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Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Sind vor dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln zugegangene Mieterhöhungsverlangen trotz der Stichtagsregelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln wirksam?

Die Antwort des Amtsgerichts Charlottenburg (AG Charlottenburg – 227 C 115/19, Urteil vom 06.05.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Charlottenburg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Die Verpflichtung der Beklagten zur Zustimmung zur Mieterhöhung ist nicht durch das am 23. Februar 2020 in Kraft getretene MietenWoG Berlin ausgeschlossen. Das in § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin statuierte Verbot einer Miete, die die am 18. Juni 2019 geltende Miete übersteigt, ist erst am 23. Februar 2020 in Kraft getreten und gilt erst ab diesem Zeitpunkt für künftige Mieten. Auf den Zustimmungsanspruch des Vermieters vor Inkrafttreten des Gesetzes kann die Norm mangels echter Rückwirkung keine Auswirkung haben. Soweit die Norm auf den Stichtag 18. Juni 2019 Bezug nimmt, so hat dies nur Bedeutung für die Höhe der nunmehr zulässigen Miete; nicht jedoch für den Zeitpunkt der Wirkung des Verbots. Dementsprechend heißt es in der Begründung zum Änderungsantrag der Regierungsfraktionen: “Die Vorschrift entfaltet hingegen keine echte Rückwirkung. Sie regelt nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu verlangen. Ein solches Verbot gilt, da im Gesetz nichts anderes geregelt ist, erst ab Inkrafttreten des Gesetzes.” (Änderungsantrag der Fraktion der SPD Fraktion die Linke und der Fraktion Bündnis 90/die Grünen zur Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mieten Begrenzung – Drucksache 18/2347 – vom 21. Januar 2 2020, Seite 6). Hiernach kann das Gesetz auf einen Zustimmungsanspruch zum 1. Oktober 2019 keinen Einfluss haben. Das Gericht schließt sich hinsichtlich der fehlenden Rückwirkung des § 3 Abs. 1 MietenWoG Berlin den Ausführungen des Amtsgerichts Charlottenburg, Urteil vom 2. März 2020, 213 C 136/19, an. Es folgt nicht den Ausführungen des Landgerichts Berlin in dem Vorlagebeschluss vom 12. März 2020 – 67 S 274/19.”

Pressemitteilung 16/2020

DAX-Konzern Deutsche Wohnen verstößt abermals gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot

Die Deutsche Wohnen, die für alle ihre Konzerngesellschaften und damit für rund 161.000 Wohnungen (Stand: Ende 2019) nur eine einzige Sach- und Haftpflicht-Versicherung bei der Allianz Versicherungs-AG unterhält, verstößt nach dem Wirtschaftsjahr 2016 (siehe AG Spandau – 6 C 293/19, Urteil vom 18.10.2019) bei den Kosten der Versicherung auch bei dem Jahr 2017 gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit- so zumindest das Amtsgericht Spandau (AG Spandau – 5 C 104/20, Urteil vom 14.07.2020).

Rückwirkender Versicherungsabschluss

Die Deutsche Wohnen unterhielt am 02.08.2016 bei der Allianz Versicherungs-AG eine Sach- und Haftpflicht-Versicherung für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 01.01.2017 auf der Basis einer Prämienberechnung nach der Anzahl der Mietobjekte. Dieser Versicherungsvertrag auf der Basis der Prämienberechnung nach der Anzahl der Mietobjekte wurde am 02.08.2016 rückwirkend zum 01.01.2014 durch einen Versicherungsvertrag auf der Basis der Prämienberechnung nach der Wohn-/Nutzfläche abgelöst.

Kostensteigerung von über 50 %

Dieser rückwirkende Austausch der Versicherung führte bei 1.234 Mietern der GSW-Großsiedlung Böhmerwaldweg 1-11 / Elmweg 1-9 ungerade / Frankenwaldstraße 2-12 gerade / Hainleiteweg 1-11, 13 / Kellerwaldweg 1-10, 122 / Knüllweg 1-10 / Steigerwald-

straße 1-19 ungerade / Westerwaldstraße 1, 4-12 gerade im Falkenhagener Feld in Berlin-Spandau zu einer Kostensteigerung von 2015 auf 2016 von 153.584,43 € um

51,69 % auf Gesamtversicherungskosten von 232.974,56 € sowie von 2015 auf 2017 von 153.584,43 € um 55,99 % auf Gesamtversicherungskosten von 239.581,72 €.

Mehrkosten von 63,15 €

Bei der hier klagenden Mieterin aus der Westerwaldstraße 1 stiegen die Versicherungskosten für deren 1-Zimmer-Wohnung mit einer Größe von 61,64 m² von 112,77 € im Jahr 2015 auf 171,06 € im Jahr 2016 und auf 175,92 € im Jahr 2017. Sie forderte den Differenzbetrag zwischen 2015 und 2017 von 63,15 € (175,92 € – 112,77 € = 63,15 €) von der Deutsche Wohnen zurück und berief sich auf einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Amtsgericht Spandau bejaht Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit

Zu Recht, urteilte jetzt das Amtsgericht Spandau (AG Spandau – 5 C 104/20, Urteil vom 14.07.2020) und gab der Klage der Mieterin statt. Die eingetretene „Kostensteigerung verstieß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit”. „Aus Sicht eines vernünftigen Wohnungsvermieters stellt sich diese Kostensteigerung nicht als vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis unter Beachtung des Gebots der ordentlichen Wirtschaftsführung dar“, so das Amtsgericht Spandau in seiner Urteilsbegründung.

