Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

rbb24.de am 16.09.2018: FAQ zum Berliner Mietendeckel – Mietensegen oder Investitions-Stopper?

Als erstes Bundesland will Berlin ab 2020 die Wohnungsmieten begrenzen. Welche Folgen dies für Mieter, aber auch den Wohnungsmarkt insgesamt haben könnte, ist nicht klar abschätzbar. Vorläufige Antworten auf ungeklärte Fragen.

Zu den Fragen, über die derzeit unter anderem gestritten wird, zählen diese:

Darf Berlin die Mieten überhaupt deckeln?

Davon gehen SPD, Linke und Grüne aus. Unter anderem sehen sie sich von einem Rechtsgutachten bestätigt, das die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus bei den Rechtswissenschaftlern Franz Mayer und Markus Artz von der Universität Bielefeld in Auftrag gegeben hatte. [spdfraktion-berlin.de] “Das Land Berlin verfügt […] über die Gesetzgebungszuständigkeit für einen ‚Mietendeckel”, zeigt sich Mayer sicher. Die beiden Wissenschaftler argumentieren, dass die Bundesländer im Zuge der Föderalismusreform von 2006 die Möglichkeit erhalten hätten, neben dem bestehenden privaten auch ein öffentliches Mietrecht zu schaffen.

Andere Rechtsgutachten halten dies jedoch für eine Fehleinschätzung. Der prominenteste Widerspruch kommt vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. In einer rechtsgutachtlichen Stellungnahme im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Wohnungs-  und Immobilienunternehmen (GdW) [gdw.de] hält er der rot-rot-grünen Koalition vor, dass die Länder “unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt über eine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels” verfügen. Das bundesrechtliche Mietpreisrecht, wie es im Bürgerlichen Gesetzbuch festgehalten ist, übe “eine Sperrwirkung” aus. Vereinfacht gesagt: Der Bund hat aus Sicht Papiers das Thema Mietrecht abschließend geregelt, weshalb die Länder dazu nichts mehr zu sagen hätten. Andernfalls würde durch einen Landesmietendeckel beispielsweise die bundesweit gesetzlich geregelte Mietpreisbremse ausgehebelt.

Mieten deckeln und einfrieren ist das eine – aber hohe Mieten absenken etwas anderes. Kann das rechtlich funktionieren?

Ursprünglich hatte die Koalition darüber nachgedacht, Mieterinnen und Mietern grundsätzlich das Recht einzuräumen, ihre Miete absenken zu lassen, wenn sie die definierte Mietobergrenze überschreitet. So war es noch im Eckpunktepapier des Senats vom 18. Juni 2019 festgehalten. [berlin.de] Auf Antrag der Mieterinnen und Mieter sei eine Überprüfung der Miete auf Mietpreisüberhöhung möglich. “In Form eines Absenkungsbegehrens wird die Miete dann auf die zulässige Miete reduziert”, heißt es dort. Im Referentenentwurf vom 30. August [berlin.de] wird dies allerdings eingeschränkt – analog zu den Regeln, die bereits für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften existieren. Demnach steht dieses Recht nur noch jenen Mieterinnen und Mietern zu, deren Miete mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens ausmacht. Außerdem spielt auch die Größe der Wohnung eine Rolle (“Bei der Berechnung der Mietbelastung ist nur der Teil der Miete zu berücksichtigen, der auf eine angemessene Wohnfläche entfallt”, §4, Absatz 4).

In den bislang bekannten Gutachten gibt es zu dieser geplanten Regel noch keine Einschätzungen. In Parlamentskreisen sind allerdings verfassungsrechtliche Bedenken gegen die 30-Prozent-Regelung zu hören. Vertreter von Mieterorganisationen sehen in ihr vor allem ein Bürokratiemonster, das auch abschreckend auf potenziell anspruchsberechtigte Mieterinnen und Mieter wirken könnte.

Bricht der Wohnungsneubau ein, wenn der Mietendeckel kommt?

Viele Signale deuten darauf hin, dass vor allem die private Immobilienwirtschaft ihre Investitionen angesichts sinkender Rendite-Erwartungen überdenkt. An Drohungen dies zu tun, mangelt es zumindest nicht. Bei einer Umfrage des Bundesverbands Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW) erklärten 72 Prozent der Mitgliedsunternehmen, sie würden ihre geplanten Investitionen stoppen oder ganz aufgeben.

Gehen Bauaufträge zur Sanierung bestehender Wohnungen zurück?

Die Berliner Handwerkskammer sieht diese Entwicklung schon jetzt. “Wir haben eine Menge Hinweise von Handwerkern, die ihre Aufträge schon jetzt verloren haben”, sagt Handwerks-Hauptgeschäftsführer Jürgen Wittke. Die Umfrage unter BFW-Mitgliedsunternehmen unterstreicht diesen Eindruck. Demnach gaben 61 Prozent der Unternehmen an, auf dringend erforderliche Sanierungen zu verzichten. 59 Prozent erklärten, sie hätten geplante Modernisierungen ihres Wohnungsbestandes auf Eis gelegt.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/09/faq-mietendeckel-berlin-fragen-antworten.html