Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Tritt die Wirkung der Erfüllung bereits mit Hinterlegung beim Amtsgericht ein, wenn die Miet-Empfangsberechtigung des neuen Vermieters nach objektiver Betrachtungsweise ungewiss ist und der Mieter die Miete unter Rücknahmeverzicht beim Amtsgericht hinterlegt hat?

Die Antwort des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel (AG Brandenburg a.d.H. – 31 C 183/17, Urteil vom 28.09.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Brandenburg an der Havel in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Die ursprünglich von dem Kläger hier eingeklagten Mietzinsansprüche waren jedoch gemäß § 372, § 376 und § 378 BGB bereits zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Verfahren in Höhe von insgesamt 3.558,10 Euro (2.250,00 Euro + 1.308,10 Euro) erloschen, weil der Beklagte unter den hier gegebenen Umständen berechtigt gewesen war, den monatlich fällig werdenden Mietzins mit befreiender Wirkung beim hiesigen Amtsgericht bis zum 04. Mai 2017 zu hinterlegen.

Bei einem Eigentümerwechsel muss der Rechtsnachfolger seine Forderungsberechtigung hinsichtlich der Miete gegenüber dem Mieter grundsätzlich nachweisen. Solange dieser Nachweis nicht erbracht ist, hat der Mieter auch ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 543 BGB, Rn. 107). Wenn ein Mieter nämlich keine Gewissheit darüber erlangen kann, wer der konkrete Gläubiger seiner Mietverpflichtungen geworden ist – die Person des Gläubigers also ungewiss ist -, unterbleiben seine Mietzahlungen nämlich infolge eines Umstands, den er nicht zu vertreten hat (BGH, Urteil vom 07.09.2005, Az.: VIII ZR 24/05, u.a. in: NJW 2006, Seiten 51 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2016, Az.: 30 U 61/16, u.a. in: BeckRS 2016, Nr. 125773).

Da die Hinterlegung beim Amtsgericht jedoch ein Erfüllungssurrogat ist, muss der Mieter/Schuldner grundsätzlich auch die Voraussetzungen des § 372 BGB beweisen, weil er sich auf eine rechtmäßige Hinterlegung beruft (Olzen, in: Staudinger, BGB-Kommentar, Neubearbeitung 2016, § 372BGB, Rn. 25).

Bei einer derart ungewissen Lage wie bei einem Eigentümerwechsel kann sich der Beklagte aber grundsätzlich nach § 372 Satz 2 BGB gegen die mit einer Zahlung der Miete an einen Nicht-Berechtigten verbundenen Risiken zunächst dadurch schützen, dass er die Miete unter Rücknahmeverzicht bei Beachtung der HinterlegungsO beim zuständigen Amtsgericht hinterlegt. Dies setzt zwar voraus, dass die Person des Gläubigers “ungewiss” ist, wie bereits oben ausgeführt. Eine Ungewissheit in diesem Sinne hinsichtlich des Gläubigers der Miete ist aber grundsätzlich bereits dann anzunehmen, wenn eine mit verkehrsüblicher Sorgfalt vorgenommene Prüfung des Mieters zu begründeten Zweifeln über die Person des Gläubigers führt, deren Behebung auf eigene Gefahr dem Mieter/Schuldner nicht zugemutet werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass von einem Mieter, dem die Erkenntnismöglichkeit eines Gerichts nicht zur Verfügung steht, billigerweise nur begrenzte Anstrengungen zur Ermittlung des Sachverhalts und zu seiner Subsumtion unter das auf vielen Gebieten immer unübersichtlicher werdende geschriebene und ungeschriebene Recht verlangt werden kann. Das gilt insbesondere dann, wenn die Ungewissheit über die Person des Vermieters/Gläubigers überwiegend auf eine nicht eindeutige Vertragslage und/oder Abtretungsvorgänge bzw. Vertretungs-Verhältnisse zurückzuführen ist, die außerhalb des Einflussbereichs des Mieters liegt und allein von den dabei Beteiligten zu verantworten ist (BGH, Urteil vom 03.12.2003, Az.: XII ZR 238/01, u.a. in: NJW-RR 2004, Seiten 656 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2000, Az.: IX ZR 255/99, u.a. in: NJW 2001, Seiten 231 ff.; BGH, Urteil vom 28.01.1997, Az.: XI ZR 211/95, u.a. in: NJW 1997, Seiten 1501 f.; OLG Köln, Beschluss vom 19.07.1976, Az.: 6 W 39/76, u.a. in: VersR 1977, Seiten 576 f.).