Kommentar des AMV

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV), der die Mieterin aus der Westerwaldstraße 1 in der GSW-Großsiedlung Falkenhagener Feld in Spandau vertritt, zeigt sich sehr zufrieden, dass das Amtsgericht Spandau, dass bereits bei der Betriebskostenabrechnung 2016 einen Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit bejaht hatte (AG Spandau – 6 C 293/19, Urteil vom 18.10.2019), dies nun bei der Betriebskostenabrechnung 2017 genauso sieht.

„Der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, der 2016 dadurch eingetreten ist, dass die Deutsche Wohnen am 02.08.2016 grundlos rückwirkend einen neuen Versicherungsvertrag trotz bestehendem und ungekündigten Vertrag für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 01.01.2017 abgeschlossen hat, hält bis heute an und pflanzt sich von Jahr zu Jahr fort und damit auch in das hier maßgebliche Jahr 2017″, sagt AMV-Chef Marcel Eupen.

„Das maßgebliche Urteil des Amtsgerichts Spandau vom 14.07.2020 ist noch nicht rechtskräftig. Die Deutsche Wohnen kann noch Berufung beim Landgericht Berlin einlegen. Der AMV rechnet damit, dass die Deutsche Wohnen von diesem Rechtsmittel Gebrauch machen wird”, so Eupen.

„Da die Deutsche Wohnen sowohl den Versicherungsvertrag vom 02.08.2016 als auch den Nachfolgevertrag vom 01.09.2017 für alle Gesellschaften des Deutsche Wohnen Konzerns rückwirkend trotz bestehendem Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, hat das vorliegende Gerichtsurteil nicht nur Auswirkungen auf die hier involvierte GSW-Wohnung aus dem Falkenhagener Feld in Spandau sondern unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Spandau eine deutschlandweite Wirkung auf alle Wohnungen der Deutsche Wohnen”, so Eupen.

„Der sich jährlich fortpflanzende Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt laut Eupen auch für die Betriebskostenabrechnung aus dem Jahr 2019 für die Abrechnungsperiode 2018. Hier läuft bereits ein entsprechender Gerichtsprozess vor dem Amtsgericht Spandau (5 C 150/20). Eupen erwartet ein entsprechendes Urteil des Amtsgerichts Spandau im Herbst dieses Jahres.”

„Der AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V. rät allen Wohnraummietern der Deutsche Wohnen, umgehend bei ihrer Betriebskostenabrechnung 2019 für die Abrechnungsperiode 2018 – sofern noch nicht geschehen – Widerspruch gegen die Kosten der Versicherung einzulegen und einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu rügen, da die Deutsche Wohnen ohne ersichtlichen Grund am 02.08.2016 rückwirkend für den Zeitraum 01.01.2014 bis 01.01.2017 einen neuen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, wonach die Versicherungsprämie nicht mehr nach der Anzahl der Wohnobjekte sondern nach der Wohn-/Nutzfläche nach Quadratmetern abgerechnet wird mit der Folge einer exorbitanten Kostensteigerung”, sagte Eupen.

Berlin, den 04.08.2020

Ass. Marcel Eupen, Pressesprecher des AMV

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:
Landgericht Berlin – 66 S 95/20, Urteil vom 31. Juli 2020
Pressemitteilung 45/2020 vom 31.07.2020: Das Gesetz zum sog. „Berliner Mietendeckel“ (MietenWoG Bln) ist nach Ansicht der für Berufungen in Mietsachen zuständigen Zivilkammer 66 als verfassungsgemäß anzusehen.

Die Richter der für Berufungen in Mietsachen zuständigen Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin haben aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2020 in dem heute in öffentlicher Sitzung verkündeten und dabei mündlich kurz begründeten Urteil entschieden, dass nach ihrer Ansicht die Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) – auch als sog. „Berliner Mietendeckel“ bezeichnet – als verfassungsgemäß anzusehen sind. Allerdings könnten diese Vorschriften – so die Richter der Zivilkammer 66 – trotz des gesetzlichen Stichtags vom 18. Juni 2019 Mieterhöhungen der Vermieterseite erst ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 23. Februar 2020 und nicht schon für Zeit zwischen diesem Stichtag und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verhindern.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in Berlin ein Mieterhöhungsverlangen der Vermieterseite vom 18. Juni 2019 – und damit genau vom gesetzlichen Stichtag – im Rahmen einer Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu prüfen. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hatte die Klage der Vermieterseite in der ersten Instanz mit der Begründung abgewiesen, das mit der Klage geltend gemachte Mieterhöhungsverlangen für die Zeit ab dem 01. September 2019 sei auf ein nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln und 134 BGB verbotenes Rechtsgeschäft gerichtet, da ein Mietzins verlangt werde, der die am 18. Juni 2019 – dem Stichtag des Gesetzes – wirksam vereinbarte bzw. geltende Miete überschreite.

