Archiv des Autors: amv

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Hat das Gesetz über den “Mietendeckel” (MietenWoG Bln) nach seinem Sinn und Zweck auf die gerichtliche Entscheidung über ein vor dem Stichtag des 18.06.2019 ausgebrachtes Mieterhöhungsverlangen Auswirkungen?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 95/20, Beschluss vom 25.06.2020) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter 2. wie folgt aus: „Das erst am 23. Februar 2020 in Kraft getretene Gesetz über den “Mietendeckel” (MietenWoG Bln) steht dem klägerischen Anspruch nicht entgegen. Die von der Zivilkammer 67 in ihrem Vorlagebeschluss vom 12. März 2020 vertretene Gesetzesauslegung (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 12.03.2020 – 67 S 274/19, GE 2020, 468 ff.) misst dem MietenWoG Bln eine echte Rückwirkung bei, die vorliegend zur Folge hätte, dass der Klägerin eine bereits zur Anwartschaft erstarkte Rechtsposition entschädigungslos entzogen würde. Die Klägerin hatte formwirksam und fristgerecht den Anspruch auf Erhöhung der Miete geltend gemacht, dem sich der Beklagte nach den geltenden Gesetzen nicht mehr entziehen konnte, und zwar zu einem Zeitpunkt, der nicht nur lange vor Inkrafttreten des Gesetzes lag, sondern auch vor dem Stichtag des 18. Juni 2019, an dem Eckpunkte des Gesetzesvorhabens bekannt gemacht wurden. Eine solche echte Rückwirkung hat aber der Berliner Landesgesetzgeber, schon wegen des allein daraus fließenden zusätzlichen Risikos, dass das Gesetz einer verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht standhalten werde, ganz sicher nicht beabsichtigt. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber nur nach dem “Stichtag” ausgebrachten Mieterhöhungsverlangen entgegen wirken wollen, ohne bereits erworbene Eigentumspositionen zu entziehen oder in schon zu deren Durchsetzung laufende Gerichtsverfahren einzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020 – VIII ZR 355/18 – Rn. 70 ff. m.w.N. und Rn. 75).

Aus der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgt weiterhin, dass auch ein vor dem gesetzlich festgelegten Stichtag des 18. Juni 2019 erklärtes und zum 1. September 2019 wirksam werdendes Mieterhöhungsbegehren nicht unter den zeitlichen Anwendungsbereich des MietenWoG Bln fällt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 75).”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Liegt in der Zahlung der erhöhten Miete “unter Vorbehalt” nach Zugang eines auf § 558 BGB gestützten Mieterhöhungsverlangens eine konkludente Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 95/20, Beschluss vom 25.06.2020) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter 1. wie folgt aus: „Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht darauf erkannt, dass weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Zustimmung des Beklagten zum Mieterhöhungsverlangen vorliegt. Aus den erfolgten Zahlungen der erhöhten Miete lässt sich vorliegend aufgrund des erklärten Vorbehalts keine konkludente Zustimmung entnehmen, auch wenn die Mietzahlungen bereits zuvor über einen längeren Zeitraum unter Vorbehalt erfolgten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Fall eines Mieterhöhungsverlangens maßgebend, ob ein objektiver Empfänger, der den Inhalt des Angebots des Vermieters auf Erhöhung der Miete und alle sonstigen Umstände kennt, aus dem Verhalten des Mieters den Schluss auf einen Rechtsbindungswillen und damit auf die Zustimmung zur Mieterhöhung ziehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2018 – VIII ZB 74/16 – Rn. 20, NJW-RR 2018, 524 [beck]). Dies ist hier aufgrund des – in keiner Weise eingeschränkten – Vorbehalts nicht der Fall. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2020 außerdem ausdrücklich erklärt, dass er mit der Zahlung der erhöhten Miete unter Vorbehalt keine Zustimmung zu dem Erhöhungsverlangen erteilen wollte.”

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Spandauer Volksblatt am 02.09.2020 – Spandau: “Mietendeckel-Warteschleife”

Mieterhöhung trotz “Mietendeckel”?

Spandaus Mieterinnen und Mieter in der “Mietendeckel-Warteschleife”
Mieterhöhungen sind doch aufgrund des “Mietendeckels” in Berlin zurzeit verboten oder?

Obwohl in Berlin am 23.02.2020 das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) und damit der sog. “Mietendeckel” in Kraft getreten ist, erhöhen Vermieterinnen und Vermieter munter die Miete weiter, so als ob ein Mietendeckel in Berlin nicht existiere.
Sind derartige Mieterhöhungen wirksam?

Kernpunkte des MietenWoG Bln (Mietendeckel) in der Theorie

Der Mietendeckel ist eine allgemeine Mietpreisbegrenzung für fünf Jahre
Kern des Gesetzes ist die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten in Berlin für fünf Jahre.
Ausgenommen vom Mietendeckel sind:
– Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus,
– mit Mitteln aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung und Instandsetzung geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung,
– Wohnheime,
– Trägerwohnungen
– sowie alle ab Anfang 2014 erstmals bezugsfertigen Neubauten oder Wohnungen, die mit einem dem Neubau entsprechendem Aufwand aus dauerhaft unbewohnbarem Wohnraum wiederhergestellt wurden (bspw. in einer ehemaligen Bauruine).
Verstöße durch die Vermietenden gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 € geahndet werden.
Doch wie sieht die Praxis aus?

Mieterhöhungen nach Inkraftreten des MietenWoG Bln

Ein Beispiel:
Die Covivio Immobilien GmbH wandte sich mit Schreiben vom 27.07.2020 namens und in Vollmacht der Vermieterin, der Covivio Quadriga 40 GmbH, an ihren Mieter in der Spandauer Wilhelmstadt und teilte diesem mit, dass sie beauftragt sei, eine Mieterhöhung zum 01.10.2020 vorzunehmen. Sodann erfolgte die Neuberechnung der Miete für die 52 m² große Wohnung von bisher 324,64 € um 26,36 € auf 351,00 €. Dies entspricht einer Nettokaltmiete von 6,75 €/m².
In dem Mieterhöhungsschreiben heißt es u.a. wie folgt:
Einverständniserklärung zur Mieterhöhung

“Wir bitten Sie uns Ihre gesetzlich erforderliche vorbehaltslose Zustimmung zur Mieterhöhung bis spätestens zum 30.09.2020 (Ablauf der Zustimmungsfrist) mittels Unterzeichnung und Rücksendung der beiliegenden Durchschrift im frankierten Umschlag zu erteilen.
Rechtliche Aufklärung insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Gesetzgebung in Berlin
Aufgrund des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln), siehe Anlage 1, können wir gemäß §§ 558 BGB die Zustimmung zur Erhöhung der Grundmiete verlangen. Wenngleich wir den Betrag während der Geltungsdauer des Gesetzes weder fordern noch entgegennehmen dürden.
Sofern das MietenWoG Bln ganz oder in Teilen für verfassungswidrig erklärt wird, werden wir entsprechend der dann gültigen Rechtslage rückwirkend die Zahlung der Mieterhöhung verlangen.”
Das vorstehende Mieterhöhungsverlangen der Covivio Immobilien GmbH dient lediglich als Beispiel uns steht stellvertretend für andere Mieterhöhungen. Inzwischen werden derartige Mieterhöhungen als “Schattenmieterhöhungen” betitelt.