Wenn also die Miet-Empfangsberechtigung des neuen Vermieters bzw. seiner (vermeintlichen) Bevollmächtigten – mithin hier der Firma … GmbH und/oder der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers – nach objektiver Betrachtungsweise zunächst noch ungewiss ist, so tritt die Wirkung der Erfüllung bereits mit der Hinterlegung bei dem Amtsgericht ein, wenn der Mieter die Miete unter Rücknahmeverzicht dort hinterlegt hat (BGH, Urteil vom 03.12.2003, Az.: XII ZR 238/01, u.a. in: NJW-RR 2004, Seiten 656 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2000, Az.: IX ZR 255/99, u.a. in: NJW 2001, Seiten 231 ff.; BGH, Urteil vom 28.01.1997, Az.: XI ZR 211/95, u.a. in: NJW 1997, Seiten 1501 f.; OLG Köln, Beschluss vom 19.07.1976, Az.: 6 W 39/76, u.a. in: VersR 1977, Seiten 576 f.).

Anders war dies vorliegend erst ab dem Zeitpunkt, als der Beklagte als Mieter irrig angenommen hatte, dass die Berechtigung des Klägers als neuer Vermieter zweifelhaft ist und dieser Irrtum zudem auf Fahrlässigkeit beruhte (BGH, Urteil vom 12.02.2003, Az.: XII ZR 23/00, u.a. in: NJW 2003, Seiten 1809 ff.). Der gesetzliche Hinterlegungsgrund der nicht auf eine Fahrlässigkeit beruhenden Gläubigerungewissheit (§ 372 Satz 2, zweite Alt. BGB) liegt nämlich nicht bereits dann vor, wenn sich ein dem Mieter unbekannter Dritter als neuer Vermieter bezeichnet hat, entsprechende Nachweise bzw. Vollmachten dafür aber nicht vorgelegt hat, da es einem Schuldner – insbesondere im Rahmen eines Mietverhältnisses – grundsätzlich zuzumuten ist, zunächst bei seinem bisherigen Vertragspartner – d.h. dem bisherigen Vermieter – Rückfrage zu halten, wenn sich ein Dritter eines Vertragseintritts bzw. einer Vertretung berühmt. Unterlässt der Mieter – hier der Beklagte – dies, so beruht seine Ungewissheit über die Person des neuen Gläubigers/Vermieters bzw. dessen Vertreters somit ggf. schon auf Fahrlässigkeit (KG Berlin, Beschluss vom 01.03.2018, Az.: 1 VA 28/17, u.a. in: WuM 2018, Seiten 195 f. = BeckRS 2018, Nr. 5198). Dass der Beklagte hier aber die aktuellen konkreten Kontaktdaten des bisherigen Vermieters hatte, wird noch nicht einmal von der Klägerseite behauptet, so dass der Beklagte bei seinem bisherigen Vertragspartner – d.h. dem bisherigen Vermieter – wohl auch keine Rückfrage halten konnte.