Auf die dagegen eingelegte Berufung des klagenden Vermieters haben die Richter der Zivilkammer 66 mit ihrem heutigen Urteil die Entscheidung der ersten Instanz für die Mietzinsansprüche ab dem 01. März 2020 bestätigt. Die Zivilkammer 66 – so der Vorsitzende in der heutigen Urteilsbegründung – sehe das Gesetz zum sog. „Berliner Mietendeckel“ weder formell noch materiell als verfassungswidrig an, sodass keine Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht geboten sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bisher lediglich im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes die Frage nach der Gesetzeskompetenz des Landes Berlin für das MietenWoG Bln als „offen“ bezeichnet, und damit eine Tendenz nicht erkennen lassen. Da die Kammer selbst nicht zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit gelangt sei, sei das Verfahren auch nicht auszusetzen, sondern das als wirksam erachtete Gesetz anzuwenden.

Allerdings sei das MietenWoG Bln als ein Verbotsgesetz mit zivilrechtlichen Folgen nach § 134 BGB erst am 23. Februar 2020 in Kraft getreten. Der in diesem Gesetz enthaltene Stichtag am 18. Juni 2019 stelle zwar einen materiell maßgeblichen Bezugspunkt für die Ermittlung der absolut (noch) zulässigen Miethöhe dar, ändere aber nichts daran, dass das gesetzliche Verbot höherer Mieten zum Stichtag am 18. Juni 2019 noch nicht existiert habe, sondern erst ab dem 23. Februar 2020 gelte. Daher sei eine höhere Miete als die am Stichtag vereinbarte bzw. geltende Miete erst ab dem März 2020 für den monatlich zu zahlenden Mietzins verboten.

Das Mieterhöhungsverlangen für die Zeit ab dem 01. September 2019 bis Ende Februar 2020 verstoße daher zwar nicht gegen das gesetzliche Verbot des MietenWoG Bln, überschreite aber die ortsübliche Vergleichsmiete, sodass die Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete für den Zeitraum vom 01. September 2019 bis Ende Februar 2020 aus diesem Grunde keinen Erfolg habe, weshalb die Berufung insgesamt unbegründet und zurückzuweisen sei.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig; gegen die Nichtzulassung der Revision kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof innerhalb von einem Monat ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten muss auf die schriftlichen Urteilsgründe verwiesen werden. Nach den Presserichtlinien kann über diese aber erst berichtet werden, wenn das heute verkündete Urteil den Parteien in schriftlicher Form zugestellt wurde.

https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2020/pressemitteilung.967839.php

AMV im Lichte der Presse:

 

Berliner Zeitung am 03.08.2020: Spandauer Mieterin gewinnt gegen die Deutsche Wohnen

Das Amtsgericht gibt einer Bewohnerin im Streit um die Betriebskostenabrechnung Recht. Andere Mieter könnten ebenfalls davon profitieren.

Die zur Deutsche Wohnen gehörende GSW hat bei der Betriebskostenabrechnung für 2017 gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstoßen und muss einer Mieterin aus Spandau den zu viel kassierten Betrag zurückerstatten. Das hat das Amtsgericht Spandau jetzt entschieden. Das Urteil vom 14. Juli bezieht sich zwar zunächst nur auf einen Haushalt, könnte aber womöglich auf alle Wohnungen des zweitgrößten börsennotierten Unternehmens in Deutschland übertragbar sein. Die Deutsche Wohnen besitzt bundesweit rund 161.000 Wohnungen, fast 116.000 davon im Großraum Berlin (Stand: Ende 2019). Die Entscheidung des Amtsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Die Deutsche Wohnen kann dagegen Berufung einlegen.

Im vorliegenden Fall hatte die Deutsche Wohnen am 2. August 2016 vorfristig einen neuen Versicherungsvertrag abgeschlossen. Die Versicherungskosten stiegen danach für die Wirtschaftseinheit, der die Wohnung der Mieterin zugeordnet ist, um mehr als 50 Prozent. Während die Mieterin im Jahr 2015 noch 112,77 Euro an Versicherungskosten zahlen musste, waren es im Jahr 2017 schon 175,92 Euro – also 63,15 Euro mehr. Die Deutsche-Wohnen-Tochter begründete dies unter anderem damit, dass die Preise für die Gebäudeversicherung gestiegen seien. Außerdem führte sie an, dass die geänderte Berechnung der Kosten nach der Größe der Wohnung statt nach der Zahl der Wohnungen, wie bisher, gerechter sei, da auf kleinere Wohnungen ein geringerer Kostenanteil entfalle.

Amtsgericht folgt Vermieter-Argumentation nicht

Das Amtsgericht folgte der Argumentation jedoch nicht. Dass die Änderung der Berechnungsgrundlage zu einer gerechteren Kostenverteilung geführt habe, erschließe sich angesichts der erfolgten Kostenerhöhung für die 61,64 Quadratmeter große Wohnung der Mieterin nicht. Die Richter entschieden, dass die Deutsche-Wohnen-Tochter den Betrag von 63,15 Euro nebst Zinsen an die Mieterin erstatten muss. Das Unternehmen habe „keine nachvollziehbaren Gründe genannt“, warum es am 2. August 2016 eine neuen Vertrag unter Zugrundelegung einer geänderten Berechnungsgrundlage bei einer Kostensteigerung von mehr als 50 Prozent abgeschlossen habe.