Wie sollen Spandauer Mieterinnen und Mieter auf eine derartige Mieterhöhung reagieren?

Die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin, die u.a. für Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Amtsgerichts Spandau (aber auch für Entscheidungen des Amtsgerichts Mitte und damit für Mieterinnen und Mieter aus Mitte, Prenzlauer Berg und Tiergarten) zuständig ist, hält die in § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln landesrechtlich angeordnete Mietpreisbegrenzung und damit den Mietendeckel für verfassungswidrig (LG Berlin – 67 S 274/19, Beschluss vom 12.03.2020; LG Berlin – 67 S 109/20, Beschluss vom 06.08.2020). Dem Land Berlin fehle insoweit jede Gesetzgebungskompetenz, da der Bund in Ausfüllung der umfassend auch das Mietrecht für preisfreien Wohnraum umgreifenden Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 BGB das Recht zur Mieterhöhung und Mietpreisvereinbarung in den §§ 556 d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend geregelt habe. Diese Regelungen entfalteten Sperrwirkung für jeden Landesgesetzgeber und damit auch für das Land Berlin.
Die Zivilkammer 67 setzt aus diesem Grund Berufungsverfahren zu Mieterhöhungen zurzeit aus und legt die Frage, ob Art. 1 § 3 MietenWoG Bln in der Fassung vom 11. Februar 2020 (GVBl. 2020, 50) mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m §§ 557 Abs. 1, 558 Abs. 1 und 2 BGB unvereinbar und deshalb nichtig sei, dem Bundesverfassungsgericht  zur Beantwortung und Entscheidung vor. Die Antwort des Bundesverfassungsgerichts steht aus und wird wohl nicht vor Frühsommer 2021 erfolgen.
Spandaus Mieterinnen und Mieter befinden sich damit bei “Schattenmieterhöhungen” in der “Mietendeckel-Warteschleife”, und zwar so lange, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Sollte das Bundesverfassungsgericht sich der Rechtsauffassung der Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin anschließen und den Mietendeckel für verfassungswidrig erachten, wären Mieterhöhungen zurzeit möglich. Wenn hingegen das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel für verfassungsgemäß halten sollte, würden Mieterhöhungen zurzeit gegen den Mietendeckel verstoßen.

Fazit:

Für Spandaus Mieterinnen und Mieter besteht im Falle des Erhalts einer Mieterhöhung ein großes Prozess- und Kostenrisiko, wenn sie der Mieterhöhung nicht zustimmen sollten, da nicht vorausgesagt werden kann, wie das Bundesverfassungsgericht letztendlich entscheiden wird.
Bei Erhalt einer Mieterhöhung sollte auf jeden Fall eine juristische Beratung in Anspruch genommen werden.
https://www.berliner-woche.de/spandau/c-soziales/mieterhoehung-trotz-mietendeckel_a285736

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln seit seinem Inkrafttreten am 23.02.2020 als gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB zu beachten?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 66 S 95/20, Urteil vom 31.07.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: „Nach Auffassung der Kammer trägt die Begründung des Amtsgerichts die Klageabweisung allerdings nur, soweit der Kläger die Zustimmung zur Mieterhöhung für die Zeit ab 1. März 2020 begehrt. Am 23.2.2020 ist das MietenWoG Bln in Kraft getreten. Die Kammer teilt die Einschätzung des Amtsgerichts, dass dieses Gesetz wirksam (insbesondere verfassungsgemäß) ist, und dass es als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anzuerkennen ist. Obwohl es sich bei § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln um eine öffentlichrechtliche Regelung handelt, entfaltet diese über die im BGB bereits vorhandenen Vorschriften auch zivilrechtliche Wirkungen. Eine dieser Wirkungen besteht darin, dass i.S.d. § 134 BGB eine bereits vereinbarte überhöhte Miete “verboten” ist, was die Vereinbarung insoweit nichtig macht. Liegt ein verbotenes Rechtsgeschäft (noch) nicht vor, sondern soll es nach Maßgabe der §§ 558 BGB, 894 ZPO durch eine Klage auf Zustimmung erst herbeigeführt werden, so richtet sich die Klage auf gesetzlich verbotene Inhalte und ist deshalb unbegründet.

Allerdings hat das Amtsgericht dies auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln angenommen, denn nach seiner Auffassung wäre das gesamte streitgegenständliche Mieterhöhungsbegehren (schon allein deshalb) unbegründet, weil es sich auf einen nach dem Stichtag (§ 3 Abs. 1 MietenWoG Bln; 18.06.2019) gelegenen Zeitraum bezieht. Dies erscheint zweifelhaft.

Der in § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln normierte Stichtag ist zwar als solcher anzuerkennen, er entfaltet aber nach Auffassung der Kammer Wirkungen erst seit dem Inkrafttreten des Gesetzes, also seit dem 23.2.2020. Danach (erst) legt das als Stichtag bezeichnete Datum materiell den Zeitpunkt fest, der für die betragsmäßige Bestimmung der zulässigen Höhe des Mietzinses maßgeblich ist. Zuvor – also außerhalb des formell geltenden Gesetzes – konnten die Absichten des Gesetzgebers keine rechtlichen Wirkungen entfalten. Zwar wollte der Landesgesetzgeber bereits seine Vorlage vom 17. Juni 2019 und die am Folgetag erfolgende Beschlussfassung über die Absicht der später erfolgten Gesetzgebung als Zäsur verstanden wissen; die dauerhafte Veränderung der bestehenden Verhältnisse entgegen den Absichten des geplanten Gesetzes sollte verhindert werden. Erst mit der Inkraftsetzung der Norm sorgte er aber dafür, dass eine “Miete”, die verglichen mit dem Stichtag materiell unzulässig hoch ist, rechtlich auch wirklich verboten ist.

Dies ergibt sich auch aus der späteren Begründung zum Änderungsantrag der Regierungsfraktionen vom 21.01.2020, wo es (a.a.O. S. 6) zu § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln ausdrücklich heißt: “Die Vorschrift entfaltet (…) keine echte Rückwirkung. Sie regelt nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete (…) zu verlangen. Ein solches Verbot gilt, da im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, erst ab Inkrafttreten des Gesetzes…”.

Nach Ansicht der Kammer spaltet also bei dem hier zu beurteilenden zeitlichen Ablauf das Inkrafttreten des MietenWoG Bln am 23.2.2020 den bereits auf den 01.09.2019 bezogenen Streitgegenstand in einen zeitlich vor dem 23.02.2020 und einen zeitlich danach liegenden Teil. Für letzteren sind die Vorschriften im MietenWoG Bln als gesetzliches Verbot anzuwenden, für den vor dem 23.2.2020 liegenden Zeitraum ist allein das bis dahin geltende Recht maßgeblich.”