Ab dem Zeitpunkt, als der Beklagte/Mieter jedoch unstreitig mit dem Schriftsatz der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 26.04.2017 – Anlage B 3 (Blatt 25 der Akte) – die konkreten Kontaktdaten des neuen Vermieters – mithin des Klägers – zusammen mit dem neuen Grundbuchauszug erhalten hatte (mithin zum 04. Mai 2017), lag auch eine Fahrlässigkeit des Beklagten als Mieter hier vor (KG Berlin, Beschluss vom 01.03.2018, Az.: 1 VA 28/17, u.a. in: WuM 2018, Seiten 195 f. = BeckRS 2018, Nr. 5198). Wenn der Mieter die Miete nämlich wegen von ihm geltend gemachter Unsicherheit über die Person des Vermieters bei Gericht hinterlegt, hat diese Hinterlegung dann keine schuldbefreiende Wirkung mehr, wenn der Mieter bereits konkret – unter Angaben der Kontaktdaten – erfahren hat, wer der neue Vermieter ist (BGH, Beschluss vom 04.07.2017, Az.: VIII ZR 127/17, u.a. in: Grundeigentum 2017, Seiten 1019 f.), so dass der Beklagte/Mieter hier seit dem 04. Mai 2017 auch nicht mehr im “ungewissen” im o.g. Sinne über die Stellung des Klägers als neuer Vermieter war und somit auch spätestens die Miete für den Monat Juni 2017 direkt an den Kläger bzw. seine nunmehrige Prozessbevollmächtigte hätte zahlen können und müssen.

Die Annahme des Klägers, die in § 372 Satz 2 BGB geforderte Ungewissheit habe bei dem Beklagten hier aber schon von Anfang an nicht bestehen können, weil der Beklagte gegenüber der Firma … GmbH bzw. gegenüber seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten nach § 409Abs. 1 Satz 2 BGB mit befreiender Wirkung auch ohne die konkreten Kontaktdaten des alten Vermieters und des neuen Vermieters/Klägers sowie ohne Übersendung des neuen Grundbuchauszugs und ohne Vorlage einer Vollmacht hätte leisten können und müssen, kann vorliegend unter Berücksichtigung dessen hier aber vom erkennenden Gericht nicht bejaht werden.

Insofern brauchte der Beklagte als Mieter seine Zweifel an der berechtigten Vertretung des Klägers durch die Firma … GmbH bzw. durch die nunmehrige Prozessbevollmächtigten des Klägers bis zum Erhalt der konkreten Kontaktdaten des Klägers und des neuen Grundbuchauszuges mit Schriftsatz der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.04.2017 – Anlage B 3 (Blatt 25 der Akte) – am 04.05.2017 bzw. bis zum Erhalt einer Originalvollmacht nämlich nicht zurückzustellen, da der § 409 BGB – ebenso wie andere Schuldnerschutzvorschriften (z.B. §§ 407808893 BGB) – für den Schuldner/Mieter nur ein Recht, aber nicht auch eine Pflicht zur Leistung an einen Scheinberechtigten bzw. zum Schein Bevollmächtigten begründet, so dass eine Befugnis des Beklagten/Mieters zur Hinterlegung vor Erhalt dieses Schreibens am 04.05.2017 noch nicht ausgeschlossen worden war, weil dem Beklagten vor dem 04.05.2017 weder eine Originalvollmacht noch die Kontaktdaten des Klägers bzw. ein neuer Grundbuchauszug vorlagen (BGH, Urteil vom 03.12.2003, Az.: XII ZR 238/01, u.a. in: NJW-RR 2004, Seiten 656 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2000, Az.: IX ZR 255/99, u.a. in: NJW 2001, Seiten 231 ff.; BGH, Urteil vom 28.01.1997, Az.: XI ZR 211/95, u.a. in: NJW 1997, Seiten 1501 f.; OLG Köln, Beschluss vom 19.07.1976, Az.: 6 W 39/76, u.a. in: VersR 1977, Seiten 576 f.).

