunkt des Zugangs an. Jede Änderung durch den Mieter stellte zwangsläufig eine Ablehnung des Vermieterangebots verbunden mit einem neuen Angebot dar. An diesen dogmatischen Grundlagen hat der Gesetzgeber nichts ändern wollen (vgl. Artz/Börstinghaus, a.a.O. S. 567).

Weiter ist die ortsübliche Vergleichsmiete dynamisch. Nur für den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens kann der Vermieter (theoretisch) die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete kennen und deshalb einen Anspruch auf Zustimmung zu dieser Vertragsänderung geltend machen. Ebenso kann der Mieter nur für diesen Termin die Berechtigung des Verlangens feststellen (Artz/Börstinghaus, a.a.O. S. 597).

Soweit die Berufung geltend macht, dass die Kappungsgrenze zum Wirksamkeitszeitpunkt nach § 558b BGB zu berechnen sei, ändert dies am Ergebnis nichts. Für die Berechnung der Kappungsgrenze muss ein Vergleich zwischen der verlangten neuen Miete und einer in der Vergangenheit gezahlten Miete durchgeführt werden. Dazu sind zwei Stichtage festzulegen. Da die neue Miete eine in der Vergangenheit gezahlte Miete um nicht mehr als 20 % überschreiten darf, muss zwingend der Stichtag angenommen werden, zu dem erstmals die neue erhöhte Miete zu zahlen ist. Dies ist der Wirkungszeitpunkt des § 558bBGB. Dieser Wirkungszeitpunkt bestimmt sich aber ausschließlich nach dem Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens (Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens). Nach dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens kann der Mieter ermitteln, ab wann die verlangte erhöhte Miete zu zahlen ist. Von diesem in Zukunft liegenden Zeitpunkt muss der dann drei Jahre zurückrechnen und zu der damals gezahlten Miete 20 % hinzurechnen, um die maximal zulässige Miete zu ermitteln.

Weiter sprechen für die Abstellung auf den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens, Gründe der Rechtssicherheit. Der Vermieter muss bei Abgabe des Zustimmungsverlangens wissen, welcher Anspruch ihm zusteht und der Mieter muss bei Erhalt der Erklärung wissen, ob er ganz, teilweise oder gar nicht zustimmen muss. Spätere Gesetzesänderungen haben darauf keinen Einfluss (vgl. Börstinghaus, jurisPR-MietR 7/2014 Anm. 6).

Ferner bestünde Unsicherheit im Hinblick auf die Geltungsdauer der Kapp-VO SH, die auf fünf Jahre angelegt ist (§ 558 Abs. 3 Satz 3 BGB). Würde die neue Kappungsgrenze auch für solche Mieterhöhungsverlangen gelten, die vor Inkraftreten der Verordnung zugegangen sind, würde es zu einer faktischen Verlängerung des fünf-Jahres-Zeitraums kommen.

Letztlich spricht gegen die Anwendung der Kapp-VO SH auf Mieterhöhungsverfahren, die vor ihrem Inkrafttreten begonnen würden, dass Rückwirkungsverbot (vgl. Artz/Börstinghaus, NZM 2013, 593, 600), denn es handelte sich um ein rückwärtsgewandte Anwendung eines Rechtssatzes.”