Pressemitteilung 17/2020

Beratungsbüro des AMV ab dem 07.09.2020 wieder geöffnet

Das Beratungsbüro des AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V. in der Westerwaldstraße 9A (rechts neben dem Haupteingang der Stadtteilbibliothek) im Falkenhagener Feld in 13589 Berlin-Spandau öffnet zum 07.09.2020 wieder.
Sie erreichen den AMV dort persönlich während der Sprechzeiten:
  • Montag 18:00 – 19:00 Uhr
  • Mittwoch 10:30 – 12:00 Uhr
  • Freitag 18:00 – 19:30 Uhr
  • Samstag 10:00 – 12:00 Uhr (jeden 2. und 4. Samstag mit Rechtsberatung)
Nach dem maßgeblichen Hygieneplan ist der zeitgleiche Aufenthalt von einem Berater und einem Ratsuchenden im Beratungsbüro zulässig. Weitere Ratsuchende müssen vor dem Beratungsbüro auf ihre Beratung warten. Die Eingangstür bleibt während der Beratung geöffnet. Beim Betreten sind zunächst die Hände zu desinfizieren. Das Tragen einer Maske ist Pflicht. Zwischen Berater und Ratsuchendem ist ein Mindestabstand von 2 Metern zu wahren. Nach jeder Beratung ist der Sitzplatz des Ratsuchenden großräumig zu desinfizieren.
Berlin, den 26.08.2020
Ass. Marcel Eupen, Pressesprecher des AMV

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

 

rbb24.de am 20.08.2020: Vorkaufsrecht in Berlin – Nur die wenigsten Mieter kaufen die eigene Wohnung

In Berlin werden jedes Jahr tausende Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt. In Milieuschutzgebieten wird das meist nur genehmigt, wenn die Wohnung den Mietern zum Kauf angeboten wird. Aktuelle Zahlen belegen allerdings, dass nur die wenigsten zugreifen.

Aus Mietshäusern werden Gebäude mit lukrativen Eigentumswohnungen: Für Investoren ist das seit langer Zeit ein gut gängiges Geschäftsmodell – für viele Mieterinnen und Mieter Berlins allerdings ein Ärgernis.

Zwar sieht das Gesetz vor, dass ein neuer Wohnungseigentümer Mietern erst zehn Jahre nach der Umwandlung wegen Eigenbedarfs kündigen darf, doch in manchen Fällen versuchen neue Eigentümerinnen und Eigentümer auch auf unlauteren Wegen, Mieter vorzeitig aus der Wohnung zu bekommen, etwa durch Sanierungsmaßnahmen, die im Anschluss die Miete in unbezahlbare Höhen treiben.

In Milieuschutzgebieten soll das eigentlich anders laufen. Doch hier ist es ein lange bekanntes “Schlupfloch” im Gesetz, das dazu führt, dass auch in diesen besonders geschützten Quartieren tausende Wohnungen jedes Jahr umgewandelt werden. Die Behörden müssen das nämlich unter anderem dann genehmigen, wenn Eigentümer sich verpflichten, in den folgenden sieben Jahren die Wohnung ausschließlich an die darin wohnenden Mieterinnen und Mieter zu verkaufen.

Nur 54 Verkäufe an Mieter

Dass das nur in den seltensten Fällen tatsächlich geschieht, zeigen jetzt Zahlen, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf parlamentarische Anfragen hin mitteilte. Demnach wurde in 58 sozialen Erhaltungsgebieten zwischen 2015 und 2019 die Umwandlung von 18.382 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen genehmigt. Die allermeisten, nämlich 17.926, sind mit der Selbstverpflichtung der Eigentümer verbunden, zunächst nur an Mieter zu verkaufen. Tatsächlich verkauft wurden allerdings nur 54.

https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2020/08/berlin-wohnen-umwandlung-mietwohnung-eigentum-mieter-vorkaufsrecht.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Besteht bei mehreren Mietern ein Anspruch gegenüber dem Vermieter, einem Austritt eines Mitmieters oder seinem Austausch durch einen Dritten zuzustimmen?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 176/19, Urteil vom 17.04.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: „Die Kläger haben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zum Ausscheiden des Klägers zu 2) aus dem Mietverhältnis und Aufnahme der Frau … als weitere Mieterin in das Mietverhältnis.

Die Änderung eines Vertrags bedarf der einvernehmlichen Regelung der Parteien. Mieten Lebenspartner, unabhängig von einer Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft, Eheleute oder Eltern(teile) und (erwachsene) Kinder eine Wohnung gemeinsam an, bedarf es folglich einer übereinstimmenden Willensentscheidung beider Vertragsseiten, d. h. sowohl der Mieter als auch der Vermieter, wenn ein Mieter der Mietermehrheit ausscheiden und ggf. durch einen Dritten ersetzt werden soll. Das Grundprinzip der Vertragsfreiheit führt dazu, dass dem Vermieter außer im Falle der gesetzlich geregelten Folgen bei der Ehewohnung im Falle der Ehescheidung (§ 1568a Abs. 3 BGB) kein Mieter aufzuzwingen ist, ebenso wie er die Solvenz mehrerer gesamtschuldnerisch haftender Mieter nicht gegen seinen Willen verlieren darf. Allein eine Mehrheit von Mietern begründet deshalb keinen Anspruch gegenüber dem Vermieter, einem Austritt eines Mitmieters oder seines Austauschs durch einen Dritten zuzustimmen. Kann keine Einigung mit dem Vermieter hergestellt werden, so muss in der Regel das Mietverhältnis insgesamt beendet und ggf. auf neuer Basis neu begründet werden.

Ein Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der Zusammensetzung der Mieterschaft gegenüber dem Vermieter, ein sogenanntes Wechselrecht der Mieter, besteht nur dann, wenn das eine Grundlage des Vertrags bildet, also die Möglichkeit und das Recht der Mieterschaft bestehen soll, ohne Beendigung des gesamten Mietverhältnisses einzeln aus dem Mietvertrag auszuscheiden und den bzw. die ausgeschiedenen Mieter durch einen oder mehrere Mieter zu ersetzen. Das wird durch die Rechtsprechung – auch der Kammer – angenommen, wenn es sich um eine nicht auf Dauer angelegte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft der Mieter als Wohngemeinschaft in Form einer sogenannten BGB-Innengesellschaft handelt, weil dieses den Anspruch gegenüber dem Vermieter impliziert, einem Auswechseln der Mitglieder der Wohngemeinschaft auf Mieterseite grundsätzlich zuzustimmen (vgl. Urt. v. 09.02.2010 – 65 S 475/07, Grundeigentum 2012, 1379, mwN). Dagegen spricht regelmäßig auch noch nicht, dass die einzelnen Mieter in Person als Mieter im Vertrag aufgeführt worden sind, denn dann kann eine Wohngemeinschaft als BGB-Innengesellschaft vorliegen (vgl. Kammer, aaO; KG Beschluss v. 30.03.1992 – 2 W 1331/92). Die nicht auf Dauer angelegte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft muss aber Grundlage des Zusammenlebens aller Mieter und der Anmietung der Wohnung sein oder später einvernehmlich mit dem Vermieter vereinbart werden. Dieses muss der Vermieter bei Mietvertragsabschluss oder in dessen Verlauf wissen und als vertragsimmanent (an)erkennen. Soweit dieses sich aus den vertraglichen Regelungen nicht eindeutig ergibt, kann sich das aus dem übereinstimmenden Handeln beider Vertragsseiten – Mietern und Vermieter – ebenso ergeben, etwa dann, wenn der Vermieter entsprechenden Wünschen der Mieterschaft mehrfach nachgekommen ist.

Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich.

Eine nicht auf Dauer angelegte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft der Mieter als Wohngemeinschaft in diesem Sinne wird häufig bei jüngeren Menschen ohne familiäre Bindung zueinander vorliegen, die sich regelmäßig in einer Ausbildungs- oder Berufsfindungsphase, auch in Praktika etc., befinden. In diesem Fall ergibt sich daraus eine von vornherein erkennbare zeitliche Beschränkung des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens. Solches lässt sich dem hier gegebenen Sachverhalt nicht entnehmen.

Die Kläger tragen dazu ausschließlich für die frühere Mitmieterin Hinrichs vor, die dann auch knapp vier Jahre nach Mietvertragsabschluss einvernehmlich aus dem Mietverhältnis ausschied. Ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.03.2020 lässt sich nur in Bezug auf einen absehbaren Wechsel von Frau … eine Vereinbarung mit dem Vermieter entnehmen. Eine Wohngemeinschaft mit einem sogenannten Wechselrecht aller Mitglieder der Wohngemeinschaft gegenüber dem Vermieter erfordert eine entsprechende Übereinkunft für alle Mitglieder der Wohngemeinschaft. Eine Vereinbarung allein für Frau … reichte nicht aus, um den Charakter als nicht auf Dauer angelegter Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen. Für die übrigen Mitmieter, die Kläger zu 1) bis 3), die das 2011 begründete Mietverhältnis seit 2015 ohne Frau Hinrichs in ansonsten gleichbleibender Zusammensetzung fortführen, ist eine entsprechende Übereinkunft, weder im Zusammenhang mit der gemeinsamen Anmietung der Wohnung noch später nicht dargelegt; es ergibt sich folglich nicht, dass sich die Parteien des Mietvertrags einig darüber geworden wären, dass die Wohngemeinschaft insgesamt und alle Mitglieder betreffend von vorneherein nicht auf Dauer angelegt gewesen sein soll oder später eine dementsprechende Einigung mit der Vermieterin herbeigeführt worden wäre.

Auch andere Umstände, aus denen sich zwingend eine auf beiden Vertragsseiten vorhandene Einigkeit darüber entnehmen ließe, dass die Mitglieder der Wohngemeinschaft gegen andere – dem Vermieter zumutbare – Personen ausgetauscht werden dürften, ergeben sich hier für das Gericht nicht.

So lässt das Alter der Mitmieter bei Mietvertragsabschluss das nicht bereits offenkundig erkennen. Die Mitmieter waren nicht durchweg so jung, dass sie sich noch zwangsläufig in einer absehbar zeitlich beschränkten Ausbildungsphase befanden, die Anlass und Grund für die gemeinsame Anmietung der Wohnung gewesen wäre. Bei Mietvertragsabschluss war die frühere Mitmieterin Hinrichs 30 Jahre, die Klägerin zu 1) 26 Jahre alt, der Kläger zu 2) 27, der Kläger zu 3) 23 Jahre. Nur das Alter des Klägers zu 3) ließe es als naheliegend erscheinen, dass er sich noch in einer Berufsausbildung befunden haben könnte und er deshalb zeitlich beschränkt in der Wohnung in der Gemeinschaft mit den anderen Klägern und Frau Hinrichs zusammenlebte. Vortrag dazu gibt es indessen nicht.

Selbst bei verbreitet durchaus jahrelangen Ausbildungsphasen, zumal für ein Studium, hatten die Kläger bis 2018, als sie den Wunsch auf Austausch des inzwischen fast 36 Jahre alten Klägers zu 2) gegen Frau … begehrten, etwa 7 Jahre in derselben Zusammensetzung in der Wohnung gewohnt, sodass ein sachlicher und zeitlicher Bezug zu einer Ausbildungsphase der Kläger nicht offen liegt.

Ein von vorneherein zeitlich beschränkter Aufenthalt in Berlin aus anderen Gründen ist ebenso nicht erkennbar.

Schließlich spricht auch die nach Ausscheiden von Frau Hinrichs aus dem Mietverhältnis gelebte Praxis, nämlich die Untervermietung eines Zimmers an Dritte, gegen eine einvernehmliche, ggf. auch schlüssig erfolgte Einigung darüber, dass auch die anderen verbliebenen Mieter, die Kläger zu 1) bis 3), aus dem Mietverhältnis ausscheiden und für sie Dritte als Hauptmieter eintreten dürften, ohne Auswirkungen auf den Fortbestand des Mietverhältnisses.

Die im Jahr 2015 getroffene Ergänzung des Mietvertrags lässt ein Einverständnis mit dem Ausscheiden von Frau … erkennen, mehr aber nicht.

Soweit dem klägerischen Vorbringen im Schriftsatz vom 26.03.20 zu entnehmen sein sollte, dass es bei Ausscheiden der Frau Hinrichs eine Einigung dahingehend gegeben habe, dass jeweils insgesamt 4 Personen in der Wohnung wohnen und leben dürften, ergibt sich daraus lediglich ein Einverständnis mit einer teilweisen Untervermietung an Dritte, soweit die Anzahl der Mieter das erlaubt, wie das gegenwärtig der Fall ist.”

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

rbb24.de am 20.08.2020: Sebastian Scheel als neuer Stadtentwicklungssenator vereidigt

Der bisherige Baustaatssekretär Sebastian Scheel ist als Senator für Stadtentwicklung und Wohnen vereidigt worden. Er hatte das Amt bereits kommissarisch inne. An dem Kurs seiner Vorgängerin Katrin Lompscher will Scheel nichts ändern.

Der Linke-Politiker Sebastian Scheel ist in Berlin neuer Senator für Stadtentwicklung und Wohnen. Er wurde am Donnerstagvormittag während der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses von Parlamentspräsident Ralf Wieland vereidigt. Zuvor hatte er vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) seine Ernennungsurkunde erhalten.

Scheel will bisherigen Kurs fortsetzen

Der Linke-Landesvorstand hatte den bisherigen Staatssekretär für Wohnen am Montag als neuen Senator vorgeschlagen. Er wird Nachfolger von Katrin Lompscher (Linke), die Anfang August als Senatorin zurückgetreten war. Sie hatte den Schritt mit Fehlern bei der Abrechnung und Versteuerung ihrer Bezüge aus Tätigkeiten als Verwaltungs- und Aufsichtsrätin landeseigener Unternehmen begründet.

