Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Kann die Durchsetzung der Mietpreisbremse und die Reduktion der Miete auf das gesetzlich zulässige Maß als Inkassodienstleistung angesehen werden?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 95/19, Urteil vom 29.04.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. wie folgt aus: „Die Klägerin ist auf Grund wirksamer Abtretung gemäß § 398 BGB Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung der Miete, soweit diese gemäß §§ 556d Abs. 1, 556g Abs. 1 S. 2 BGB nicht wirksam vereinbart wurde.

a) Allerdings lassen sich ihr Geschäftsmodell und ihre Tätigkeit im hier zu beurteilenden Fall entgegen der »Mietright”-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 ff) nicht als Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 RDG begreifen. Die Kammer folgt zwar der Auffassung des Bundesgerichtshofs, wonach der Begriff der Inkassotätigkeit ausweislich der Gesetzesbegründung des RDG weit auszulegen ist, um neuen Berufsbildern nicht von vorne herein den Weg zu verstellen und den Bereich der Rechtsberufe und der freien Berufe zu entbürokratisieren und zu liberalisieren. Wenn danach aber eine Tätigkeit, die nicht – und zwar nicht nur als Nebenleistung, sondern als selbständiges Geschäft – auf eine Forderungseinziehung gerichtet ist, sondern die Abwehr von Ansprüchen zum Gegenstand hat, nicht mehr als Inkassodienstleistung angesehen werden kann (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 96 und 219), so muss dies auch für die vorliegend entfalteten Aktivitäten der Klägerin gelten. Das Interesse des Mieters, in dessen Auftrag die Klägerin tätig geworden ist, war nicht – im Sinne eines selbstständigen Geschäfts – darauf gerichtet, die nach Ausspruch der Rüge unter Vorbehalt gezahlte Miete teilweise zurück zu erlangen, also Zahlungsansprüche durchzusetzen, die überhaupt erst durch seine bloß vorsichtshalber erbrachten Leistungen auf als unwirksam erachtete Mietforderungen entstanden. Vielmehr versprach die Klägerin ihrem Kunden, seine Rechte aus den gesetzlichen Vorschriften über die “Mietpreisbremse” nach Kräften durchzusetzen und den Vermieter dazu zu bringen, die vertraglich vereinbarte Miete auf das gesetzlich zulässige Maß zu reduzieren. Dieses für die Beauftragung der Klägerin maßgebliche Interesse des Mieters dokumentiert anschaulich die Beschriftung des Buttons “Mietsenkung beauftragen” (vgl. Anlage K3, BI. 19 d. A.), durch dessen Betätigung das Dienstleistungsverhältnis zu Stande kam. Auch die Vergütung der Klägerin sollte nicht etwa vom Gesamtbetrag der insgesamt erfolgreich zurückgeforderten Mietzahlungen, sondern vom Jahresbetrag der durchzusetzenden Mietreduzierung abhängen. Nicht anders als im Falle der Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung – die auch nach der Gesetzesauslegung des Bundesgerichtshofs nicht mehr als Inkassodienstleistung im Sinne des RDG begriffen werden kann (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 96 und 219) – war der der Klägerin erteilte Dienstleistungsauftrag mithin auf die Abwehr ungerechtfertigter – nämlich seitens des Vermieters unter Verstoß gegen die Vorschriften der “Mietpreisbremse” schon bei Abschluss des Mietvertrages erhobener und nachfolgend Monat für Monat geltend gemachter Mietforderungen gerichtet, während sich die nun allein noch streitige, allenfalls als Inkasso begreifbare Mietrückforderung gerade nicht als “eigenständiges Geschäft”, sondern als bloßes Mittel zur “künftigen Herabsetzung [der] Miete” (vgl. 1.2 der klägerischen AGB, vorgelegt als Anlage K2, BI. 14 I d. A.; Vollmachtserteilung, Anlage K1, BI. 13 I d.A.) darstellt.