Würde nämlich dem Mieter/Schuldner in diesen Fällen ein Hinterlegungsrecht versagt, entstünde für ihn ein mittelbarer Zwang auch zur Leistung an einen Scheinberechtigten bzw. einem zum Schein Bevollmächtigten. Dies ist aber gerade nicht der Zweck dieser Schuldnerschutzvorschriften (BGH, Urteil vom 03.12.2003, Az.: XII ZR 238/01, u.a. in: NJW-RR 2004, Seiten 656 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2000, Az.: IX ZR 255/99, u.a. in: NJW 2001, Seiten 231 ff.; BGH, Urteil vom 28.01.1997, Az.: XI ZR 211/95, u.a. in: NJW 1997, Seiten 1501 f.; OLG Köln, Beschluss vom 19.07.1976, Az.: 6 W 39/76, u.a. in: VersR 1977, Seiten 576 f.).

Dass eine derartige Gefahr hier sogar konkret bestand wird u.a. an der Zahlung des Beklagten vom 22.02.2016 in Höhe von 273,70 Euro ersichtlich, welche nämlich nicht auf die offene Miete für Februar 2016 angerechnet, sondern vielmehr mit der Miete für November 2015 vom vorherigen Vermieter – ausweislich seines Schreibens vom 04.06.2018 – Anlage K 5 (Blatt 80 der Akte) – verrechnete wurde. Hätte der Beklagte auch diese Miete beim Amtsgericht hinterlegt, hätte eine derartige Verrechnung durch den vorherigen Vermieter auch nicht mehr erfolgen können.

Da der Beklagte hier somit aber nur bis zum Erhalt der konkreten Kontaktdaten des Klägers und des neuen Grundbuchauszuges mit Schriftsatz der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.04.2017 – Anlage B 3 (Blatt 25 der Akte) – (mithin also bis zum 04. Mai 2017) berechtigt war die Miete beim Amtsgericht zu hinterlegen, sind vorliegend auch nur die Zahlungen des Beklagten vom 25.04.2017 über 2.250,00 Euro und vom 28.04.2017 über 1.308,10 Euro – mithin insgesamt ein Betrag von 3.558,10 Euro (2.250,00 Euro + 1.308,10 Euro) – bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts als gerechtfertigt und insofern gemäß § 372, § 376 und § 378 BGB als Erfüllung seiner Mietzahlungsverpflichtung anzusehen.

Die hiernach dann noch erfolgten Zahlungen des Beklagten vom 29.05.2017 über 273,70 Euro, vom 14.07.2017 über 547,40 Euro und vom 02.10.2017 (mithin sogar nach Rechtshängigkeit des hiesigen Rechtsstreits) in Höhe von 273,70 Euro bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts sind aus den o.g. Gründen dann aber nicht mehr als Erfüllung gemäß § 372, § 376 und § 378 BGB anzusehen, so dass der Beklagte in Höhe von insgesamt 1.094,80 Euro (273,70 Euro + 547,40 Euro + 273,70 Euro) dann auch mit der Mietzahlung in Verzug geriet, auch wenn der Beklagte diese Summe bei Gericht hinterlegte und die Klägerseite hiernach zwischenzeitlich diese Zahlungen auch vereinnahmen konnte.

Dem Kläger steht hier im Übrigen aber auch noch immer die Miete für den Monat Februar 2016 in Höhe von 273,70 Euro zu, da der Beklagte die entsprechende Miete für diesen Monat unstreitig gerade nicht beim hiesigen Amtsgericht hinterlegt, sondern unstreitig am 22.02.2016 noch an den vorherigen Eigentümer/Vermieter gezahlt hatte, welcher jedoch diese Zahlung mit der Miete für November 2015 verrechnete, so dass dieser Geldbetrag vorliegend immer noch gegenüber dem hiesigen Kläger zur Zahlung offen steht. Aus diesem Grunde ist der Beklagte nunmehr auch noch zu verurteilen, an den Kläger 273,70 Euro zu zahlen.”