Scheel hat als Staatssekretär eng mit Lompscher zusammengearbeitet. Am Dienstag erklärte er, den bisherigen Kurs fortsetzen zu wollen. Das gilt etwa mit Blick auf das umstrittene Mietendeckel-Gesetz, das in Berlin seit Februar in Kraft ist und maßgeblich von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erarbeitet wurde. Scheel hat angekündigt, das Thema Neubau müsse in Zukunft einen noch stärkeren Fokus haben.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/08/berlin-sebastian-scheel-neuer-stadtentwicklungssenator-vereidigt.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist die in § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln landesrechtlich angeordnete Mietpreisbegrenzung verfassungswidrig?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 109/20, Beschluss vom 06.08.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter III. wie folgt aus: „Die Kammer ist davon überzeugt, dass Art. 1 § 3 MietenWoG Bln in der Fassung vom 11. Februar 2020 (GVBl. 2020, 50) mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 557 Abs. 1, 558 Abs. 1 und 2 BGB unvereinbar und deshalb formell verfassungswidrig und nichtig ist. Dem Land Berlin fehlt insoweit jede Gesetzgebungskompetenz (vgl. Kammer, a.a.O, Tz. 20 ff.; AG Mitte, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 113 C 5055/19, GE 2020, 743; Abramenko, AnwBl Bln 2019, 418; Beuermann, GE 2019, 841; Feldmann, GE 2019, 1469; Herrlein/Tuschl, a.a.O.; Heusch, NZM 2020, 357; Knauthe, ZfIR 2019, 509; Kühling, DVBl 2020, 842; Papier, Rechtsgutachten – Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels, 16; ders., DRiZ 2019, 380, 381; Pickert, GE 2019, 954; Schede/Schuldt, NVwZ 2019, 1572; dies., AnwBl Bln 2019, 414; Schüller, in: BeckOK BGB, 54. Ed., Stand: 1. Mai 2020, § 556d Rz. 5l; Schultz, a.a.O., 169; Seiler, in: BeckOK GG, 43. Ed., Stand: 15. Mai 2020, Art. 74 Rz. 2.3.; Stelzer, GE 2019, 1473; Theesfeld, in: BeckOK Mietrecht, 18. Ed., Stand: 1. Mai 2020, § 556d Rz. 70; Wichert, GE 2019, 1356; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Gutachterliche Stellungnahme, WD 3 – 3000 – 149/19, 3 ff.; Wolfers/Opper, DVBl. 2019, 1446; 1447; a.A. LG Berlin, Urt. v. 31. Juli 2020 – 66 S 95/20, n.v.; Fischer-Lescano/Guttmann/Schmid, Rechtsgutachten – Landeskompetenzen für Massnahmen der Mietpreisregulierung, 20; Kingreen, NVwZ 2020, 737; Mayer, DRiZ 2019, 380; Mayer/Artz, Rechtsgutachten – Öffentlichrechtliche und privatrechtliche Aspekte eines “Mietendeckels” für das Land Berlin, 36; Putzer, NVwZ 2019, 283; Schneider/Franke, DÖV 2020, 415; Tietzsch, WuM 2020, 121; Weber, JZ 2018, 1022; ders., NZM 2019, 878; ders. ZMR 2019, 389).

Die Kammer hält an ihrer im Vorlagebeschluss vom 12. März 2020 begründeten Überzeugung (vgl. Kammer, a.a.O., Tz. 20 ff.), die mittlerweile auch vom BayVerfGH geteilt wird, der landesrechtliche Mietpreisbegrenzungen für “offensichtlich” kompetenzrechtswidrig erachtet (vgl. BayVerfGH, Beschluss vom 16. Juli 2020 – Vf. 32-IX-20, BeckRS 2020, 16071, Tz. 45, 75), einschränkungslos fest:

Stützen sich der Bund und ein Land im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung jeweils auf eine Kompetenzbestimmung des Grundgesetzes, so hat die Bundesgesetzgebung nach Maßgabe des Art. 72 Abs. 1 GG Vorrang. Den Ländern steht die Befugnis zur Gesetzgebung gem. Art. 72 Abs. 1 GG zu, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Andernfalls entfaltet das Bundesgesetz Sperrwirkung für die Länder. Diesen bleibt Raum für eine eigene Regelung nur, wenn und soweit die bundesrechtliche Regelung nicht erschöpfend ist. Wann eine bundesrechtliche Regelung als erschöpfend anzusehen ist, folgt aus einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes (st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29. März 2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99). Der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand rechtfertigt für sich allein zwar noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von eigener Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist. Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist bzw. nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Hat der Bund einen Sachbereich in Wahrnehmung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Sinne abschließend geregelt, so tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder im selben Sachbereich unabhängig davon ein, ob die landesrechtlichen Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur ergänzen, ohne ihnen sachlich zu widersprechen. Führt der Vollzug einer landesrechtlichen Bestimmung dazu, dass die bundesrechtliche Regelung nicht mehr oder nicht mehr vollständig oder nur noch verändert angewandt und so in ihrem Regelungsziel nur modifiziert verwirklicht werden kann, so ist dies jedenfalls ein sicheres Anzeichen dafür, dass die landesrechtliche Bestimmung sich auf einem Feld bewegt, das der Bundesgesetzgeber durch eigene Vorschriften bereits besetzt hat (vgl. BVerfG, a.a.O.). Die Länder sind auch nicht berechtigt, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine abschließende Bundesregelung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten; das Grundgesetz weist ihnen nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundesgesetzgebers “nachzubessern” (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Gemessen an diesen Maßstäben sind Art. 1 § 3 MietenWoG Bln und das gesamte MietenWoG Bln formell verfassungswidrig (vgl. Kammer, a.a.O., Tz. 22 ff.). Der Bund hat in Ausfüllung der umfassend auch das Mietrecht für preisfreien Wohnraum umgreifenden Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 BGB das Recht zur Mieterhöhung und Mietpreisvereinbarung in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend geregelt. Diese Regelungen entfalten Sperrwirkung für jeden Landesgesetzgeber und damit auch für das Land Berlin.

Die Regelungsgegenstände der §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB unterfallen dem Kompetenztitel des Bürgerlichen Rechts. Die Befugnis zur Regelung des bürgerlichen Rechts umfasst alle Normen, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden. Dabei geht es im Wesentlichen um die Ordnung der Individualrechtsverhältnisse, weshalb die Kompetenz des Bundes für das bürgerliche Recht nicht nur die Regelungen des BGB, sondern auch die vielfältigen Nebengesetze des Privatrechts umfasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. Juni 2016 – 1 BvR 1015/15, BVerfGE 142, 268, beckonline Tz. 54 f.). Für die Eröffnung des bürgerlich-rechtlichen Kompetenztitels spielt es auch keine Rolle, ob die vom Bund geregelte Materie öffentlich-rechtlich geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1960, BVerfGE 11, 192; Papier, Rechtsgutachten, 7; Schede/Schuldt, NVwZ 2019, 1572, 1573). Gemessen daran ist das in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB geregelte Recht zur Mietzinsvereinbarung und -erhöhung im preisfreien Wohnraum als Teil des sozialen Mietrechts dem Kompetenztitel des Bürgerlichen Rechts zuzuordnen (vgl. Herrlein/Tuschl, a.a.O., 227; Schede/Schuldt, a.a.O.; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, a.a.O., 6; Wolters/Opper, a.a.O., 1448).