Die von dem Bundesgerichtshof postulierte Abgrenzung, wonach eine auf die Durchsetzung der “Mietpreisbremse” und die Kappung der ursprünglich im Mietvertrag vereinbarten Miete auf das nach §§ 556d ff. BGB zulässige Maß “noch” als Inkassodienstleistung zulässig sein könne, während ein auf die Abwehr nachträglicher Mieterhöhungen gerichtetes Dienstleistungsangebot eindeutig nicht mehr unter den Begriff des Inkassos falle und folglich nach dem RDG nicht genehmigungsfähig sei, vermag auch deswegen nicht zu überzeugen, weil diese Diskriminierung mit den Grundrechten betroffener Dienstleister aus Art. 3, 12 GG nicht in Einklang zu bringen wäre. Es mag zwar zutreffen, dass die von einer rechtlichen Fehlberatung ausgehenden Gefahren im Falle der Forderungsabwehr – abstrakt betrachtet – gravierender sind als im Falle des Forderungseinzugs (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 219); denn für die Haftung des Schuldners, der über Umfang und Fälligkeit seiner Pflichten irrt, gilt ein viel strengerer Maßstab als für die Haftung desjenigen, der sich irrtümlich einer tatsächlich nicht bestehenden Forderung berühmt und diese durchzusetzen sucht (vgl. nur BGH, Urteil vom 15.04.2015 – VIII ZR 281/13, GE 2015, 853 ff., Rn. 24 ff. m. w. N. [jure. Namentlich an Hand des konkreten Beispiels der Abwehr unberechtigter Mieterhöhungen lässt sich aber nicht feststellen, dass von einer solchen Dienstleistung für Mieter (oder den Rechtsdienstleistungssektor) höhere Gefahren ausgehen können, als von dem vorliegend zu beurteilenden Geschäftsmodell der Durchsetzung der “Mietpreisbremse”, sodass die Abgrenzung durch Sachgründe nicht gerechtfertigt erscheint und im Ergebnis willkürlich anmutet; denn das Gesetz sieht für einen Mieter, der sich, sei es auch irrtümlich und im Ergebnis erfolglos, eines Mieterhöhungsverlangens zu erwehren sucht, mit § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB einen besonderen Kündigungsschutz vor. Die unterschiedliche Behandlung beider Geschäftsmodelle erscheint auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil es einmal um eine schon im Mietvertrag formulierte, im anderen Fall aber um eine erst nachträglich erhobene Forderung des Vermieters geht zumal auch “Mietpreisbremse”-Fälle denkbar sind, in denen die Miete zunächst den Vorgaben der §§ 556d ff. BGB entspricht, aber erst später wirksame Stufen einer Staffelmiete gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßen.

Handelte die Klägerin mithin nicht im Rahmen der ihr erteilten Inkassoerlaubnis, so richtete sich ihr Auftrag, der “Mietpreisbremse” zur Geltung zu verhelfen und die vertraglich vereinbarte Miete auf das gesetzlich zulässige Maß zu reduzieren, auf eine nach § 3 RDG verbotene selbstständige Erbringung außergerichtlicher Dienstleistungen. Soweit die Klägerin vorträgt, sie erbringe überhaupt keine oder allenfalls nach § 5 RDG als Nebenleistungen zulässige Rechtsdienstleistungen, ist ihr zwar zuzugeben, dass gegen den zur Vertragsanbahnung und Prüfung der Erfolgsaussichten dienenden Mietpreisrechner, für sich genommen, keine Bedenken bestehen; wie der BGH in der “Mietright” – Entscheidung in Übereinstimmung mit der Zivilkammer 65 zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich um ein softwarebasiertes, automatisiertes Berechnungssystem, das eine Subsumtion unter Rechtsvorschriften nicht zu leisten vermag, sondern lediglich die Anwendung des Mietspiegels erleichtert und bei der eigenständigen Abschätzung der ortsüblichen Miete Unterstützung bietet (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 148; vgl. auch LG Berlin, Urteil vom 15.01.2019 – 15 O 60/18. Die im Anschluss an ihre Beauftragung entfaltete Tätigkeit der Klägerin ist aber gerade darauf gerichtet, im Verhältnis zwischen den Mietvertragsparteien eine möglichst verbindliche Klärung der Höhe der wirksam vereinbarten Miete herbeizuführen; dabei handelt es sich um Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung für einen Dritten im Einzelfall, mithin um generische Rechtsdienstleistung, die gerade nicht im Sinne des § 5 RDG lediglich Nebenleistung einer anderen Tätigkeit ist. Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, ist danach zu fragen, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit – wie etwa beim Beitreiben von Forderungen – auf wirtschaftlichen Gebiet liegt, “oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung fechtlicher Verhältnisse geht” (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.09.2002 = 1 BvR 2251/01, NJW 2002, 3531 ff.). Hier ging es nach dem der Klägerin erteilten Mandat vorrangig um letzteres.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 19.03.2020 hat die Klägerin ausgeführt, dass lediglich zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen sei, vorliegend aber eine Erlaubnis unstreitig vorläge, so dass der Schwerpunkt irrelevant sei. Die aufgrund der Registrierung erteilte Erlaubnis lässt die Prüfung, ob sich eine Tätigkeit innerhalb der Inkassodienstleistungsbefugnis hält, jedoch nicht entfallen. Diese wird im Übrigen auch in der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorgenommen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 109ff.).