Das Amtsgericht Spandau hatte bereits im Oktober vergangenen Jahres im Streit über die Versicherungskosten in der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2016 ein ähnliches Urteil zugunsten der Mieter gesprochen. Diese erhielten danach 77,68 Euro von den Versicherungskosten zurück.

Mieter- und Verbraucherschutzbund zeigt sich zufrieden

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV), der die Mieter in beiden Fällen vertrat, zeigt sich mit dem jüngsten Urteil zufrieden. Der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot halte „bis heute an und pflanzt sich von Jahr zu Jahr fort – und damit auch in das hier maßgebliche Jahr 2017“, so AMV-Chef Marcel Eupen. Der AMV rechne aber damit, dass die Deutsche Wohnen Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts einlege. Da die Deutsche Wohnen sowohl den Versicherungsvertrag vom 2. August 2016 als auch einen Nachfolgevertrag vom 1. September 2017 für alle Gesellschaften des Konzerns rückwirkend trotz bestehendem Versicherungsvertrags abgeschlossen habe, habe das vorliegende Urteil nicht nur Auswirkungen auf die hier involvierte Wohnung, „sondern unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Spandau eine deutschlandweite Wirkung auf alle Wohnungen der Deutsche Wohnen“, meint Eupen. „Der sich fortpflanzende Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot“ gelte auch für die Betriebskostenabrechnung für 2018. Hier laufe bereits ein entsprechender Gerichtsprozess vor dem Amtsgericht Spandau (5 C 150/20). Der AMV erwarte dazu ein Urteil „im Herbst dieses Jahres“.

Der AMV rät allen Mietern der Deutsche Wohnen, „umgehend“ Widerspruch gegen die Versicherungskosten aus der Betriebskostenabrechnung für die Abrechnungsperiode 2018 einzulegen und einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu rügen. Die Betriebskostenabrechnungen für 2018 sind zum großen Teil im Herbst vergangen Jahres verschickt worden. Für den Widerspruch haben die Mieter ein Jahr Zeit. Also bis zum Herbst dieses Jahres.

Von der Deutsche Wohnen war bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu dem Urteil zu erhalten.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-spandau-mieterin-gewinnt-gegen-die-deutsche-wohnen-li.96480

Pressemitteilung 15/2020

Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 16.07.2020 ist kein negatives Signal für den Berliner Mietendeckel

„Aus der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom heutigen Tage zum Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens „#6 Jahre Mietenstopp“ können keine negativen Rückschlüsse für den Berliner Mietendeckel gezogen werden, da das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) – anders als der bayerische Gesetzesentwurf – auf einem öffentlich-rechtlichen Gesamtkonzept aufbaut und seine Regelungen nicht eine bloße Verschärfung der bundesrechtlichen zivilrechtlichen Bestimmungen zur Mietpreisbremse und zur Kappungsgrenze darstellen“, sagte der 1. Vorsitzende des AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V. Marcel Eupen.

„Der Berliner Mietendeckel (Mietenstopp des § 3 MietenWoG Bln) kann auf die gemäß Art. 70 GG gegebene Zuständigkeit der Länder für den Bereich des Wohnungswesens gestützt werden, da vorgenannte Vorschrift eine öffentlich-rechtliche Regelung ist, der im zivilrechtlichen Verhältnis zwischen Privaten (also zwischen den Mietvertragsparteien) keine unmittelbare Wirkung zukommt. Es handelt sich bei Mietpreisbremse und Kappungsgrenze auf der einen Seite und dem Mietendeckel auf der anderen Seite um unterschiedliche „Rechtsregime“. Während Mietpreisbremse und Kappungsgrenze zwischen den Mietvertragsparteien zivilrechtlich gelten, ist der Mietendeckel ein öffentlich-rechtliches Preiserhöhungsverbot“, so Eupen.

„Der AMV geht nach wie vor davon aus, dass der Berliner Mietendeckel einer verfassungsrechtlichen Kontrolle stand hält“, sagte Eupen.

Berlin, den 16.07.2020

Ass. Marcel Eupen, Pressesprecher des AMV

AMV im Licht der Presse:

 

Berliner Zeitung am 15.07.2020: Vermieter fordern „Schattenmiete“ nun auch in laufenden Verträgen

Eine neue Masche von geschäftstüchtigen Eigentümern: Sie erhöhen die Wohnkosten, kassieren aber den höheren Betrag nicht – solange der Mietendeckel gilt.

Vermieter in Berlin versuchen verstärkt, sich für den Fall zu wappnen, dass der Mietendeckel vor Gericht gekippt wird oder planmäßig nach fünf Jahren ausläuft. Nachdem etliche Eigentümer bereits beim Abschluss neuer Verträge neben der zulässigen gedeckelten Miete eine zweite, höhere Miete für den Fall vereinbaren, dass der Mietendeckel scheitert oder endet, probieren einige das gleiche nun auch in laufenden Vertragsverhältnissen. Obwohl die Mieten auch hier laut Mietendeckel eingefroren sind oder durch Preisobergrenzen limitiert werden.