Der Bund hat seine auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts bestehende konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG durch die genannten zivilrechtlichen Vorschriften auch abschließend ausgeübt. Eine bundesgesetzliche Regelung ist dann als abschließend einzustufen, wenn sie einen Sachbereich umfassend und lückenlos regelt oder nach dem aus der Gesetzgebungsgeschichte ablesbaren Willen des Gesetzgebers abschließend regeln sollte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. März 2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99). So liegt der Fall hier:

Der Bund wollte das Recht zur Mietpreisvereinbarung und -erhöhung in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend regeln und hat es auch abschließend geregelt:

Das gilt zunächst für die durch die sog. “Mietpreisbremse” in den §§ 556d ff. BGB in einem ausdifferenzierten Regelungssystem getroffenen gesetzlichen Bestimmungen zur Begrenzung der Neuvermietungsmiete auf 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Wolters/Opper, a.a.O). Der Bund ist dabei ausweislich der Gesetzesbegründung auf Grundlage des durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für das Bürgerliche Recht eröffneten Kompetenztitels tätig geworden (vgl. BT-Drs. 18/3121, 19). Das BVerfG hat die vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Regelungen sämtlich für verfassungsgemäß erachtet und damit auch die formelle Verfassungsgemäßheit einschließlich der in Anspruch genommenen Gesetzeskompetenz bejaht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, NJW 2019, 3054, beckonline Tz. 51 ff.). Der Gesetzgebungshistorie lässt sich kein einziger Anhalt dafür entnehmen, dass der Bund das Recht zur Vereinbarung von Neuvertragsmieten im preisfreien Wohnraum nicht lückenlos und abschließend regeln wollte oder geregelt hat (vgl. BT-Drs. 18/3121, 1 ff.). Ebensowenig hat der Bundesgesetzgeber zu erkennen gegeben, Teile der Regelungsmaterie ungeregelt zu belassen und insoweit eine Gesetzgebungskompetenz der Länder eröffnen zu wollen (vgl. BT-Drs. 18/3121, 1 ff.). Er hat vielmehr in unmissverständlicher Fortführung seines bereits eindeutig zum Ausdruck gekommenen Regelungsverständnisses und Regelungskonzeptes durch Gesetz vom 18. Dezember 2018 die bisherige Bestimmung des § 556g BGB mit Wirkung zum 1. Januar 2019 neu gefasst und geändert (BGBl. I S. 2648). Auch insoweit hat sich der Bund auf seine aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG folgende Gesetzeskompetenz berufen und keinen Zweifel daran gelassen, dass er die von der Gesetzesänderung betroffene Materie lückenlos und abschließend regelt (vgl. BT-Drucks 19/4672, 15).

Eine davon abweichende Beurteilung ist nicht dadurch gerechtfertigt, dass § 556d Abs. 2 BGB eine an die Landesregierungen gerichtete Verordnungsermächtigung enthält (so aber Mayer/Artz, a.a.O., 35). Das in den §§ 556d ff. BGB geschaffene Regelungskonzept des Bundes wäre allenfalls dann nicht abschließend, wenn das Land Berlin von der Verordnungsermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung bislang keinen Gebrauch gemacht hätte oder die Verordnungsermächtigung – im hier nicht gegebenen Falle der unterlassenen Umsetzung – dem Land einen eigenständigen Umsetzungsspielraum einräumen würde (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 88. EL August 2019, Art. 72 Rz. 96, 99; Wolters/Opper a.a.O.). An beiden Voraussetzungen fehlt es: Denn der Berliner Senat hat nicht nur von der in § 556d Abs. 2 BGB enthaltenen Verordnungsermächtigung durch den Erlass der Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 Gebrauch gemacht (GVBl. 2015, S. 101). Es kommt hinzu, dass § 556d Abs. 2 BGB den Landesregierungen keinerlei inhaltlichen Ermessensspielraum zum Erlass einer Rechtsverordnung belässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, NJW 2019, 3054, beckonline Tz. 111). Damit aber entfalten die §§ 556d ff. BGB für ihre Regelungsmaterie gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine ebensolche Sperrwirkung wie ein Bundesgesetz, das keine an die Länder gerichtete Verordnungsermächtigung enthält (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O, 1575; Wolters/Opper, a.a.O.).

Auch die Erhöhung von Mieten während des laufenden Mietverhältnisses hat in den §§ 557 ff. BGB eine abschließende bundesrechtliche Regelung für nicht preisgebundene Mietverhältnisse gefunden. Mit den §§ 558 ff. BGB hat der Bund das sog. Vergleichsmietensystem geschaffen, das es dem Vermieter erlaubt, die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Wolters/Opper, a.a.O.). Die Regelungen sind gesetzessystematisch mit § 573 Abs. 1 Satz 2 BGB verzahnt, der es dem Vermieter untersagt, das Mietverhältnis zum Zwecke der Mieterhöhung zu kündigen. Bereits die Existenz dieses mit zahlreichen Sonderbestimmungen – wie etwa der durch § 558 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB in unterschiedlicher Höhe festgelegten Kappungsgrenze – versehenen und in jeder Einzelheit ausdifferenzierten Regelungssystems gebietet den Rückschluss auf den Willen des Bundesgesetzgebers, eine abschließende Regelung treffen zu wollen (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575). Es tritt hinzu, dass der Bund den für die Bemessung der Vergleichsmiete maßgeblichen Beurteilungszeitraum in § 558 Abs. 2 BGB noch unmittelbar vor Inkraftreten des MietenWoG Bln durch Gesetz vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2911) zum 1. Januar 2020 geändert hat. Auch diese Gesetzesänderung, die ausweislich der Gesetzesbegründung des Bundesgesetzgebers der – von der Gesetzesbegründung des MietenWoG Bln mit ähnlichem Wortlaut adressierten – Dämpfung des “extrem hohen Anstiegs” von Angebots- und Bestandsmieten in Ballungszentren dienen sollte (vgl. BT-Drucks 19/14245, S. 1, 2; Abgeordnetenhaus Berlin, Beschlussvorlage vom 28. November 2019 zur Drucks. 18/2347, S. 2, 4, 14, 15, 17) belegt, dass der Bund das Recht zur Mieterhöhung im preisfreien Wohnraum bislang abschließend geregelt hat und auch weiterhin abschließend regeln will. Die in § 556d Abs. 2 BGB enthaltene Verordnungsermächtigung spielt für die Beurteilung des Abschlusses der bundesrechtlichen Regelungen bereits deshalb keine Rolle, weil sie sich ausschließlich auf die Mietpreisbegrenzung bei Neumietverhältnissen, nicht jedoch auf die hier streitgegenständliche Erhöhung des Mietzinses bei Bestandsmietverhältnissen bezieht. Allein diese aber werden von den §§ 558 ff. BGB erfasst.