b) Ob die aus dem RDG für das Geschäftsmodell der Klägerin fließenden Beschränkungen – sie dürfte die angebotene Durchsetzung der “Mietpreisbremse” im Einzelfall nicht selbst besorgen, sondern wohl nur als Prozessfinanzierer für entsprechende durch Rechtsanwälte zu erbringende Rechtsdienstleistungen auftreten – mit ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG vereinbar sind oder das RDG deshalb in unverhältnismäßiger Weise gleichheitswidrig (Art. 3 GG) in ihre Rechte eingreift, weil etwa Haus- und Wohnungsverwalter komplementäre Leistungen anbieten dürften, kann vorliegend dahinstehen. Der Verstoß gegen das Verbot des § 3 RDG führt nämlich nicht dazu, dass neben dem auf die Herabsetzung der vertraglichen Miete gerichteten Dienstleistungsvertrag gemäß §§ 134, 139 BGB auch die Abtretung der streitgegenständlichen Forderung nichtig wäre. In der “Mietright”-Entscheidung geht auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass § 134 BGB das Abtretungsgeschäft aus Gründen des Vertrauensschutzes nur umfassen kann, wenn nicht nur eine geringfügige oder schwer zu beurteilende Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis vorliegt, sondern der Inkassodienstleister eindeutig und für seinen Kunden wie auch für den in Anspruch genommenen Schuldner erkennbar gegen seine Erlaubnis nach § 10 RDG verstößt (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 91 ff.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, nachdem nicht nur verschiedene Kammern des Landgerichts Berlin, sondern sogar der Bundesgerichtshof die dort im Wesentlichen gleich gelagerte Tätigkeit der Klägerin in der “Mietright” -Entscheidung als von der Inkassoerlaubnis noch umfasst angesehen hat. Es entspricht vorliegend auch der gemäß § 139 BGB maßgeblichen Interessenlage sowohl des Mieters als auch der Klägerin und der Beklagten, unabhängig von dem zu Grunde liegenden Dienstleistungsvertrag auf die Wirksamkeit der Abtretung vertrauen zu dürfen: Für den Mieter ist, selbst wenn die Klägerin eine verbindliche Klärung der zulässigen Miethöhe durch außergerichtliche Vereinbarung oder Feststellungsklage nicht herbeiführen darf, auch die bloße Durchsetzung seines auf die unter Vorbehalt geleisteten Mietzahlungen bezogenen Rückforderungsanspruchs von Interesse, zumal das Ergebnis dieser Bemühungen es ihm ermöglichen mag, anschließend selbst eine Einigung über die zulässige Miethöhe mit der Beklagten zu erreichen. Die isolierte Geltendmachung dieses Anspruchs lässt sich als Inkassodienstleistung begreifen, für die die Klägerin auf Grund der ihr erteilten Erlaubnis nach § 10 RDG als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, um Gefahren für den Rechtsverkehr auszuschließen. Vor diesem Hintergrund muss schließlich auch die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin tatsächlich über die ihre nachweisbar abgetretene Forderung verfügen darf und eine etwa zur Erfüllung geleistete Zahlung wirksam entgegen nehmen kann. Die Kammer sieht sich bei dieser Würdigung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches schon entschieden hat, dass die Erstreckung der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB auf das Abtretungsgeschäft selbst im Falle eines Verstoßes gegen das Verbot des Erbringens selbstständiger Rechtsdienstleistungen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen kann (vgl. BVerfG 1 BvR 423/99, Beschluss vom 20.02.2002, NJW 2002, 1190 ff.).”