So reichte ein privates Unternehmen mit Schreiben vom 1. Juni Klage beim Amtsgericht Spandau ein, um eine Mieterhöhung für eine Wohnung in der Lutherstraße durchzusetzen. Die Miete für die rund 90 Quadratmeter große Wohnung soll unter Berufung auf den Mietspiegel  von 483,94 auf 556,53 Euro monatlich steigen. Das private Unternehmen verlangt laut Klageschrift aber „nur die Änderung der mietvertraglichen Vereinbarung zur Miethöhe“. Der Erhöhungsbetrag selbst soll während der Zeit, in der die Regelungen des Mietendeckels „der Vereinnahmung“ der höheren Miete entgegenstehen, weder gefordert noch entgegengenommen werden.

Unternehmen stützt sich auf das Bundesverfassungsgericht

Das Unternehmen stützt sich bei der Begründung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März. Dieses hatte unter anderem erklärt, es sei nicht erkennbar, dass Vermieter jenseits des sanktionierten Forderns und Entgegennehmens einer unzulässigen Miete daran gehindert wären, sich für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Mietendeckels „bei Neuvermietungen eine höhere Miete versprechen zu lassen“. Entsprechendes gelte „selbstverständlich“ auch für laufende Mietverhältnisse, argumentiert das private Wohnungsunternehmen. Auf die sogenannten Schattenmieten beim Abschluss neuer Verträge folgen damit jetzt auch Forderungen nach Schattenmieterhöhungen in laufenden Mietverhältnissen.

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV), der die Mieter aus der Spandauer Lutherstraße vertritt, hält Schattenmieterhöhungen für unwirksam. Der Mietendeckel  sei sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck als ein umfassendes gesetzliches Verbot formuliert, „das eben nicht nur die Forderung und Entgegennahme, sondern bereits die Vereinbarung“ einer unzulässigen Miete umfasse, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. Da in der Rechtsprechung leider jedoch auch die gegenteilige Rechtsauffassung vertreten werde, sollten sich Haushalte, die eine Mieterhöhung erhalten, umgehend an die kostenfreien bezirklichen Mieterberatungen sowie das Wohnungsamt des jeweiligen Bezirksamtes wenden.

Ob sich Vermieter unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darauf berufen können, neben der mietendeckelkonformen Miete eine Schattenmiete zu vereinbaren, ist fraglich. Wie berichtet, hat das Wohnungsamt Pankow im Mai ein Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters aus Bad Homburg untersagt, mit dem dieser per Klageschrift vom 28. Februar bei einem Pankower Mieter eine Mietsteigerung durchsetzen wollte. Das Mieterhöhungsverlangen verstoße gegen das Preiserhöhungsverbot des Mietendeckels, urteilte das Wohnungsamt. Die Behörde stellte fest, sie verkenne nicht, dass der Vermieter aktuell nicht die Zahlung einer höheren Miete verlange, sondern nur die Zustimmung zu einer Erhöhung geltend mache. Das allein ändere nichts daran, dass „jegliches auf Überschreitung“ der nach dem Mietendeckel zulässigen Miethöhe gerichtete Tun seit 23. Februar 2020 im Land Berlin verboten ist und preisbehördlich untersagt werden könne. Der Mietendeckel formuliere ein Verbot, welches außer der Forderung und Entgegennahme auch die Vereinbarung einer unzulässigen Miete umfasse. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geht wie der Bezirk davon aus, dass die Vereinbarung jeder höheren als nach dem Mietendeckel zulässigen Miete „nichtig und damit unzulässig“ ist.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/vermieter-fordern-schattenmiete-nun-auch-in-laufenden-vertraegen-li.93091

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist die nachstehende Mietvertragsklausel

„Die Kosten für die Reparatur von Schäden trägt der Mieter ohne Rücksicht auf ein Verschulden bis zu der nachfolgend angegebenen Höhe. Es handelt sich hierbei um die Instandhaltungskosten an denjenigen Gegenständen Einrichtung, die seinem direkten und häufigen Gebrauch unterliegen wie Installationseinrichtungen für Wasser, Strom, Gas, Heiz-und Kocheinrichtung sowie Rollläden, Jalousien, Fensterläden und Markisen und Fenster und Türverschlüsse.

Die Obergrenze für eine Reparatur beträgt im Einzelfall EUR 150,–, maximal EUR 300,–im Jahr.”

wirksam?

Die Antwort des Amtsgerichts Neustadt/Rübenberge (AG Neustadt/Rübenberge – 47 C 400/19, Urteil vom 10.01.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Neustadt/Rübenberge in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Die Beklagten haben keinen Anspruch auf 140,96 Euro aus § 10 des Mietvertrages. Die formularmäßig vereinbarte Kostenübernahme ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Es handelt sich bei dem Mietvertragsformular um allgemeine Geschäftsbedingungen, die von den Beklagten gestellt wurden. Die Beklagten haben den Vortrag der Kläger (S. 3 der Klageschrift) nicht bestritten, sodass er nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

Eine Kleinreparaturklausel ist unwirksam, wenn sie den Mieter entgegen dem gesetzlichen Leitbild des § 538 BGB zu einer Kostenübernahme in einer Höhe verpflichtet, die den Umfang einer Kleinreparatur übersteigt. Von einer Kleinreparatur kann nur im Umfang von bis zu 100 Euro die Rede sein (vgl. Palandt/Weidenkaff, 2018, § 535, Rn. 44; Blank/Börstinghaus/Blank, 2017, § 535 Rn. 410 m. w. N.). Dieser Wert wird im Streitfall mit 150 Euro je Reparatur deutlich überschritten. Aufgrund der Unwirksamkeit des § 10 des Mietvertrags sind die Kosten insgesamt nicht erstattungsfähig.”

