Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Gilt eine Kündigung auch dann am Tag des Einwurfs in den Briefkasten als zugegangen, wenn der Mieter (absichtlich) tagelang seinen Briefkasten nicht leert?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 231/19, Urteil vom 29.01.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1 a) wie folgt aus: „Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen – auf den Hilfsantrag – eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von diesen inne gehaltenen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 3. Mai 2019 ausgesprochene Kündigung hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis fristgemäß beendet, §§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, 573c Abs. 1 BGB, nicht aber fristlos nach § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB.

a) Zutreffend ist das Amtsgericht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Soweit die Beklagten meinen, die Kenntnisnahme der Kündigung vereitelt haben zu können, indem sie mehrere Tage nicht den Posteingang in ihrem Briefkasten überprüften, verkennen sie, dass Kenntnisnahme und Zugang, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gleichbedeutend sind. Zugegangen ist eine Willenserklärung (bereits) dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, wobei es auf die abstrakte Möglichkeit der Kenntniserlangung, nicht die tatsächliche Kenntnisnahme ankommt (vgl. st. Rspr. BGH, Urt. v. 21.01.2004 – XII ZR 214/00, NJW 2004 1320f, nach beck-online). Üblicherweise werden Briefkästen – jedenfalls an Wochentagen – spätestens am Abend geleert. Wenn die Beklagten davon – aus welchen Gründen auch immer – absehen, so haben sie das Risiko zu tragen (BGH, aaO). Dass die Erkrankung eines Kindes beide Beklagte gehindert haben soll, den Briefkasten zu leeren, erschließt sich schon nicht. Dass auch die älteren, im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 13- bis 16 – jährigen Kinder dazu nicht in der Lage waren, tragen die Beklagten nicht einmal vor. Es mag keine rechtliche Verpflichtung zum Leeren eines Briefkastens bestehen; wer davon absieht, hat die Folgen allerdings selbst zu tragen.”