Die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin wird nicht dadurch beseitigt, dass sich der Landesgesetzgeber auf den Kompetenztitel für das “Wohnungswesen” aus Art. 74 Satz 1 Nr. 18 GG a.F. berufen und nach seinem Selbstverständnis mit dem MietenWoG Bln “öffentlich-rechtliche Mietpreisregelungen” getroffen hat, die das bürgerlich-rechtliche Regelungsregime lediglich um ein hoheitliches Regelungssystem “ergänzen” (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Drucks 18/2347, a.a.O., S. 16 f.; Weber, NZM 2019, 878). Diese Sichtweise verkennt nicht nur den Regelungsgehalt des Art. 74 Satz 1 Nr. 18 GG, sondern bereits grundlegend auch das Konzept der konkurrierenden Gesetzgebung sowie die von den Ländern zu beachtenden Gebote bundesstaatlicher Rücksichtnahme und der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht (vgl. Papier, DRiZ 2019, 380, 381; Schede/Schuldt, a.a.O., 1575 f.):

Das Land Berlin kann sich bereits nicht mit Erfolg auf den Kompetenztitel für das “Wohnungswesen” berufen (vgl. Kammer, a.a.O., Tz. 29). Zwar wurde den Bundesländern im Zuge der Föderalismusreform 2006 der vormals im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung angesiedelte Kompetenztitel des Wohnungswesens überlassen (vgl. Papier, Rechtsgutachten, a.a.O., 5; Putzer, a.a.O., 285; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576). Dieser umfasste jedoch nicht die vom Land Berlin nunmehr reklamierte Zuständigkeit für das Wohnungsmiet- und Mietpreisrecht, sondern lediglich die Kompetenz zur Regelung des Wohngeld-, Altschuldenhilfe-, Wohnungsbauprämien-, des Bergarbeiterwohnungsbau- und Bergmannsiedlungsrechtes sowie des Rechts der sozialen Wohnraumförderung, den Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen, das Wohnungsbindungs- und das Zweckentfremdungsrecht im Wohnungswesen sowie das Wohnungsgenossenschaftsvermögensrecht (vgl. BT-Drucks. 16/813, S. 13; Herrlein/Tuschl, a.a.O., 227; Papier, a.a.O., 13 f.; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576; Wolters/Opper, a.a.O.). Damit könnten öffentlich-rechtliche Mietpreisbegrenzungen auf den ehemaligen Kompetenztitel des Wohnungswesens allenfalls dann gestützt werden, wenn sie ausschließlich die öffentlichen Eigentümer von Wohnungsbeständen, insbesondere landeseigene Wohnungsgesellschaften, verpflichten oder eine Mietpreisbindung als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Förderung durch Private vorsehen. Für alle freifinanzierten Wohnungsbestände hingegen ist neben den im BGB geschaffenen Regelungen kompetenzrechtlich kein Raum für eine öffentlich-rechtliche Mietpreisregulierung (vgl. BayVerfGH, a.a.O., Tz. 69 ff; Papier, a.a.O., 14; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, a.a.O., 4; Wolters/Opper, a.a.O.).

Die Reichweite des Kompetenztitels für das “Wohnungswesen” kann allerdings im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn der vom Bund an die Länder überlassene Kompetenztitel für das “Wohnungswesen” eine – und noch dazu ausschließliche – Gesetzeskompetenz der Länder auch für die streitgegenständliche Regelungsmaterie begründet hätte, könnte sich das Land Berlin nicht mit Erfolg darauf berufen. Denn die Gebote bundesstaatlicher Rücksichtnahme und der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht erlauben dem Bundesgesetzgeber im Rahmen der ihm eingeräumten Gesetzgebungskompetenz die umfassende Regelung einer Materie auch dann, wenn dafür eine anteilige und ausschließliche Gesetzeskompetenz der Länder besteht (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265, Feldmann, GE 2019, 1469; Papier, a.a.O., 7). Maßgebend ist der Regelungszusammenhang. Eine Teilregelung, die bei isolierter Betrachtung einer Materie zuzurechnen wäre, für die der Bundesgesetzgeber nicht zuständig ist, kann gleichwohl in seine Kompetenz fallen, wenn sie mit dem kompetenzbegründenden Schwerpunkt der Gesamtregelung derart verzahnt ist, dass sie als Teil der Gesamtregelung erscheint (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265).

So liegt der Fall hier, selbst wenn es sich bei den Regelungen des MietenWoG Bln um eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Regelung des Verwaltungsrechts handeln sollte: Die im MietenWoG Bln getroffenen Regelungen sind mit den vom Bundesgesetzgeber in Wahrnehmung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG geschaffenen Regelungen der §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB – wenn auch auf widersprüchliche Art und Weise – so eng und unauflösbar verflochten, dass sie als Teil der vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Gesamtregelung erscheinen (vgl. Kammer, a.a.O., Tz. 31; Herrlein/Tuschl, a.a.O., 228; Papier, a.a.O., 8; Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, a.a.O., 4; Wolters/Opper, a.a.O.).

Es tritt hinzu, dass das Land Berlin bei der Schaffung des MietenWoG Bln die Gebote bundesstaatlicher Rücksichtnahme und der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht nicht beachtet hat. Sie setzen der Kompetenzausübung der Länder Schranken, indem sie es dem Landesgesetzgeber untersagen, konzeptionelle Entscheidungen des Bundesgesetzgebers durch eine auf einer landeseigenen Spezialkompetenz gründende Einzelentscheidung zu verfälschen. Es ist untersagt, inhaltlich gegenläufige Regelungen an den Normadressaten zu richten, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265). Genau diese – verfassungsrechtlich untersagte – Konfliktlage ist jedoch in Berlin seit Inkrafttreten des MietenWoG Bln verwirklicht: Während der Bundesgesetzgeber die Erhöhung des Mietzinses bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 1 BGB gestattet, untersagt sie der Landesgesetzgeber in Art. 1 § 3 MietenWoG Bln unabhängig von der Höhe der ortsüblichen Miete, sofern die verlangte Miete die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Während der Bundesgesetzgeber die Wirksamkeit der Vereinbarung einer Neuvermietungsmiete gemäß §§ 556d Abs. 1, 556g BGB erst ab einer Höhe von 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt, untersagt der Landesgesetzgeber sie nach Maßgabe der in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln getroffenen Übergangsregelung gemäß Art. 1 § 5 MietenWoG Bln unabhängig von der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete. Damit ist die Rechtsordnung im Lande Berlin im hier streitgegenständlichen Kontext seit Inkraftreten des MietenWoG Bln evident widersprüchlich (vgl. Kammer, a.a.O., Tz. 31). Das hat zur Folge, dass die vom Landesgesetzgeber geschaffenen Regelungen als bereits formell verfassungswidrig zu weichen haben. Denn ihr Vollzug würde dazu führen, dass die – in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB kodifizierten – Regelungen des Bundesgesetzgebers nicht mehr oder nicht mehr vollständig oder nur noch verändert angewandt und so in ihrem Regelungsziel allenfalls modifiziert verwirklicht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. März 2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99; Feldmann, a.a.O., 1471; Papier, a.a.O., 10; Pickert, GE 2019, 954, 955; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576; Wolters/Opper, a.a.O.). Sofern gegen diese Wertung ins Feld geführt wird, “wechselseitige Sperrwirkungen seien föderalismusfreundlich auszulegen” und “kleinere Unstimmigkeiten zwischen Bundes- und Landesrecht” hinzunehmen (so Fischer-Lescano/Guttmann/Schmid, a.a.O., 12), führt das zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn die unterschiedlichen bundes- und landesrechtlichen Regelungssysteme weisen nicht nur “kleinere Unstimmigkeiten” auf, sondern widersprechen sich bereits in ihren Grundsätzen diametral (vgl. Papier, a.a.O.; Wolters/Opper, a.a.O.).