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

 

Legal Tribune Online am 14.07.2020: Mietenstopp und Mietendeckel – Das erste Signal kommt aus Bayern

An diesem Donnerstag wird der Bayerische Verfassungsgerichtshof über ein Volksbegehren zum Mietenstopp entscheiden. Es dürfte die erste gerichtliche Entscheidung zur Frage sein, ob Bundesländer solche Regelungen beschließen dürfen.

Bisher war Bayern nur ein Nebenschauplatz zu einer von Berlin angestoßenen Diskussion. In der Bundeshauptstadt trat am 23. Februar der sogenannte Mietendeckel in Kraft. Damit sind die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegte Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Auf Antrag der Mieter müssen überhöhte Bestandsmieten sogar gesenkt (gekappt) werden. Das Land stützt sich auf seine Kompetenz für das Wohnungswesen.

Ob das zugrundeliegende Berliner Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) verfassungskonform ist, ist heftig umstritten. Es liegen Verfahren beim Bundesverfassungsbericht (BVerfG) und beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (VerfGH Bln) vor. Es geht dabei zwar auch um materielle Fragen wie die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ins Eigentum, aber als Hauptstreitpunkt wird überwiegend die Frage gesehen, ob das Land Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel hat.

Eine erste Wegweisung könnte nun ausgerechnet aus Bayern kommen. Denn in dem Verfahren, das der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) am kommenden Donnerstag entscheiden wird, geht es ganz zentral um die Gesetzgebungskompetenz der Länder bei wohnungspolitisch motivierten Eingriffen ins Mietrecht.

Das Verfahren aus Bayern

Das Verfahren vor dem BayVerfGH dreht sich um die Zulässigkeit des Volksbegehrens “Sechs Jahre Mietenstopp”. In 162 bayerischen Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen Vermieter sechs Jahre lang die Miete nicht mehr erhöhen dürfen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn die Miete unter 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt oder wenn Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Der Mietenstopp-Vorschlag sieht keine Absenkung von Mieten vor, ist also nicht ganz so weitgehend wie der Berliner Mietendeckel. Initiiert wurde das Volksbegehren vom Mieterverein München, dem Deutschen Mieterbund Bayern, der bayerischen SPD, der bayerischen Linkspartei und dem DGB München sowie der Initiative “ausspekuliert”. Über 50.000 Unterschriften wurden gesammelt, 25 000 wären erforderlich gewesen.

Das Volksbegehren wurde jedoch vom Bayerischen Innenministerium nicht zugelassen. Das Land könne ein derartiges Gesetz nicht beschließen, hieß es zur Begründung. Der Bund habe die konkurrierende Kompetenz für das Mietrecht und dort eine abschließende Regelung getroffen. Ob der vorgeschlagene Mietenstopp auch materiell verfassungswidrig wäre, ließ das Innenministerium offen.

Wenn die Landesregierung ein Volksbegehren nicht zulässt, muss nach Art. 64 des bayerischen Landeswahlgesetzes automatisch der BayVerfGH entscheiden. Dieser hat am 18. Juni mündlich verhandelt. In der Verhandlung zeichnete sich laut Medienberichten noch kein Ausgang ab. Das Urteil wird am 16. Juli verkündet.

Die zentrale Fragestellung ist also diesselbe wie in den Berliner Verfahren: Darf ein Land gesetzliche Vorgaben für die vertraglich vereinbarte Miethöhe machen, um bezahlbare Mieten zu sichern?

Zwar hat eine Entscheidung des BayVerfGH natürlich keine rechtliche oder politische Bindungswirkung für den Streit um den Berliner Mietendeckel. Selbst wenn der BayVerfGH entscheidet, dass Länder keine  Gesetzgebungskompetenz für solche Eingriffe haben, wird das Berliner Abgeordnetenhaus seinen Mietendeckel wohl nicht sofort zurücknehmen. Das BayVerfGH-Urteil wird für den Berliner Streit aber vor allem ein fundierter juristischer Diskursbeitrag sein.

Die Verfahren zum Berliner Mietendeckel

Die verbindliche Entscheidung zum Berliner Mietendeckel wird also nicht in Bayern fallen. Wo sie stattdessen fällt – in Berlin oder in Karlsruhe -, das ist noch nicht entschieden.

Beim VerfGH Bln ist eine abstrakte Normenkontrolle anhängig, die von Abgeordneten der Berliner Oppositionsfraktionen CDU und FDP eingebracht wurde. Außerdem liegt die Verfassungsbeschwerde einer privaten Vermieterin vor.

Beim BVerfG ist die Zahl der Verfahren, die sich mit dem Berliner Mietendeckel befassen, sogar größer. Auch hier liegt eine abstrakte Normenkontrolle gegen das Berliner Gesetz vor, eingereicht von 248 Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU und der FDP. Hinzu kommen eine konkrete Normenkontrolle des Landgerichts Berlin sowie mehrere individuelle Verfassungsbeschwerden.

Doch wer entscheidet nun zuerst? Es gibt keine gesetzliche Reihenfolge. Absprachen zwischen den Gerichten hat es ebenfalls noch nicht gegeben. Die Natur der Sache könnte dafür sprechen, dass das BVerfG zunächst entscheidet, weil sich die Frage, ob dem Land Berlin eine Gesetzgebungskompetenz zusteht, vor allem aus dem Grundgesetz ergibt – dessen Auslegung nicht zur Kernaufgabe eines Landesverfassungsgerichts gehört.

Die Konstellation ist aber noch komplexer als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Denn am BVerfG sind beide Senat mit dem Mietendeckel befasst. Die abstrakte und die konkrete Normenkontrolle ist im Zweiten Senat anhängig, weil im Schwerpunkt die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit gerügt wird. Berichterstatter ist aufgrund einer Auffangzuständigkeit Verfassungsrichter Peter M. Huber. Dagegen liegen die Verfassungsbeschwerden nach § 14 BVerfassungsgerichtsgesetz generell im Ersten Senat, auch wenn die materiellen Grundrechtsfragen nicht den Schwerpunkt bilden. Berichterstatterin ist Verfassungsrichterin Yvonne Ott, die am Ersten Senat für das Mietrecht zuständig ist. Auch hier hat es noch keine Absprachen zwischen den Senaten gegeben.

Das Zusammenspiel der Verfahren

Wenn der VerfGH Bln zuerst entscheiden wollte, wäre dies sicher möglich. Denn Verfahren am BVerfG sind bekannt langwierig, selbst wenn das Karlsruher Gericht sich beeilt. Endgültig wäre eine derartige Entscheidung aber nur, wenn der VerfGH Bln den Mietendeckel kippt. Den wenn das Gesetz für nichtig erklärt wurde, würde den BVerfG-Verfahren der Gegenstand fehlen.

Dieses Szenario wäre aber wenig wahrscheinlich, da der VerfGH Bln proportional besetzt ist und die von den aktuellen Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne vorgeschlagenen Richter mit sechs zu drei Sitzen ein strukturelles Übergewicht haben. Sollte der Berliner Verfassungsgerichtshof zuerst entscheiden und den Mietendeckel nicht beanstanden, könnte das BVerfG – das heißt einer der beiden BVerfG-Senate – formal immer noch anders entscheiden. Allerdings wäre auch hier die positive Entscheidung des VerfGH Bln ein wichtiger juristischer Diskursbeitrag, den die Karlsruher Richter nicht leichtherzig ignorieren würden.

Sollte eines der angerufenen Gerichte den Berliner Mietendeckel aus Kompetenzgründen kippen, so wäre jedenfalls eine schnelle Entscheidung wünschenswert. So könnte dieses Urteil die Notwendigkeit einer bundespolitischen Diskussion über einen Mietendeckel verdeutlichen. Ein Bundesmietendeckel wäre dann wahrscheinlich ein großes kontroverses Thema im anstehenden Wahlkampf für die im Herbst 2021 geplante Bundestagswahl. Bisher scheiterte ein entsprechendes Bundesgesetz am politischen Nein der CDU/CSU.

Dabei könnte schon die Entscheidung des BayVerfGH am Donnerstag ein guter Anlass für die Debatte um einen Bundes-Mietendeckel sein, wenn er das bayerische Volksbegehren aus Kompetenzgründen für unzulässig erklärt.

https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/mietenstopp-mietendeckel-erstes-urteil-verfassungsgerichte-bayern-gesetzgebungskompetenz-bund-laender-verfassung/

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Genügt für ein berechtigten Interesses an einer Untervermietung, dass dem Mieter vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen?

Die Antwort des Landgerichts Hamburg (LG Hamburg – 333 S 46/19, Beschluss vom 20.02.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Hamburg in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Entgegen der Ansicht der Klagepartei hatte die Kündigung nach § 543 BGB keinen Erfolg, denn es fehlt an einer erheblichen Verletzung der Rechte des Vermieters. Es muss vorliegend nämlich berücksichtigt werden, dass der Beklagte einen Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis hatte. Selbst wenn dem nicht so wäre, müsste über die Erheblichkeit der Rechtsverletzung auf Grund einer Interessenabwägung entschieden werden (vgl. Schnidt-Futterer – Blank § 543 Rn: 74 m.w.N.). Dies verkennt hier die Klagepartei.

Nach Auffassung der Kammer hatte der Beklagte zu 2 auch ein berechtigtes Interesse, einen Teil der streitgegenständlichen Wohnung einem Dritten zu überlassen. Entgegen der Ansicht der Klagepartei sind an die Annahme eines berechtigten Interesses keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn dem Mieter vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsche nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. Dabei ist jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht als berechtigt anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht. Dabei kann es sich um ein persönliches aber auch wirtschaftliches Interesse handeln (vgl. Schnidt-Futterer – Blank § 553 Rn: 4 m.w.N.). Da hier der Beklagte zu 1 unstreitig ausgezogen ist, hatte der Beklagte zu 2 auch ein zumindest wirtschaftliches Interesse an einer Untervermietung. Entgegenstehende Interessen des Vermieters in Form von Einwendungen gegen die Person des Dritten oder eine Überbelegung der Wohnung oder sonstige Gründe, aus denen dem Vermieter eine Überlassung nicht zugemutet werden kann, sind nicht ersichtlich.