Schließlich eröffnet auch Art. 28 VvB, der als Staatszielbestimmung ein “Recht auf Wohnraum” statuiert, keine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für die im MietenWoG Bln geregelte Materie (vgl. Kammer, a.a.O., Tz. 32). Die gegenteilige Auffassung (Mayer/Artz, a.a.O., 30), ausweislich derer “der Wertung von Art. 28 VvB bei der Auslegung der bundesrechtlichen Kompetenzreichweite Rechnung zu tragen” sei, da dies “das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes gebiete”, entbehrt der verfassungsrechtlichen Grundlage. Denn die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich gemäß Art. 70 Abs. 2 GG ausschließlich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung und nicht nach den jeweiligen – und insoweit vollständig unerheblichen – Landesverfassungen sowie den darin getroffenen Staatszielbestimmungen (vgl. BayVerfGH, a.a.O., Tz. 77; Kammer, a.a.O., Tz. 32; Herrlein/Tuschl, a.a.O., 230; Papier, a.a.O., 14; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576).”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Unterfällt ein nach dem 18.06.2020 zugegangenes Mieterhöhungsverlangen im Falle der Verfassungsgemäßheit des MietenWoG Bln dem in § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln angeordneten “Mietenstopp” auch dann zur Gänze, wenn der Vermieter die Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses bereits ab einem Zeitpunkt verlangt, der noch vor dem Inkraftreten des MietenWoG Bln am 23.02.2020 liegt?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 109/20, Beschluss vom 06.08.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. wie folgt aus: „Gemessen daran ist der zeitliche Anwendungsrahmen von Art. 1 § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln eröffnet, da der Kläger nicht nur die Erhöhung des Mietzinses zu einem erst nach dem gesetzlichen Stichtag liegenden Zeitpunkt geltend gemacht, sondern er das Erhöhungsverlangen den Beklagten auch erstmals nach diesem Stichtag zugestellt hat. Soweit nunmehr vereinzelt vertreten wird, Art. 1 § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln könne erst ab dem Zeitpunkt seines Inkraftretens Rechtswirkungen entfalten (so LG Berlin, Urt. v. 31. Juli 2020 – 66 S 95/20, n.v.), rechtfertigt das keine abweichende Beurteilung. Denn der Landesgesetzgeber hat dem in Art. 1 § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln angeordneten “Mietenstopp” ausweislich des Wortlauts und der Begründung des Gesetzes eine ausdrückliche Rückwirkung beigemessen. Eine Auslegung der Norm, die Rechtswirkungen vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens ausschließt, kommt deshalb nicht in Betracht. Gesetze sind einer – verfassungskonformen – Auslegung nicht zugänglich, wenn der Wortlaut und der klar gegensätzliche Wille des Gesetzgebers entgegen stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29. März 2017 – 2 BvL 6/11, ZIP 2017, 1009, Tz. 152 m.w.N.). Genau so aber liegt der Fall hier, in dem sich der Landesgesetzgeber bewusst und unmissverständlich für eine unechte Rückwirkung des “Mietenstopps” entschieden hat. Aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens folgt nicht anderes. Zwar heißt es im Fraktionsantrag vom 21. Januar 2020 “Sie regelt nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu verlangen. Ein solches Verbot gilt, da im Gesetz nichts anderes geregelt ist, erst ab Inkrafttreten des Gesetzes” (vgl. Fraktionsantrag zur Änderung der Beschlussvorlage zur Drucks. 18/2347 vom 21. Januar 2020, S. 6). Diese Ausführungen betreffen allerdings nicht den zeitlichen Anwendungsrahmen von Art. 1 § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln. Sie grenzen allein die vom Gesetz nicht im Wege einer echten Rückwirkung erfassten abgeschlossenen Sachverhalte von unabgeschlossenen Sachverhalten ab, die über eine unechte Rückwirkung dem Anwendungsbereich des Art. 1 § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln ausdrücklich unterfallen sollten (“Die Vorschrift entfaltet dadurch unechte Rückwirkung. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalten und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet. Die Stichtagsregelung betrifft Mietverhältnisse, die zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit abgeschlossen worden sind und bei Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin bestehen” (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Beschlussvorlage vom 28. November 2019 zur Drucks. 18/2347, S. 6). Welche Sachverhalte der Landesgesetzgeber als abgeschlossen erachtet und welche nicht, hat er ebenso unmissverständlich zum Ausdruck gebracht (“Die Regelung stellt auf eine wirksame Vereinbarung über die Miethöhe ab. Hierdurch wird grundsätzlich ein Eingriff in bereits vor dem Stichtag zustande gekommene vertragliche Vereinbarungen vermieden und somit der Vertrauensschutz gewährleistet. Als Vereinbarungen in diesem Sinne sind insbesondere solche zu verstehen, die durch Zustimmung der Mieterin oder des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen zustande kommen. Vereinbarungen über die Miethöhe, die erst nach dem Stichtag zustande gekommen sind, finden für die Bestimmungen der nach diesem Gesetz zulässigen Miethöhe keine Berücksichtigung.”, vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Beschlussvorlage vom 28. November 2019 zur Drucks. 18/2347, S. 25, 3. Absatz). Damit zählen zu den abgeschlossenen Sachverhalten lediglich solche, in denen vor dem Stichtag eine Vereinbarung der Mietvertragsparteien über die Erhöhung der Miete wirksam zustande gekommen ist, nach Auffassung des VIII. Zivilsenates des BGH zudem solche, in denen das Erhöhungsverlangen bis zum Stichtag zugegangen ist und mit ihm die Erhöhung der Miete zu einem vor dem Stichtag liegenden Zeitpunkt verlangt wird (vgl. BGH, Urt. v. 29. April 2020 – VIII ZR 355/18, NJW 2020, 1947, beckonline Tz. 75). Der vom Kläger geltend gemachte Zustimmungsanspruch hingegen unterfällt keinem der genannten Sachverhalte.”