Soweit die Klägerin fürchtet, der Beklagte zu 1 könne wieder in die Wohnung zurückkehren, hätte sie die Möglichkeit, diesen, wie von ihm gewünscht, aus dem Mietvertrag zu entlassen.

Die Kammer weist darauf hin, dass der Beklagte, sollte er noch einmal eine Untervermietung ohne Zustimmung der Vermieterin vornehmen, Gefahr läuft, dass eine von Klägerseite ausgesprochene Kündigung greift und die Interessenabwägung zu seinen Ungunsten ausgeht.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Steht § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln einem Mieterhöhungsverlangen entgegen, dessen Wirkungen vor dem definierten Stichtag 18.06.2029 eintreten?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 55/20, Urteil vom 10.06.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. b) wie folgt aus: „§ 3 Abs. 1 MietenWoG steht dem Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht entgegen.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 MietenWoG Bln ist – vorbehaltlich hier nicht gegebener weiterer Regelungen – eine Miete verboten, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet.

Das hier gegenständliche Mieterhöhungsverlangen ist der Beklagten (unstreitig) am 27. Mai 2019 zugegangen, das heißt vor dem Senatsbeschluss vom 18. Juni 2019, der den zeitlichen Anknüpfungspunkt für den vorgenannten Stichtag bildet.

Die Kammer hat bereits entschieden, dass § 3 Abs. 1 MietenWoG einem Mieterhöhungsverlangen nicht entgegenstehen kann, dessen Wirkungen nach § 558b Abs. 1, 2 BGB (iVm § 894 ZPO) vor dem definierten Stichtag eintreten (vgl. LG Berlin [ZK 65], Urt. v. 27.05.2020 – 65 S 233/19, zVv; vgl. ebenso: AG Charlottenburg, Urt. v. 04.03.2020 – 213 C 136/19, Schultz, Grundeigentum 2020, 168, [172]; wohl auch: Tietzsch, WuM 2020, 121, [129]; aA LG Berlin [ZK 67], Beschluss vom 12.03.2020 – 67 S 274/19, für eine Mieterhöhung mit Wirkung zum 01.06.2020). Die Kammer hat in dem vorgenannten Verfahren (65 S 233/19) wegen der abweichenden Auffassung einer anderen Kammer des LG (noch) die Revision zugelassen. Inzwischen ist jedoch die Entscheidung des BGH vom 29. April 2020 (VIII ZR 355/18) veröffentlicht, aus der sich ergibt, dass der für Wohnraummietsachen zuständige VIII. ZS des BGH die Rechtsfrage wie vorstehend dargestellt beantwortet hat.

Zwar tritt die begehrte Vertragsänderung hier (erst) mit Wirkung zum 1. August 2019 ein, ein Zeitpunkt, der der Entscheidung des BGH offenkundig nicht zugrunde liegen konnte.

Allerdings greifen die den vorgenannten Entscheidungen zugrunde liegenden Erwägungen auch dann, wenn das Mieterhöhungsverlangen dem Mieter – wie hier – vor dem Stichtag zugegangen ist, die Wirkung der Vertragsänderung – wegen § 558b Abs. 1 BGB (iVm § 894 ZPO) aber erst nach dem Stichtag eintritt.

Ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. zuletzt: Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, Begründung der Beschlussempfehlung v. 21.01.2020, S. 6) soll der in § 3 Abs. 1 S. 1 MietenWoG Bln definierte Stichtag verhindern, dass die Umsetzung der (geplanten) Vorschrift bereits vor ihrem Inkrafttreten durch Ausnutzung der bisherigen Rechtslage vereitelt wird. Es bestünde die Gefahr, dass Vermieter die lange Dauer der politischen Diskussion und des sich anschließenden Gesetzgebungsverfahrens nutzen, um noch vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Mieterhöhung zu erwirken.

Ein Mieterhöhungsverlangen, das (deutlich) vor dem Senatsbeschluss vom 18. Juni 2019 zugegangen ist, begründet diese Gefahrenlage ebenso wenig wie ein solches, dessen Wirkungszeitpunkt (zusätzlich) vor dem Stichtag liegt, denn es ist – in beiden Fällen – in Unkenntnis des Senatsbeschlusses an den Mieter gerichtet worden.

Die Begründung des Landesgesetzgebers für die Erforderlichkeit der Stichtagsregelung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung der Rückwirkungsfrage trägt demnach (auch) nicht die Ausdehnung der Regelung auf Mieterhöhungsverlangen, die vor diesem Zeitpunkt (nur) zugegangen sind. Die Vorschrift ist daher – entsprechend den vom BGH in seiner Entscheidung vom 29. April 2020 (VIII ZR 355/18) dargestellten Maßstäben – seinem Sinn und Zweck nach dahin auszulegen, dass das darin geregelte Verbot auch solche Mieterhöhungsverlangen nicht erfasst, die vor dem Stichtag zugegangen sind, die Miethöhe (gemäß § 558b Abs. 1 BGB) allerdings erst zu einem nach dem Stichtag liegenden Zeitpunkt ändern.”